Dem Geheimnis der Zellregulation auf der Spur



Bio-News vom 04.02.2020

Ribonukleinsäuren (RNA) sorgen dafür, dass die Blaupause im Zellkern in lebenswichtige Proteine übersetzt und die Zellfunktionen reguliert werden. Allerdings ist wenig über die Struktur und Funktionsweise besonders langer RNAs, die aus hunderten oder tausenden Bausteinen bestehen, bekannt. Chemiker der Universität Bonn haben nun hierfür eine neue Methode entwickelt: Mit winzigen Fähnchen markieren sie die komplexen Moleküle und messen mit einem molekularen Lineal die Abstände dazwischen. Die Ergebnisse sind vorab online im Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht. Die Druckausgabe erscheint demnächst.

In lebenden Zellen läuft alles nach Plan: Die Blaupausen für sämtliche Bau- und Betriebsstoffe sind im Zellkern abgelegt. Wird zum Beispiel ein bestimmtes Protein benötigt, wird hierfür die genetische Information an der DNA abgelesen und in Ribonukleinsäure (RNA) übersetzt. Die RNA übermittelt den Bauplan an die „Proteinfabriken“ der Zelle, die Ribosomen. „Mehr als 80 Prozent der Ribonukleinsäuren sind aber überhaupt nicht an der Produktion von Proteinen beteiligt“, sagt Dr. Stephanie Kath-Schorr vom LIMES-Institut der Universität Bonn. Wahrscheinlich ist diese sogenannte „nicht-kodierende“ RNA an verschiedenen Regulierungsvorgängen in der Zelle beteiligt.


Publikation:


Christof Domnick, Frank Eggert, Christine Wuebben, Lisa Bornewasser, Gregor Hagelueken, Olav Schiemann, and Stephanie Kath-Schorr
EPR distance measurements on long non‐coding RNAs empowered by genetic alphabet expansion transcription
Angewandte Chemie International Edition

DOI: 10.1002/anie.201916447



Wissenschaftler möchten viel besser verstehen, für welche Steuerungsprozesse die nicht-kodierende RNA zuständig ist. „Hierfür müssen wir aber zunächst verstehen, welche Strukturen Ribonukleinsäuren haben und wie sie gefaltet sind“, sagt Kath-Schorr. Die räumliche Struktur scheint für die Funktion der RNA eine wichtige Bedeutung zu haben. Sie entscheidet darüber, an welche Moleküle eine bestimmte RNA bindet und damit wichtige Prozesse in der Zelle auslöst.

Ein Team aus Chemikern unterschiedlicher Fachbereiche der Universität Bonn hat nun gemeinsam eine Methode entwickelt, wie sich die Struktur und Faltung von besonders langen RNA-Molekülen aufklären lässt. „Kürzere RNAs lassen sich mit der Kristallstrukturanalyse untersuchen, doch für große und flexible Ribonukleinsäurekomplexe ist diese Methode sehr schwierig anzuwenden“, sagt Erstautor Christof Domnick. Die Wissenschaftler suchten deshalb nach einem neuen Weg für RNAs, die aus mehreren hundert oder gar tausend Bausteinen bestehen.

„Fähnchen“ zur Markierung

Die Wissenschaftler um Dr. Stephanie Kath-Schorr fügten zunächst zwei künstliche Buchstaben in den Erbgutstrang der DNA ein, die in dieser Form nicht in der Natur vorkommen. Bei der anschließenden Übersetzung in die RNA dienten diese künstlichen Buchstaben als eine Art „Fähnchen“ zur Markierung bestimmter Orte auf der mehrere hundert Bausteine umfassenden Ribonukleinsäure.

Die Positionen der Markierungen auf der RNA vermaßen die Forscher mit der PELDOR-Methode. „Wie mit einem Lineal auf molekularer Ebene lässt sich damit der Abstand zwischen den `Fähnchen´ vermessen“, sagt Prof. Dr. Olav Schiemann vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. Die Markierungen können an unterschiedlichen Stellen der Ribonukleinsäure platziert und der Abstand zwischen diesen Fähnchen bestimmt werden. Aus diesen Daten entsteht ein Bild der Struktur und Faltung der RNA.

„Wir haben zuvor mit kürzeren RNAs experimentiert und die Ergebnisse mit theoretischen Simulationen abgeglichen“, berichtet Kath-Schorr. „Die Übereinstimmung war sehr groß und die Methode damit zuverlässig.“ In Zukunft könnte die Struktur langer RNAs auch dreidimensional erfasst werden, wenn die markierten Ribonukleinsäuren aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden.

Großes Anwendungspotenzial

„Unser Fernziel sind Messungen der RNA-Strukturen direkt in der Zelle“, sagt die Biochemikerin. „Das ist aber noch Zukunftsmusik.“ Die grundlegende Methode hat ein großes Anwendungspotenzial. Zum Beispiel dienen RNAs in der Krebsdiagnostik als wichtige Marker. Kath-Schorr: „Mit unserer neuen Methode zur Strukturaufklärung langer, nicht-kodierender Ribonukleinsäuren kann ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis zellulärer Prozesse geleistet werden.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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