Mikroplastik in der Elbe



Bio-News vom 10.03.2021

Ein Team aus Wissenschaftlern hat zahlreiche Mikroplastikpartikel im Elbewasser bei Cuxhaven nachgewiesen. Das Ergebnis: 200 bis 2.100 Mikroplastikpartikel fanden die Forscher pro Kubikmeter Wasser. Um die Ergebnisse ihrer Messungen und deren große Spanne besser interpretieren und mit zukünftigen Studien vergleichen zu können, hat das Team erstmalig für den Bereich der Mikroplastikforschung dargestellt, wie man den Leitfaden des Internationales Büros für Maß und Gewicht (BIPM) zur Erfassung der Messunsicherheit für solche Untersuchungen einsetzen kann.

Die Studie, die heute im Journal of Hazardous Materials veröffentlicht wurde, und deren Methodik zur Darstellung und Berechnung der Ergebnisse auch auf viele andere Studien übertragbar sind, zeigt: Die bisher bekannten Mikroplastik-Konzentrationen weisen vermutlich eine sehr hohe Unsicherheit auf.

Jeden Tag transportiert die Elbe Schätzungen zufolge zwischen 300 Kilogramm und 1,2 Tonnen Kunststoffmüll in die Nordsee (Schöneich-Argent et al., 2020), wobei die Dunkelziffer noch deutlich höher liegen wird. Wissenschaftler des neu gegründeten Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), des Alfred-Wegener-Instituts – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden (IPF) haben Oberflächenwasser an der HZG-Messstation Cuxhaven untersucht, um verschiedene Verfahren zu vergleichen und die Menge der Mikroplastikpartikel zu bestimmen, die über die Elbe in die Nordsee gelangen.


Mikroskopaufnahme von Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk-Partikeln (EPDM). Die drei abgebildeten Partikel gehören zu den größten gefundenen Partikeln und sind etwa 700 bis 1000 Mikrometer lang.

Publikation:


Lars Hildebrandt, Tristan Zimmermann, Sebastian Primpke, Dieter Fischer, Gunnar Gerdts, Daniel Pröfrock
Comparison and uncertainty evaluation of two centrifugal separators for microplastic sampling
Journal of Hazardous Materials, Volume 414, 2021

DOI: 10.1016/j.jhazmat.2021.125482



Publikation:


Rosanna Isabel Schöneich-Argent, Kirsten Dau, Holger Freund
Wasting the North Sea? – A field-based assessment of anthropogenic macrolitter loads and emission rates of three German tributaries
Environmental Pollution Volume 263, Part B, August 2020, 114367

DOI: 10.1016/j.envpol.2020.114367

Die Verfahren, die bislang zur Beprobung von Partikeln eingesetzt wurden, bringen oft das Problem mit sich, dass die eingesetzten Filter zu schnell verstopfen und nur geringe Wasservolumina beprobt werden können. Dadurch wird die Repräsentativität der Ergebnisse beeinträchtigt. Deshalb wurden die Proben in der aktuellen Studie - zusätzlich zu den genommenen Schöpfproben - erstmals mit zwei alternativen Techniken gewonnen: Durchflusszentrifugen und Hydrozyklonen. Beides sind in anderen Bereichen gut etablierte Instrumente zur kontinuierlichen Partikeltrennung aus großen Flüssigkeitsvolumen. „Durch die Gezeiten an der Nordseeküste haben wir relativ viele Schwebstoffe im Wasser. Deshalb mussten wir die Wasserproben zunächst von organischem Material und Sedimentpartikeln bereinigen. Anschließend haben wir einige der Proben mit spektroskopischen Mikroskopieverfahren am IPF und am AWI analysiert. Durch das systematische Vorgehen wollten wir möglichst vergleichbare Ergebnisse erhalten“, erklärt Lars Hildebrandt, Umweltchemiker und Erstautor der Studie.

Die Ergebnisse: „Zwischen 200 und 2.100 Partikel Mikroplastik haben wir pro Kubikmeter Wasser gefunden. Etwa 95 Prozent davon sind kleiner als hundert Mikrometer, was in etwa dem Durchmesser eines Haares entspricht “, so Lars Hildebrandt. „Das sind relativ hohe Konzentrationen im Vergleich zur offenen Nordsee.“ Bei den am häufigsten identifizierten Partikeln handelt es sich um Polypropylen, Acrylate, Polyvinylchlorid und Polyethylen. Grundsätzlich stecken die verschiedenen Kunststofftypen in ganz unterschiedlichen Produkten, was eine eindeutige Zuordnung gefundener Partikel schwierig macht. Polypropylen und Polyethylen sind typische Verpackungsmaterialien. 40 Prozent der gesamten Kunststoffproduktion fließen in Verpackungen mit kurzer Produktlebensdauer. PVC (Polyvinylchlorid) wird in großen Mengen im Bauwesen eingesetzt, zum Beispiel in Form von Fußbodenbelag oder Leitungen. Acrylate findet man in Lacken und Farben, aber auch in vielen Kosmetikprodukten.

Wie sicher sind solche Ergebnisse?

In dieser Studie haben die Wissenschaftler erstmals den wichtigsten Leitfaden zur Erhebung von Messunsicherheiten für die Auswertung der Untersuchungen angewendet: den Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement des Internationalen Büros für Maß und Gewicht, der weltweit wichtigsten Behörde für „Maß und Gewicht“. Sie dient als Wächter über das Internationale Einheitensystem und alle Arten von Messungen. Lars Hildebrandt erklärt: „Jede Art von Messung ist mit einer Unsicherheit behaftet, die zusammen mit dem gemessenen Wert als sogenannte Messunsicherheit angegeben wird. Viele bereits veröffentlichte Studien zu Mikroplastikpartikeln wenden die einschlägigen Leitfäden jedoch nicht an, wodurch in der Öffentlichkeit der Eindruck einer falschen Genauigkeit entstehen kann: ‚So sind die Konzentrationen und nicht anders.‘ Dem ist aber nicht so. Man stößt auf dieses Problem aber auch in anderen Bereichen des Alltags: Wenn man sich zum Beispiel die Nährwertangabe auf einer Käsepackung ansieht oder versucht, exakt zwei Kilogramm Kartoffeln auf dem Wochenmarkt zu kaufen.“

Auf die Ergebnisse aus der Elbe angewendet, zeigt sich in der sogenannten Unsicherheitsbetrachtung: Die Messwerte sind teilweise mit extrem hohen Unsicherheiten (von etwa 25 Prozent bis zu 200 Prozent) behaftet. „Die Hauptquelle dafür ist bei uns und auch bei allen anderen Studien: Die Verteilung der Mikroplastikpartikel im Elbwasser ist nicht gleichmäßig - die Partikel verhalten sich fundamental anders als gelöste Substanzen. Deshalb müssen Forscher die Messunsicherheit, die sich natürlich über die Inhomogenität hinaus auch aus dem verwendeten Probenahme- und Analyseverfahren ergibt, adäquat berechnen und bei der Veröffentlichung der Endergebnisse berücksichtigen. Oftmals zeigt sich, dass sich die gefundenen Muster im Transport und in der Verteilung von Mikroplastik im Wasser innerhalb der Messunsicherheiten nicht signifikant voneinander unterscheiden“, sagt Dr. Daniel Pröfrock, Leiter der Abteilung Anorganische Umweltchemie am HZG.



Diese Newsmeldung wurde mit Material des Helmholtz-Zentrums Geesthacht für Material- und Küstenforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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