Natürliche Umweltbedingungen fördern die Aufnahme von Mikroplastik in lebende Zellen



Bio-News vom 10.12.2020

Weltweit ist die Umwelt durch Mikroplastik belastet. Die winzigen Teilchen gelangen in die Nahrungsketten und somit in die Verdauungssysteme von Tieren und Menschen, oder sie können über die Luft eingeatmet werden. Statt wieder ausgeschieden zu werden, können sie sich im Körpergewebe festsetzen. Ein Forschungsteam an der Universität Bayreuth hat jetzt entdeckt, dass Mikroplastik-Teilchen infolge natürlicher Umweltbedingungen leichter ihren Weg in lebende Zellen finden. Im Wasser lagern sich auf ihren Oberflächen Biomoleküle an, welche die Aufnahme der Partikel in die Zellen fördern. In der Zeitschrift „Science Advances“ stellen die Forscherinnen und Forscher ihre Ergebnisse vor.

Das interdisziplinäre Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Laforsch (Tierökologie) und Prof. Dr. Holger Kress (Biologische Physik) hat für die neue Studie Mikroplastik-Partikel mit einem Durchmesser von rund drei Mikrometern ausgewählt. Partikel dieser Größe finden sich häufig in der Umwelt. Um ihren Aufenthalt in der Umwelt zu simulieren, wurden einige Mikroplastik-Partikel in Süßwasser aus einem künstlichen Teich, andere Mikroplastik-Partikel in Salzwasser aus einem Meeresaquarium eingebracht. Auf den Oberflächen dieser Partikel lagerten sich innerhalb von zwei Wochen Biomoleküle ab.


Die Gefährlichkeit von Plastikmüll ist schon länger Gegenstand der Forschung.

Publikation:


A. F. R. M. Ramsperger, V. K. B. Narayana, W. Gross, J. Mohanraj, M. Thelakkat, A. Greiner, H. Schmalz, H. Kress, C. Laforsch
Environmental exposure enhances the internalization of microplastic particles into cells
Science Advances

DOI: 10.1126/sciadv.abd1211



„Spektroskopische Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich bei den Biomolekülen um Kohlenhydrate, Aminosäuren, Nukleinsäuren und Proteine handelt. Wir sprechen hierbei von einer ‚Eco-Corona‘, die sich auf den Mikroplastik-Teilchen in einer natürlichen Umwelt bildet“, erklärt Anja Ramsperger M.Sc., Erstautorin der neuen Studie und Doktorandin am Lehrstuhl Tierökologie I und in der Arbeitsgruppe Biologische Physik. Das Forschungsteam hat die mit Biomolekülen beschichteten Mikroplastik-Partikel nun darauf hin untersucht, wie sie mit lebenden Zellen wechselwirken. Hierfür wurden Zellen von Mäusen verwendet, die aus einer in der Forschung etablierten Zell-Linie stammen.

Um zu unterscheiden, ob die Partikel tatsächlich ins Innere der Zellen gelangen oder nur äußerlich an ihnen haften bleiben, wurde ein wichtiger Bestandteil des Zellinneren, die Aktinfilamente, angefärbt. Auf den so entstandenen mikroskopischen Aufnahmen waren die von den Zellen aufgenommenen Partikel als „dunkle Löcher“ zu erkennen. „Die Fluoreszenz-Markierung der Aktinfilamente hat es uns ermöglicht, genau zu erkennen, welche Partikel von den Zellen aufgenommen wurden. Aufgrund spektroskopischer Verfahren konnten wir sicher sein, dass es sich bei diesen Teilchen tatsächlich um Mikroplastik – genauer gesagt: um Polystyrol-Partikel – handelte und nicht etwa um zufällige Verunreinigungen“, sagt Prof. Dr. Holger Kress, Professor für Biologische Physik an der Universität Bayreuth. Als Kontrollgruppe in diesem Experiment dienten Mikroplastik-Partikel, die sich in sterilem Wasser befunden hatten und daher keine Beschichtung mit einer Eco-Corona aufwiesen. Es zeigte sich, dass diese unbehandelten Mikroplastik-Teilchen nur vereinzelt von den Zellen aufgenommen wurden.

„Unsere Studie spricht für die Annahme, dass auch Mikroplastik, dass aus der Umwelt stammt und daher mit Biomolekülen beschichtet ist, nicht nur den Verdauungstrakt passiert, wenn es mit der Nahrung aufgenommen wird, sondern auch in das Gewebe übergehen kann. Die Hülle aus Biomolekülen fungiert möglicherweise als eine Art Trojanisches Pferd, das Kunststoffe in lebende Zellen einschleust. Welche Schäden die Partikel hier im Einzelnen anrichten können, ist bisher nur unzureichend untersucht. Ebenso ist noch weitgehend ungeklärt, welche Eigenschaften von Mikroplastik tatsächlich für negative Effekte verantwortlich sind. Diese Fragen sind in Bayreuth im Sonderforschungsbereich ‚Mikroplastik‘ ein zentraler Forschungsbereich. Genaue Antworten darauf zu finden, ist vor allem wichtig, um in diesem ökologisch und ökonomisch hochrelevanten Thema für die Zukunft neue Materialien und Lösungswege entwickeln zu können“, sagt Prof. Dr. Christian Laforsch, Sprecher des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs „Mikroplastik“ an der Universität Bayreuth und Inhaber des Lehrstuhls Tierökologie I.

„Die interdisziplinäre Vernetzung im Sonderforschungsbereich ‚Mikroplastik‘ macht es uns möglich, die komplexen Fragestellungen, die diese Thematik birgt, mit der erforderlichen Vielfalt der Forschungsansätze und -perspektiven zu untersuchen. Die Notwendigkeit einer interdisziplinären Herangehensweise zeigt sich auch in der jetzt veröffentlichten Studie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen Fachbereichen der Universität Bayreuth haben daran mitgewirkt – von der Tierökologie über die Polymerchemie bis hin zur Biologischen Physik,“ sagt Laforsch.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bayreuth via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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