Spinnengift ist ein gefährlicher Cocktail



Bio-News vom 02.05.2019

Spinnengift besteht nicht nur aus Nervengift, sondern aus einer Vielzahl an gefährlichen Bestandteilen. In einer neuen Studie fassen Forschende der Universität Bern viele Jahre Spinnengift-Forschung zusammen und zeigen, wie diverse Substanzen im Spinnengift miteinander interagieren und so die Beute effektiv ausschalten.

In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich die Erforschung von Spinnengift fast ausschliesslich auf die darin enthaltenen Nervengifte (Neurotoxine). Dabei ging es darum, die lähmende und toxische Wirkung einzelner Giftkomponenten auf Gliederfüsser und Wirbeltiere zu verstehen. Weltweit waren Forschende erfolgreich bei der Identifizierung von Neurotoxinen und deren Auswirkungen. Diese Erkenntnisse sollten Anwendung in der Bekämpfung von Erkrankungen des Nervensystems finden, erfolgreich war man bisher vor allem in der Entwicklung von möglichen neuen Insektiziden. Lange ausser Acht gelassen wurde jedoch die grosse Komplexität von Spinnengiften, die weit über das reine Nervengift hinausgeht.

In der Fachzeitschrift Toxins veröffentlichten Forschende des Instituts für Ökologie und Evolution (IEE) der Universität Bern unter der Leitung von Lucia Kuhn-Nentwig und Wolfgang Nentwig kürzlich einen Artikel, der einen Überblick über viele Jahre Forschung zu den diversen Komponenten von Spinnengift gibt. Die Studie zeigt: Spinnengift löst in den Beutetieren der Spinnen vielfältige Wechselwirkungen aus.


Die Jagdspinne Cupiennius salei stammt aus Mittelamerika und hat eine Beinspannweite von rund zehn Zentimetern.

Publikation:


Kuhn-Nentwig, L., Langenegger, N., Heller, M., Koua, D., & Nentwig, W.
The Dual Prey-Inactivation Strategy of Spiders—In-Depth Venomic Analysis of Cupiennius salei.

Toxins, 2019, 11(3), 167

DOI: 10.3390/toxins11030167



Die Beute doppelt angreifen

Die IEE-Forschenden untersuchen das Spinnengift im Labor am Beispiel des Gifts der Jagdspinne Cupiennius salei. Diese Spinnen aus Mittelamerika haben eine Beinspannweite von rund zehn Zentimetern und jagen ohne Netz. Den komplexen Wirkmechanismus des Gifts formulieren die Forschenden mit dem Begriff dual prey-inactivation strategy. Diese „Duale Beute-Inaktivierungsstrategie“ beinhaltet einerseits einen spezifischen, neurotoxischen Teil – also die Nervengifte. Zudem gibt es aber auch einen unspezifischen, stoffwechselbedingten Teil. „Beide Teile der Strategie interagieren sehr eng miteinander. Nicht nur Muskeln und Nervensystem der Beutetiere werden angegriffen, auch die innere Homöostase, das physiologische Gleichgewicht in einem Organismus, wird durch die Blockade von Ionenkanälen und verschiedenen Stoffwechselwegen gestört“, erklärt Lucia Kuhn-Nentwig.

Optimal aufeinander abgestimmt

Zwischen den Giftbestandteilen gibt es zahlreiche synergistische Wechselwirkungen. Beispielweise greifen die toxischen Bestandteile die Muskeln und das Nervensystem an, was zu Krämpfen beziehungsweise Lähmungen führt. Aber auch das innere Gewebe der Beutetiere wird zerstört, was die Verbreitung des Gifts erleichtert und zudem langfristig Schmerzen und Entzündungen auslösen. Wiederum andere Bestandteile beeinflussen den Energiehaushalt und erhöhen den Blutzucker, was die Körperfunktionen des Beutetieres erheblich stört. Die wesentlichen Giftkomponenten sind in ihrer Wirkung exakt aufeinander und auch auf verschiedene Stoffwechselwege abgestimmt. „Diese duale Beute-Inaktivierungsstrategie ist sehr effektiv – sie reduziert das Risiko, dass die Spinne ein Beutetier verliert und auch, dass potenzielle Beutetiere langfristig eine Resistenz gegen Spinnengift entwickeln“, sagt Lucia Kuhn-Nentwig.

Ganze Armada von Substanzen

Um das Spinnengift besser verstehen zu können, untersuchten die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen die Gesamtheit aller in den Giftdrüsen hergestellten RNA-Moleküle (das sogenannte Transkriptom). Ein Schlüsselmoment für die Forschenden war die Identifizierung der sogenannten ?-Amylase als Hauptprotein im Spinnengift. „Darauf aufbauend konnten wir das Vorkommen vieler weiterer Peptide und Proteine im Spinnengift verstehen, die alle einen wichtigen Beitrag zum toxischen Effekt des Spinnengiftes beitragen“, erklärt Kuhn-Nentwig.

Dieses Prinzip der Wirkung von Spinnengift wurde zwar an einer Art (Cupiennius salei) entwickelt, ist aber auf die meisten anderen Spinnenarten übertragbar. Kuhn-Nentwig fasst zusammen: „Spinnengift ist mehr als ein Toxin, es ist eine ganze Armada von Substanzen, die auf maximal vielen verschiedenen Wegen einen Organismus angreifen, lähmen und töten.“


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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