Wie DNA für die Zellteilung verpackt wird



Bio-News vom 03.06.2022

Zwei Forschungsgruppen präsentieren das Innenleben der molekularen Maschinerie, die vor der Zellteilung die DNA zu Chromosomen formt.

Die Zellen des Menschen vollbringen eine technische Höchstleistung, wenn es darum geht, Informationen auf kleinstem Raum unterzubringen. Jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, bündelt sie die vier Meter lange DNA in 46 winzige Pakete, von denen jedes nur einige Millionstel Meter lang ist. Forschungsgruppen des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie EMBL Heidelberg und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) haben nun herausgefunden, wie es einer Familie von DNA-Motorproteinen gelingt, bei der Zellteilung lose angeordnete DNA-Stränge zu kompakten einzelnen Chromosomen zu verpacken.


Künstlerische Darstellung des Condensin-Komplexes (gelb), der DNA (blau) in Schleifen legt und daraus ein Chromosom formt.

Publikation:


Shaltiel I., et al.
A hold-and-feed mechanism drives directional DNA loop extrusion by condensin

Science, (2022)

DOI: 10.1126/science.abm4012



Condensin formt Schleifen aus DNA

Die Forschenden untersuchten den Proteinkomplex Condensin, der für die Chromosomenbildung entscheidend ist. Obwohl dieser Komplex bereits vor mehr als drei Jahrzehnten entdeckt wurde, blieb seine Wirkungsweise lange Zeit unerforscht. Erst im Jahr 2018 zeigten Christian Häring und sein Team am EMBL Heidelberg, dass Condensin-Moleküle DNA-Schleifen formen – das war eine mögliche Erklärung für die Bildung der Chromosomen. Der Mechanismus, mit dem der Proteinkomplex dieses Kunststück vollbringt, blieb jedoch weiterhin unbekannt.



Einzelne Moleküle bei der Arbeit beobachtet

Das Team hatte Erfolg mit sorgfältig konzipierten Experimenten. Dabei wurden auch einzelne Condensin-Moleküle beobachtet und manipuliert, während sie DNA-Schleifen formten. So kam heraus, wie verschiedene Teile des Komplexes gemeinsam als molekulare Maschine wirken: Ein Teil hält die DNA wie ein Anker fest, während der andere als Motor fungiert, der die DNA vorwärts bewegt und so eine lange Schleife erzeugt.

Wie andere Motorproteine bewegt sich Condensin in „Schritten“ entlang der DNA und verbrennt dabei zelluläre Energie in Form von ATP. Allerdings sind diese Schritte mehr als 500 Mal länger als die anderer DNA-Motorproteine, obwohl der Energieaufwand in etwa derselbe ist. „Das ist wie ein Formel-1-Rennwagen mit der Energieeffizienz eines E-Bikes“, sagt Indra Shaltiel. Der JMU-Forscher ist der Erstautor der Studie, die jetzt im Journal Science publiziert wurde.

Andere Prozesse im Erbgut laufen ähnlich ab

„Dank der Fortschritte in der Kryo-Elektronenmikroskopie konnten wir diesen komplexen Mechanismus in noch nie dagewesener Genauigkeit sichtbar machen“, sagt Seniorautor Sebastian Eustermann, Gruppenleiter am EMBL Heidelberg. „Wir konnten Condensin in Aktion sehen und die molekulare Choreografie erkennen, mit der ATP seine Motoraktivität antreibt – ein wichtiger Schritt zum Verständnis der DNA-Schleifenbildung. Ähnliche Schleifen und verwandte molekulare Maschinen wurden in verschiedenen genomischen Prozessen nachgewiesen, unter anderem bei der Steuerung des Ein- und Ausschaltens von Genen zwischen Zellteilungen. Daher könnten unsere Ergebnisse noch weitreichendere Auswirkungen haben.“
(Text: Shreya Gosh / EMBL Heidelberg)



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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