Babygebärden


Babygebärden (auch Babyzeichen, Babyhandzeichen genannt; wissenschaftl. Baby Signing) sind Gebärden, durch die die nonverbale Kommunikation von Säuglingen und Kleinkindern mit ihren Eltern und weiteren Bezugspersonen verbessert werden soll.[1]

Konzept

Da die verbale Kommunikation erst etwa im Alter von 12 Monaten beginnt und erst mit der Zeit zum Ausdruck komplexerer Inhalte geeignet ist, sollen Babygebärden zur früheren Kommunikation beziehungsweise zur Ergänzung der Mitteilungsmöglichkeiten eines Säuglings dienen.

Babygebärden sind Gebärden einer Gebärdensprache. Teilweise werden Gebärden vereinfacht oder verkürzt oder einer anderen Gebärdensprache entnommen, um eine bessere Unterscheidung von ähnlichen Babygebärden zu erreichen oder die Gebärden der Fingerfertigkeit von Babys anzupassen. Babygebärden sollen schon mit ungefähr sieben Monaten eingeführt werden können.

Babygebärden werden vermittelt, indem sie in emotional bedeutsamen Situationen parallel zum gesprochenen Wort gezeigt werden. Nach einer gewissen Zeit benutzt das Baby bzw. Kleinkind die Babygebärden. Eine bekannte Babygebärde ist das Winken, das Kleinkindern für das Verabschieden beigebracht wird.

Postulierte Effekte

Babys und Kleinkinder haben das Verlangen, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Die Hand-Augen-Koordination entwickelt sich wesentlich früher als die Mundmotorik, also die Fähigkeit, sich verbal zu äußern. Babys und Kleinkinder können deshalb aufgrund der früher entwickelten Feinmotorik der Hände Babygebärden benutzen und diese für Wörter wie „mehr“, „Ball“, „Milch“, „Apfel“ einsetzen. So erhalten sie die Möglichkeit mit Babygebärden non-verbal zu kommunizieren.

Babygebärden sollen deshalb dem Baby bzw. dem noch nicht oder schlecht sprechenden Kleinkind helfen zu äußern, was es möchte, sieht, denkt oder fühlt. Dies soll es Eltern und Bezugspersonen erleichtern, das Kind zu verstehen und trägt so zur Förderung der Eltern-Kind-Beziehung bei. Babygebärden sollen aber auch dem Kind ein Sicherheitsgefühl geben, da es besser verstanden wird. Babygebärden sollen deshalb die Trotzphase lindern. Befürworter von Babygebärden beobachten als Nebeneffekt teilweise eine etwas frühere Begriffsbildung und Sprachentwicklung sowie einen leichteren Start in die Lese- und Schreibfähigkeitsentwicklung.

Wissenschaft

In einem im Jahr 2008 erschienenen Artikel in der British Psychological Society hat Gewyneth Doherty-Sneddon im Detail die theoretischen Grundlagen für das Wachstum dieses Phänomens und einige der Ansprüche der Befürworter betrachtet [2]. Mechthild Kiegelmann hat in ihrem im Jahr 2009 in „Das Zeichen – Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser“ erschienenen Beitrag eine Einschätzung aus entwicklungspsychologischer Perspektive abgegeben [3].

Doherty-Sneddon und Kiegelmann weisen darauf hin, dass die Förderung von Kindern mit Gebärden nicht ganz neu ist. Varianten wurden von Therapeuten für Sprech-und Sprachstörungen seit Jahrzehnten mit Kindern, die Sprach- und/oder kognitive Beeinträchtigungen haben, benutzt (z. B. Clibbens et al., 2002[4]). Es ist allgemein anerkannt, dass Kommunikation – sei es kognitive, soziale, emotionale oder handelnde – im Mittelpunkt der Entwicklung des Kindes steht (z. B. Vygotsky, 1978[5]).

Eine systematische Übersichtsarbeit der Universität Ottawa analysierte 17 Studien, die von 1980 bis 2003 zum Baby Signing durchgeführt wurden. Dabei fanden sich massive methodische Mängel, so dass keine Studie eine wissenschaftlich fundierte Aussage bzw. einen Nutzenbeleg erlaubt und die Ergebnisse bereits durch den Studienaufbau vorherbestimmt waren.[6][7]

Literatur

  • Birgit Butz, Anna-Kristina Mohos,Unmada Manfred Kindel: Singen, spielen, erzählen mit Kindergebärden. Ökotopia-Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3- 867-02180-7.
  • Janina Spieß:Die Beziehung zu Kindern in der Krippe gestalten. Gebärden und Gesten als pädagogisches Hilfsmittel. Diplomica Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8428-7967-6.
  • Wiebke Gericke: babySignal – Mit den Händen sprechen. Spielerisch kommunizieren mit den Kleinsten. Kösel-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-466-34532-8.
  • Eva Möller: Bilderbuch der BabyHandzeichen. Gemeinsam die Babyzeichensprache entdecken und erlernen. Selbst-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-024619-7.
  • Vivian König: Das große Buch der Babyzeichen. Mit Babys kommunizieren, bevor sie sprechen können. Kestner-Verlag, Guxhagen 2007, ISBN 978-3-9810709-7-2.
  • Susanne Weidenhausen, Simone Astolfi, Karin Schutt: Babys Zeichensprache. Gräfe und Unzer Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8338-1039-8, (GU plusGU-Ratgeber Kinder).
  • Kelly Malottke, Andy Malottke: Zauberhafte Babyhände- 101 Babygebärden als vorsprachliche Kommunikationshilfe im Alltag für Babys und Kleinkinder. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8423-5694-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Babyzeichensprache – Kommunikation ohne Worte? Abteilung Gebärdensprach- und Audiopädagogik des Instituts für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, 2005 (PDF-Dokument; 200 kB)
  2. Gwyneth Doherty-Sneddon: The great baby signing debate. Psychologist 21 (2008), 300-3 (online) (PDF-Dokument; 89 kB)
  3. Mechthild Kiegelmann: Baby Signing – Eine Einschätzung aus entwicklungspsychologischer Perspektive. 82 (2009), 262-272, online (PDF-Dokument, 650 kB)
  4. Clibbens, J., Powell, G.G. & Atkinson, E. (2002). Strategies for achieving joint attention when signing to children with Down’s syndrome. International Journal of Language and Communication Disorders, 37(3), 309–323
  5. Vygotsky, L.S. (1978). Mind in society. Cambridge, MA: Harvard University Press
  6. Johnston JC, Durieux-Smith A: Teaching gestural signs to infants to advance child development: A review of the evidence. First Language, Vol. 25, No. 2, 235-251 (2005) online
  7. Tania Greiner: Babyzeichensprache – Ich zeige, also spreche ich! Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Februar 2008, online