Bacillus Calmette-Guérin


Das Bacille Calmette-Guérin (BCG) ist ein von den Franzosen Albert Calmette (1863–1933) und Camille Guérin (1872–1961) Anfang des 20. Jahrhunderts aus Rindertuberkelbazillen von normaler Virulenz durch dauernd wiederholte Fortzüchtung entwickelter abgeschwächter (attenuierter) Lebendimpfstoff gegen Tuberkulose (TB). Es gelang den Forschern, avirulente Keime zu gewinnen, die als Grundlage für die so genannte BCG-Impfung dienten, mit der schon im Säuglingsalter ein Schutz gegen Tuberkulose erreicht werden kann.

Geschichte

Der französische Mikrobiologe Albert Calmette und der Veterinärmediziner Camille Guérin arbeiteten 1908 am Pasteurinstitut in Lille. Ihre Arbeit umfasste die Erzeugung von Tuberkulosekulturen und den Test verschiedener Nährmedien. Dabei fanden sie heraus, dass ein Nährmedium auf der Basis von Glycerin, Galle und Kartoffeln Tuberkelbakterien mit anscheinend geringerer Virulenz erzeugte. Daher untersuchten sie die Frage, ob sich durch wiederholte Züchtung ein attenuierter Impfstoff entwickeln ließe.

Die Forschung dauerte bis 1919, wobei die Impfung mit den nicht mehr virulenten Bakterien die Tuberkulose in Versuchstieren nicht stoppen konnte. 1919 wechselten Calmette und Guérin zum Pasteurinstitut in Paris über, wo sie 1921 den BCG-Impfstoff für menschliche Nutzung entwickelten.

1928 wurde dieser Impfstoff durch das Gesundheitsgremium des Völkerbundes akzeptiert. Aufgrund von Impfgegnern wurde er erst nach dem Zweiten Weltkrieg umfassend verwendet. Zwischen 1945 und 1948 impften Hilfsorganisationen etwa 8 Millionen Babys in Osteuropa und verhinderten damit den nach einem größeren Krieg vorausgesagten Anstieg der Tuberkulose-Erkrankungszahlen. In Deutschland wurde die Impfung als Folge des Lübecker Impfunglücks, bei dem von 256 geimpften Säuglingen 77 starben, erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt.

Der Impfstoff erwies sich als der sicherste und weitgenutzte Impfstoff. Der Wirkungsgrad liegt zwischen 50 und 80 Prozent, abhängig vom natürlichen Auftreten anderer Mykobakterien als Mycobacterium tuberculosis in der Umgebung des Geimpften.

Die BCG-Impfung ist seit 1998 nicht mehr im Impfkalender der Ständigen Impfkommission enthalten, weil sie nicht sicher vor Tuberkulose, sondern nur vor den schlimmsten Komplikationen Miliartuberkulose und tuberkulöse Meningitis schützen kann. In Großbritannien wurden systematische Impfungen bei Kindern zwischen 14 und 15 Jahren im Jahr 2006 eingestellt.

Anwendungen

Der Hauptnutzen von BCG ist die Impfung gegen Tuberkulose. Andererseits ist sie mit einem hohen Anteil von Nebenwirkungen belastet, da es sich um eine Lebendimpfung handelt. Die Impfung muss streng intradermal von einer in dieser Technik geschulten Fachkraft verabreicht werden.

Eine vorherige Nutzung kann einen falsch positiven Ausschlag des Tuberkulin-Test zur Prüfung auf Tuberkulose bewirken.

Eine neuere Anwendung für BCG ist die Behandlung von oberflächlichem Blasenkrebs. In den späten 1980er Jahren zeigte sich, dass eine Verabreichung von BCG in die Harnblase eine effektive Form der Krebsimmuntherapie dieser Krankheit darstellt.[1] Obwohl die exakten Mechanismen noch immer unerforscht sind, bewirkt BCG hier offenbar eine lokale Immunreaktion gegen den Tumor.

BCG findet auch Anwendung in der pharmazeutischen und immunologischen Forschung. Dieser nicht virulente Stamm des Rinder-Tuberkulose Erregers Mycobacterium bovis dient als Modellorganismus zur Entwicklung neuer Wirkstoffe sowie zur Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Mycobakterien. BCG als Organismus zeichnet sich durch die einfache Handhabung in Labors der Sicherheitsstufe 2 (S 2 oder BSL 2) aus, während die virulenten Formen von Mycobacterium tuberculosis, dem Erreger der humanen Tuberkulose, nur unter höheren Sicherheitsmaßnahmen in Labors der Stufe S 3 manipuliert werden dürfen. Da weltweit eine verhältnismäßig geringe Anzahl von S-3-Labors existiert und das Betreiben einer derartigen Einrichtung einen enormen Geld- und Bürokratieaufwand verursacht, gewann BCG in den letzten Jahren wieder vermehrt an Bedeutung.

Siehe auch

Literatur

  • P. Andersen, T. M. Doherty: The success and failure of BCG - implications for a novel tuberculosis vaccine. In: Nat. Rev. Microbiol. Band 3, Nummer 8, August 2005, S. 656–662, ISSN 1740-1526. doi:10.1038/nrmicro1211. PMID 16012514. (Review).

Einzelnachweise

  1. De Jager R, Guinan P, Lamm D, u. a.: Long-term complete remission in bladder carcinoma in situ with intravesical TICE bacillus Calmette Guerin. Overview analysis of six phase II clinical trials. Urology. 1991 Dec;38(6):507-13. PMID 1836081.