Bewegungsparallaxe


Unter Bewegungsparallaxe versteht man in der Wahrnehmungspsychologie den Effekt, der sich optisch ergibt, wenn verschiedene Objekte unterschiedlich voneinander entfernt in einer Landschaft verteilt sind und sich der Beobachter parallel zu diesen Objekten seitlich fortbewegt und dabei in Richtung Horizont blickt.

Prinzip

Das Lichtmuster naher Objekte bewegt sich hierbei schneller über die Netzhaut als das weiter entfernt liegender Objekte. Dieser Effekt tritt beispielsweise auf, wenn man aus dem Seitenfenster eines fahrenden Autos oder Zuges schaut.

Das Resultat ist, dass diejenigen Objekte, die nahe beim Betrachter sind, sich schneller bewegen als die weit vom Betrachter entfernten. Die Bewegung der Objekte geht approximativ gegen Null, je näher sie dem Horizont sind, der sich nur minimal bewegt (in Abhängigkeit von der Gesamtgeschwindigkeit).

Es handelt sich jedoch um einen weit verbreiteten Irrtum, dass unser Gehirn aus den unterschiedlichen Bewegungsgeschwindigkeiten der Objekte über die Netzhaut des Auges Informationen darüber gewinnen kann, welche Objekte weiter entfernt sind als andere. Daraus können angeblich Informationen gewonnen werden, die der Tiefenwahrnehmung dienen. In einem Experiment konnten jedoch Deborah Wheeler und Irvin Rock nachweisen, dass Bewegungsparallaxen vom Gehirn in Wirklichkeit nicht zur Tiefenwahrnehmung herangezogen werden, obwohl es in der Theorie möglich wäre.

Beispiel

Parallax-Scrolling (Animation)

Im Bild rechts hilft uns vor allem die Wahrnehmung von Raumtiefe durch Verdeckung eine räumliche Anordnung zu erkennen. Die Grashalme und Palmen verdecken und wieder einen Teil der Berge, welche wiederum den Mond teilweise verdecken. Wir können jedoch keine Aussage darüber treffen, wie weit denn genau die Objekte voneinander entfernt sind, obwohl uns die unterschiedlichen Geschwindigkeiten einen Hinweis darauf geben. Man kann aber mit Gewissheit sagen, dass der Mond mindestens die räumliche Ausdehnung der Berge weit von den Palmen entfernt ist. Stünde der Mond so weit oben am Sternenhimmel, dass er weder von den Bergen, noch von den Palmen verdeckt wird, bekämen wir das Gefühl, dass dieser irgendwo über den Bergen schweben könne und sich mit uns in gleicher Geschwindigkeit bewegt. In diesem Fall würde uns schlicht unsere Erfahrungen helfen einzuschätzen, dass der Mond normalerweise viel weiter entfernt von uns ist, als die Bergkette und deshalb viel weiter weg sein müsse.

Weitere Tiefenwahrnehmungsmerkmale

Weitere Tiefenwahrnehmungsmerkmale der Umwelt bestehen in Texturen von Objekten, die umso kleiner erscheinen, je weiter weg ein Objekt vom Betrachter entfernt ist (Beispiel: Pflasterung von Steinen in einer Fußgängerzone - das Pflastersteinmuster wird umso kleiner erscheinen, je weiter weg der betreffende Straßenabschnitt vom Betrachter liegt). Auch "Fluchtpunkte" wie sie in Bildern bewusst benutzt werden, um Plastizität darstellen zu können, dienen dem Gehirn als Hinweise auf räumliche Tiefe. Die moderne Psychologie geht dabei davon aus, dass komplexe Objekte und Umweltreize zunächst vom Sinnesapparat in einzelne Komponenten der Wahrnehmung zerlegt und anschließend wieder zu komplexen Sinneswahrnehmungen zusammengefügt werden.

Geschichte

Als zu Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung in westlichen Ländern die Eisenbahn soweit entwickelt war, dass sie einer breiten Bevölkerung zur Verfügung stand, konnten sich die Passagiere den Parallaxe-Effekt stundenlang zu Gemüte führen, indem sie ihren Blick nach draußen richteten. Man sprach an dieser Stelle vom Panoramablick.

Bewegungsparallaxe in Videospielen

Die Layermethode am Beispiel von The Whispered World

Eine besondere Bedeutung der Bewegungsparallaxe kommt den sog. Side-Scroller-Spielen und insbesondere den Shoot ’em up zu. In diesen Spielen steuert der Spieler eine Figur oder ein Raumschiff über einen bewegten Hintergrund. Der Parallaxeneffekt, bei dem sich Objekte im Vordergrund schneller bewegen als Objekte im Hintergrund, wird benutzt um dem Spieler eine „tiefere“ Welt zu suggerieren, aber auch um Orientierungspunkte zu bieten.

Aus technischer Sicht stehen dafür die folgenden 4 Methoden zur Auswahl:

  • Layermethode
  • Spritemethode
  • Sich wiederholende Muster/Animationen
  • Rastermethode

Beispiel

Die drei Ebenen in der folgenden Animation bewegen sich unterschiedlich schnell nach links. Dabei nimmt ihre Geschwindigkeit von vorne nach hinten ab, um so den Eindruck einer räumlichen Distanz zu erwecken. Die Bodenebene bewegt sich 8x schneller als die Vegetationsebene, die Vegetationsebene bewegt sich doppelt so schnell, wie die Wolkenebene.

Siehe auch

  • Parallaxe
  • Moon Patrol

Literatur

  • E. Bruce Goldstein: Wahrnehmungspsychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002 (2. dt. Aufl.) ISBN 3-8274-1083-5
  • Irvin Rock: Wahrnehmung. Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen. S. 56f. Übers. von Jürgen Martin und Ingrid Horn. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg 1998. [Orig.: Perception. 1984].