Eunotosaurus



Eunotosaurus

Rekonstruktion von Eunotosaurus africanus

Zeitliches Auftreten
Mittleres Perm
260 bis 255 Mio. Jahre
Fundorte
  • Afrika (Karoo-Hauptbecken, Südafrika)
Systematik
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Nabeltiere (Amnioten)
Sauropsida
Parareptilia
Millerettidae
Eunotosaurus
Wissenschaftlicher Name
Eunotosaurus
Seeley, 1892
Art
  • E. africanus Seeley, 1892

Eunotosaurus war eine Gattung der Parareptilien aus dem mittleren Perm der Karoo-Supergruppe Südafrikas. Ursprünglich wurde die Gattung als Missing Link zwischen den Schildkröten und ihren prähistorischen Vorfahren angesehen.[1] Viele Fossilien wiesen einen halbstarren, schildkrötenähnlichen Brustkorb auf, der vermutlich eine Fortbewegung nach Art der Landschildkröten notwendig machte.[2] Die Rippen waren breit und flach und berührten sich, so dass sie breite Platten vergleichbar dem Rückenschild einer Schildkröte bildeten. Fernerhin waren die Anzahl, Größe und Aufbau der Wirbel fast identisch mit denjenigen einer Schildkrötenarten. Trotz dieser vielen Ähnlichkeiten zu den Schildkröten besaß Eunotosaurus einen Schädel, der viele Charakteristika mit den Schädeln primitiverer Anapsiden teilte. Wegen dieser Eigenschaften wird Eunotosaurus mittlerweile zu den Parareptilien gestellt und nicht mehr als direkter Vorfahr der Schildkröten angesehen. Gemäß dieser Ansicht stellen die verbreiterten Rippen und die ähnliche Wirbelsäule einen Fall von konvergenter Evolution dar.[3]

Entdeckung

Eunotosaurus wurde zuerst 1892 beschrieben, jedoch erst 1914 als Vorfahr der Chelonia, d.h. der Ordnung der Schildkröten, vorgeschlagen. Der englische Zoologe D. M. S. Watson behauptete, dass Eunotosaurus eine Mosaikform zwischen den Captorhinidae sei, die damals noch als Cotylosaurier bezeichnet wurden.[4] Er verglich Eunotosaurus mit "Archichelone", einem hypothetischen Vorfahren der Chelonia, wobei er anmerkte, dass seine Rippen intermediär sowohl zu denen der Schildkröten als auch zu denen anderer Tetrapoden waren. Watsons "Archichelone" besaß einen Beckengürtel, der auf der Wirbelsäule zurückgedrängt und unter dem Panzer platziert war. Allerdings zeigen die Fossilien von Eunotosaurus, dass sich sein Becken in einer für Tetrapoden normalen Stellung über den Rippen und nicht zwischen diesen, wie bei den modernen Schildkröten, befand.[1]

Bis in die späten vierziger Jahre nahm man an, Eunotosaurus sei der Vorfahr der Schildkröten. Der amerikanische Paläontologe Alfred Sherwood Romer behauptete 1956 in seinem Buch "Osteology of the Reptiles" aufgrund der vorhandenen Indizien, Eunotosaurus könne nicht zu den Chelonia gestellt werden. Stattdessen ordnete er Eunotosaurus den Anapsiden zu, innerhalb derer er jedoch eine unsichere Stellung einnahm.[1][5]

Mehr als ein Jahrhundert nach der Erstbeschreibung war Eunotosaurus mit nicht einmal einem Dutzend Exemplaren und mit nur wenig überliefertem Material vom Schädel bekannt. Trotz der lückenhaften Überlieferung war es ausführlich beschrieben. Zwei zusätzliche Exemplare wurden 1999 in der Karoo-Supergruppe ausgegraben und beschrieben. Diese Fossilien sind nun im Bernard Price Institute for Palaeontological Research in Johannesburg und im Nationalmuseum von Bloemfontein ausgestellt. Obgleich relativ selten, ist Eunotosaurus in der Karoo-Supergruppe häufig genug, um als biostratigrafisches Marker herangezogen zu werden. Fossilien finden sich innerhalb der Beaufort-Gruppe in der oberen Tapinocephalus-Assemblage-Zone sowie der darüberliegenden Pristerognathus-Assemblage-Zone.[6]

Systematik

Eunotosaurus wurde 1954 seiner eigenen Familie, den Eunotosauridae, zugewiesen.[7] Diese Einteilung ist heute jedoch nicht mehr gebräuchlich. 1969 stellte man ihn in eine Unterordnung der Anapsiden, den Captorhinomorpha,[8] die heute innerhalb der Klade der Eureptilia angesiedelt wird.[9] Im Jahr 2000 wurde Eunotosaurus in die Klade der Parareptilien eingeordnet, wo er eine unabhängige Stellung von den Schildkröten und den Cotylosauriern einnimmt.[10] Eine phylogenetische Analyse der Parareptilien aus dem Jahr 2008 befand, dass Eunotosaurus ein Schwestertaxon der Milleretta sei und daher in die Familie der Millerettidae zu stellen sei.[11]

Eunotosaurus wurde in eine phylogenetische Analyse aus dem Jahr 2010 einbezogen, die der Frage nach dem Ursprung der Schildkröten nachging.[12] In neuerer Zeit werden Schildkröten auf der Grundlage genetischer und phylogenetischer Erkenntnisse als Diapsiden betrachtet und daher als näher verwandt mit den Eidechsen, Schlangen, Krokodilen und Vögeln als mit den Parareptilien oder allen anderen Anapsiden. Allerdings platziert der resultierende phylogenetische Baum die Schildkröten unter der Einbeziehung von Eunotosaurus und dem spättriassischen Proganochelys, einem Stammgruppenvertreter der Schildkröten, in einer Position, die der ursprünglichen Einordnung der Schildkröten als Anapsiden ähnelt. Die Studie behauptet, dass Eunotosaurus abgeleitete Merkmale der Rippen und der Rückenwirbel mit den frühesten Schildkröten teilte, was ihn zu einer Mosaikform mache. In der Studie wird eine Reihe von Merkmalen identifiziert, die es möglich machen, Eunotosaurus in einer echten Klade mit den Schildkröten zu vereinen. Diese gemeinsamen Merkmale beinhalteten breite T-förmige Rippen, zehn verlängerte Rumpfwirbel, kraniale Tuberkele (kleine Höcker auf der Oberfläche des Schädels) und einen breiten Rumpf. Die Klade aus Eunotosaurus und den Schildkröten wurde als "Pan-Testudines" bezeichnet. Fortschrittlichere Vertreter der Testudines, wie z.B. die frühe Schildkröte Odontochelys, haben bereits einen Bauchpanzer.[12]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 A.C. Burke: The development and evolution of the turtle body plan: Inferring intrinsic aspects of the evolutionary process from experimental embryology. In: American Zoologist. 31. Jahrgang, Nr. 4, 1991, S. 616–627.
  2. Sumida, Stuart S and Sean Modesto: A Phylogenetic Perspective on Locomotory Strategies in Early Amniotes. In: Integrative and Comparative Biology. Oxford Journals. Abgerufen am 4. Dezember 2008.
  3. Facts About Turtles: Eunotosaurus And Turtle Evolution. In: All-About-Reptiles.com. Abgerufen am 1. August 2010.
  4. D.M.S. Watson: Eunotosaurus africanus Seeley and the ancestors of the Chelonia. In: Proceedings of the Zoological Society of London. 11. Jahrgang, 1914, S. 1011–1020.
  5. A.S. Romer: Osteology of the Reptiles. University of Chicago Press, Chicago 1956, ISBN 0-89464-985-X, S. 772.
  6. B.S. Rubidge, Modesto, S.; Sidor, C.; and Welman, J.: Eunotosaurus africanus from the Ecca–Beaufort contact in Northern Cape Province, South Africa — implications for Karoo Basin development. In: South African Journal of Science. 95. Jahrgang, 1999, S. 553–555.
  7. S.H. Haughton, and Brink, A.S.: A bibliographical list of Reptilia from the Karoo Beds of South Africa. In: Palaeontologia Africana. 2. Jahrgang, 1954, S. 1–187.
  8. C.B. Cox: The problematic Permian reptile Eunotosaurus. In: Bulletin of the British Museum (Natural History), Geology Series. 18. Jahrgang, Nr. 5, 1969, S. 167–196.
  9. M. Laurin, and Reisz, R.R.: A reevaluation of early amniote phylogeny. In: Zoological Journal of the Linnean Society. 113. Jahrgang, 1995, S. 165–223, doi:10.1111/j.1096-3642.1995.tb00932.x.
  10. S.P. Modesto: Eunotosaurus africanus and the Gondwanan ancestry of anapsid reptiles. In: Palaeontologia Africana. 36. Jahrgang, 2000, S. 15–20.
  11. J.C. Cisneros, Rubidge, B.S.; Mason, R.; and Dube, C.: Analysis of millerettid parareptile relationships in the light of new material of Broomia perplexa Watson, 1914, from the Permian of South Africa. In: Journal of Systematic Palaeontology. 2008. Jahrgang, Nr. 6, 2008, S. 453–462, doi:10.1017/S147720190800254X.
  12. 12,0 12,1 T.R. Lyson, Bever, G.S.; Bhullar, B.-A.S.; Joyce, W.G.; and Gauthier, J.A.: Transitional fossils and the origin of turtles. In: Proceedings of the Royal Society B. 2010, S. 830, doi:10.1098/rsbl.2010.0371.

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