Gerald Hüther


Gerald Hüther (2005)

Gerald Hüther (* 15. Februar 1951 in Emleben, Thüringen) ist ein deutscher Neurobiologe und Autor wissenschaftlicher, wie auch populärwissenschaftlicher Bücher und anderer Schriften.

Leben

Hüther studierte und promovierte im Fach Biologie in Leipzig.[1] Ende der 1970er Jahre floh er nach eigenen Angaben aus der DDR: mithilfe selbst gefälschter Visastempel im Reisepass reiste er über mehrere osteuropäische Staaten nach Jugoslawien und von dort in die Bundesrepublik Deutschland. Von 1979 bis 1989 forschte er in Göttingen am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin auf dem Gebiet der Hirnentwicklungsstörungen.[2] 1988 habilitierte er sich im Fachbereich Medizin an der Universität Göttingen und erhielt die Lehrerlaubnis für Neurobiologie.

Von 1990 bis 1995 war er Stipendiat im Heisenberg-Programm der DFG und arbeitete in diesem Rahmen in der Abteilung für neurobiologische Grundlagenforschung[3] an der Psychiatrischen Klinik[4] der Universitätsmedizin Göttingen.[5] Seitdem ist Hüther als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dieser Klinik tätig[6] und leitet eine an diesem Hause etablierte Zentralstelle für neurobiologische Präventionsforschung.[7]

Hüther ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater eines Sohnes und zweier Töchter.

Tätigkeitsfelder

Wissenschaftliche Tätigkeit

Hüther arbeitete und publizierte bis 2005[8] aktiv auf dem Gebiet der experimentellen Hirnforschung. Schwerpunkte seiner bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit[9] waren dabei:

  • Hirnentwicklungsstörungen
  • Beeinflussung von Hirnfunktionen durch nutritive Faktoren
  • Rolle von Serotonin als morphogenetischer Faktor und als Immunmodulator
  • Physiologische Regulation und Bedeutung von Melatonin
  • Langfristige Modulation monoaminerger Systeme
  • Wirkmechanismen von Psychopharmaka
  • Auswirkungen psychischer Belastungen
  • Entwicklungspsychopharmakologie

Medienaktivitäten

Hüther ist in der Öffentlichkeit überdies durch zahlreiche Vorträge[10]und Interviews[11] zur Hirnforschung und deren Anwendung auf das alltägliche Leben bekannt.[12]

Networking

Hüther leitet in Zusammenarbeit mit dem Pädagogen Karl Gebauer seit 2002 das Informationsnetzwerk WIN-Future.[13] Er initiierte den seit November 2000 jährlich stattfindenden Göttinger Kongress für Erziehung und Bildung[14][15] und ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Sinn-Stiftung, welche sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat, alternative Konzepte zur Behandlung von ADHS zu entwickeln.[16]

Er ist auch Gründungsmitglied folgender Netzwerke:

  • Archiv der Zukunft - Netzwerk für Schulentwicklung[17]
  • Wissenschaftliches interdisziplinäres Netzwerk für Erziehung und Bildungsfragen
  • Netzwerk für humanitäre Fragen in der Wirtschaft Forum Humanum[18]

Beratertätigkeiten

Hüther arbeitet auch als wissenschaftlicher Berater für mehrere Unternehmen, darunter

im November 2011

Wissenschaftliche Kontroverse

In einer Studie untersuchte Hüther als Mitarbeiter einer psychiatrischen Studiengruppe der Universität Göttingen an fünf Ratten die Auswirkungen von SSRIs und Methylphenidat (Ritalin) auf die Hirnentwicklung.[27] Er äußerte die Befürchtung, die Verwendung von Methylphenidat bei Kindern mit ADHS könnte als Spätfolge „Bewegungsstörungen ähnlich denen bei Parkinson-Kranken“ auslösen.[28] Diese Hypothese wurde von an der Studie direkt beteiligten Forscherkollegen, so etwa Aribert Rothenberger, zurückgewiesen[29] und 2002 auf einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie skeptisch aufgenommen.[30] 2006 sah die Bundesärztekammer in ihren Leitlinienempfehlungen zu ADHS auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin keinen Anhalt für Hüthers Befürchtungen.[31] Eine neuere Arbeit von Veit Roessner unter Beteiligung internationaler ADHS-Experten, so etwa Terje Sagvolden, Stephen Faraone, Aribert Rothenberger, konnte mit identischer Methodik an Ratten, die als Modelltiere für ADHS und für ADS gelten, sogar eher positive Langzeitveränderung durch die Verwendung von Methylphenidat nachweisen.[32]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • mit Helmut Bonney: Neues vom Zappelphilipp. ADS/ADHS verstehen, vorbeugen und behandeln. 2002; 11. Auflage. Neuausg. Walter, Mannheim 2010, ISBN 978-3-530-50635-8.
  • mit Yvonne Brandl, Marianne Leuzinger-Bohleber (Hrsg.): ADHS – Frühprävention statt Medikalisierung. Theorie, Forschung, Kontroversen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006. (Schriften des Sigmund-Freud-Instituts : Reihe 2, Psychoanalyse im interdisziplinären Dialog ; Bd. 4) ISBN 3-525-45178-4.
  • Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-01464-3.
  • Die Evolution der Liebe. Was Darwin bereits ahnte und die Darwinisten nicht wahrhaben wollen. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-01452-3.
  • Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-40420-1.
  • mit Inge Krens: Das Geheimnis der ersten neun Monate. Unsere frühesten Prägungen. Neuaufl. Beltz, Weinheim 2010, ISBN 978-3-407-22907-6.
  • Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern. 6., unveränd. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-46213-3.
  • Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden. 10. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-01439-4.
  • Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher. 2011, ISBN 978-3-10-032405-4.
  • Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen. 2012, ISBN 978-3813504484

Literatur

  • Gerald Hüther. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 2003. 19. Ausgabe. Band I: A – J. Bio-bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart. K. G. Saur, München 2003, ISBN 3-598-23607-7, S. 1422.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://ubdbs.ub.uni-leipzig.de/libero/WebOpac.cls?VERSION=2&ACTION=DISPLAY&RSN=2391606&DATA=UBL&TOKEN=vAZ0STRwJe1823&Z=1&SET=11
  2. http://vzopc4.gbv.de:8080/DB=10/CLK?IKT=1004&TRM=huether,gerald
  3. http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/a/jfb/med.htm
  4. http://www.psychiatrie-uni-goettingen.de/forschung.php
  5. http://www.psychiatrie-uni-goettingen.de/huether-cv.php
  6. http://www.psychiatrie-uni-goettingen.de/team.php
  7. www.gerald-huether.de
  8. http://www.psychiatrie-uni-goettingen.de
  9. http://www.gerald-huether.de/wissenschaftlich/lebenslauf-von-prof-dr-gerald-huether/tabellarischer-lebenslauf-von-prof-dr-gerald-huether/index.php
  10. http://www.hauptstadtkongress.de/index.php?id=1303
  11. http://www.win-future.de/downloads/psychologie-heute_interview-huether_gerald_pro.pdf
  12. Gerald Hüther: Die Super Nanny hat fragwürdige Methoden, Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 26. April 2010
  13. www.win-future.de
  14. http://www.uni-forst.gwdg.de/~wkurth/psh/pj_teuf.pdf
  15. http://www.uni-goettingen.de/de/3218.html?cid=16211
  16. http://www.sinn-stiftung.eu/wissen/themen--beitraege/adhs/index.html
  17. http://www.adz-netzwerk.de/Strukturen-Personen.php Ehemaliges Mitglied
  18. http://www.forum-humanum.eu/fh/content/view/28/43/
  19. http://www.com-unic.de/Unternehmen/beirat.htm
  20. http://www.campus-heidelberg.de/beirat.htm
  21. http://www.grow-akademie.com/files/uploads/op/supportive_leadership/offenes_seminar_gh_10_november.pdf
  22. http://www.mind-body-medizin.org/index.php?article_id=33&clang=0
  23. http://www.fuerstenberg-institut.de/ueber-uns/wissenschaftlicher-beirat/
  24. http://www.kddohne.de/flash/index.html
  25. http://www.kddohne.de/downloadfree/index.html
  26. http://wrg-goettingen.de/initiativen-region-goettingen/innovationspreis/innovationspreis-2010/ansicht/index.htm?user_wrginnoplist_pi1%5BID%5D=76
  27. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11322741
  28. Hat Ritalin Spätfolgen?, Berliner Zeitung, 23. April 2002
  29. PDF bei wwwuser.gwdg.de
  30. http://www.kinderaerzte-im-netz.de/bvkj/aktuelles1/show.php3?id=202&nodeid=26
  31. [1]
  32. [2]