Goldscheibe von Moordorf


Die Sonnenscheibe von Moordorf

Die Goldscheibe von Moordorf, auch Sonnenscheibe von Moordorf, stammt aus der Periode II der Nordischen Bronzezeit (1500–1300 v. Chr.). Sie wurde 1910 im gleichnamigen Ort in Ostfriesland entdeckt. Seit 1926 gehört die Scheibe zum Bestand des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover. Im 1. Halbjahr 2013 wird sie bei der deutsch-niederländischen Archäologieausstellung ”Land der Entdeckungen – Archäologie des friesischen Küstenraums” erstmals in Ostfriesland ausgestellt werden. [1]

Fundgeschichte

Der Moordorfer Vitus Dirks fand die Goldscheibe im März 1910[2] beim Torfgraben. Er verkannte ihren Wert und gab sie seinen Kindern zum Spielen. Ein Händler erwarb sie einige Jahre später als Altmaterial und verkaufte sie weiter. 1926 gelang es dem Landesmuseum in Hannover, die Scheibe zu kaufen, nachdem bereits die Gefahr bestand, dass sie ins Ausland veräußert würde. 1927 wurde eine Nachuntersuchung an der Fundstelle vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass sich unter dem jetzt abgetorften Gelände vermutlich ein 75 Zentimeter hoher Hügel befunden hatte. Im Boden konnten Spuren einer rechteckigen Grube nachgewiesen werden, die 57 Zentimeter breit und 2,3 Meter lang war. Die Scheibe könnte somit aus einem Grab stammen.

Aufbau

Die Scheibe hat einen Durchmesser von 14,5 Zentimetern, eine Materialstärke von 0,14 mm und ein Gewicht von 36,17 Gramm. In der Mitte besitzt sie eine zentrale Wölbung, deren Rand acht kleine nagelkopfartige Vorwölbungen aufweist. Es folgen nach außen ein aus Radialstrahlen gebildeter Kreis, ein Kreis von abermals acht kleinen Buckeln, ein weiterer Strahlenkreis und schließlich ein Kreis, der mit 32 schraffierten Dreiecken gefüllt ist. Die Scheibe hat außerdem zwei Laschen, die aus dem ursprünglich größeren Goldblech herausgeschnitten wurden. Über die genaue Verwendung der Scheibe gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Die beiden Laschen lassen vermuten, dass die Scheibe – ähnlich wie beim Sonnenwagen von Trundholm – ursprünglich auf einer Unterlage aufgeheftet war. Die Verzierungen der Goldscheibe von Moordorf sind jedoch nicht durch Auflage auf eine verzierte Bronzescheibe entstanden, also über eine Vorlage geformt, sondern von hinten in die Scheibe getrieben worden. Es besteht die Auffassung, dass es sich um ein Symbol der Sonne handelt.

Interpretation

Die Frage nach der Funktion dieser Scheibe führt nach Dänemark zum Sonnenwagen von Trundholm. Dessen Goldscheibe ist auf einer bronzenen Scheibe angebracht, die von einem Pferd gezogen wird. Das Tier zieht nur die Scheibe, während beide durch die Räder bewegt werden können. In der Religion der älteren Bronzezeit zieht also das Pferd die Sonne über das Firmament. Eine Herstellungstechnik wie bei der Scheibe von Moordorf ist in Niedersachsen fremd. Sie ist vermutlich ohne ein Modell von der Rückseite kalt getrieben worden. Die meisten Scheiben dieser Art stammen aus Westeuropa, besonders aus Irland (Goldscheibe von Lattoon, County Cavan). So gibt diese Scheibe also nicht nur Auskunft über Ästhetik, Kunstschaffen, Metallverarbeitungstechniken und Religion in der Bronzezeit, sondern ist auch ein Beispiel für die weitgespannten Beziehungen in dieser Zeit.

Bei den Vorläufern von Kelten und Germanen zeugen Sonnenrad, Wirbelrad und Scheibenrad und von Pferden gezogene Sonnenscheiben (Sonnenwagen von Trundholm, Moordorf) von einer verbreiteten Sonnenverehrung. Im germanischen Rechtswesen durfte Gericht nur „bei scheinender Sonne“ gehalten werden. Die Sonne war in der Weltanschauung des Nordens die Erzeugerin des Lichts, der Wärme und des Lebens, der Fruchtbarkeit und vor allem auch die Reglerin und Teilerin der Zeit. Ihr Jahreslauf wurde von Festen begleitet.

Bedeutung

Die Goldscheibe von Moordorf wird nach Art ihrer Verzierung mit Funden aus Irland (Lattoon County Cavan) in Verbindung gebracht. In der Zusammensetzung des verwendeten Goldes fällt sie aus sämtlichen für Mitteleuropa verwendeten Materialgruppen heraus. Sie wurde aus geläutertem, also gereinigtem Gold gefertigt. Nach derzeitigem Forschungsstand wird vermutet, dass das Gold aus dem östlichen Mittelmeerraum stammt.

Literatur

  • Hans-Jürgen Häßler: Frühes Gold: ur- und frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen. Isensee, Oldenburg 2003, ISBN 3-89995-066-6.
  • H. Drescher: Das Profil der Sonnenscheibe von Moordorf. In: Die Kunde: Zeitschrift für niedersächsische Archäologie. Band 14, 1963, ISSN 0342-0736, S. 112 ff.
  • Karl-Hermann Jacob-Friesen: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte. Bronzezeit, Hildesheim 1963
  • Günter Wegner (Hrsg.): Leben – Glauben – Sterben vor 3000 Jahren: Bronzezeit in Niedersachsen. Isensee, Oldenburg 1996, ISBN 3-89598-404-3.
  • K.-H. Jacob-Friesen: Die Goldscheibe von Moordorf und ihre britischen und nordischen Parallelen. In: Herbert Kuhn (Hrsg.): Jahrbuch für prähistorische & ethnographische Kunst. de Gruyter, 1931, ISSN 0075-0468.

Einzelnachweise

  1. Sonnenscheibe ist von europäischem Rang in: Emder Zeitung vom 12. Juni 2012
  2. Heimatblatt Aurich. In: Emder Zeitung. 29. April 2009, abgerufen am 11. November 2012. Vitus Dirks. Abgerufen am 11. November 2012.

Weblinks

Koordinaten: 53° 28′ 25,9″ N, 7° 22′ 54,3″ O

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