Höhlenlöwe


Höhlenlöwe

Höhlenlöwe mit Beute (Heinrich Harder, um 1920)

Zeitliches Auftreten
Oberes Pleistozän
300.000 bis 13.000 Jahre
Fundorte
  • Nordasien
  • Europa (Siegsdorf, Deutschland)
Systematik
Ordnung: Raubtiere (Carnivora)
Familie: Katzen (Felidae)
Unterfamilie: Großkatzen (Pantherinae)
Gattung: Panthera
Art: Löwe (Panthera leo)
Unterart: Höhlenlöwe
Wissenschaftlicher Name
Panthera leo spelaea
Goldfuss, 1810

Der Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) ist eine ausgestorbene Großkatze, die zur Zeit des Pleistozäns in Europa und Nordasien lebte. Während man sich früher unsicher über seine Artzugehörigkeit war, gilt er heute als klar abgegrenzte Unterart des Löwen (Panthera leo). Die Erstbeschreibung erfolgte durch den Arzt und Naturforscher Georg August Goldfuss anhand eines Schädels aus der Zoolithenhöhle von Burggaillenreuth bei Muggendorf in der Fränkischen Alb.

Geographische und zeitliche Verbreitung

In Europa erschienen Löwen erstmalig mit der Unterart Panthera leo fossilis, dem sogenannten Mosbacher Löwen, vor ca. 700.000 Jahren. Die Tatsache, dass diese Mosbacher Löwen gelegentlich auch als Höhlenlöwen bezeichnet werden, kann zu Verwirrungen führen. Hier wird unter dem Begriff Höhlenlöwe daher ausschließlich Panthera leo spelaea verstanden. Mit einer Kopf-Rumpflänge von bis zu 2,40 Meter waren die Mosbacher Löwen etwa um einen halben Meter länger als die heute in Afrika vorkommenden Löwen. Aus dieser riesigen Unterart entwickelte sich schließlich der Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea), der zum ersten Mal vor etwa 300.000 Jahren auftrat. Der Höhlenlöwe war weit über das nördliche Eurasien verbreitet und drang selbst während der Kaltzeiten weit nach Norden vor. Über die durch die Vereisung trockengefallene Bering-Landbrücke erreichte er auch Alaska. Von dort aus stieß er wahrscheinlich weiter nach Süden vor und entwickelte sich zum Amerikanischen Löwen (Panthera leo atrox). Der Höhlenlöwe verschwand mit dem Ende der letzten Kaltzeit vor etwa 12.000 Jahren, hielt sich aber möglicherweise auf der Balkanhalbinsel bis weit in die Nacheiszeit hinein. Bei diesen Löwen, die anscheinend noch zur Zeitenwende auf dem Balkan lebten, ist allerdings nicht geklärt, ob sie tatsächlich zur Unterart des Höhlenlöwen gehörten. Die jüngsten gesicherten Nachweise von Höhlenlöwen aus dem Gebiet des Lena-Flusses in Sibirien beziehungsweise aus Sigmaringen in Deutschland werden mittels Radiokohlenstoffdatierung auf ein Alter von etwa 12.500 Kohlenstoffjahren datiert (das absolute Alter in Kalenderjahren liegt etwas darüber).[1]

Fossilfunde des Höhlenlöwen stammen vorwiegend aus Höhlen, wo ihre Kadaver oft von Hyänen hereingeschleppt worden sein dürften. Derartige Höhlen in Deutschland sind die Bilstein-Höhle, die Balver Höhle, die Pericks-Höhlen, die Keppler-Höhle und die Zoolithenhöhle. Aus Siegsdorf in Bayern ist ein vollständiges Skelett eines Höhlenlöwen außerhalb einer Höhle bekannt.[2] Ein weiteres vollständiges Höhlenlöwenskellet wurde in der Srbsko Chlum–Komín-Höhle in Tschechien gefunden.[3]

Aussehen

Schädel eines Höhlenlöwen
Eiszeitliche Darstellung von Höhlenlöwen in der Höhle von Chauvet

Die Überreste eines ausgewachsenen Höhlenlöwen-Männchens, die 1985 bei Siegsdorf gefunden wurden, wiesen auf eine Schulterhöhe von ca. 1,20 m und eine Kopfrumpflänge von 2,10 m hin. Das entspricht einem sehr großen heutigen Löwen. Der Siegsdorfer Löwe wurde von anderen Exemplaren des Höhlenlöwen noch um einiges übertroffen. Europäische Höhlenlöwen dürften demnach etwa 25 Prozent größer gewesen sein als heutige Löwen[4][5], erreichten aber nicht die enormen Ausmaße der Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis) und der Amerikanischen Löwen (Panthera leo atrox). Aus steinzeitlichen Höhlenmalereien und Schnitzereien lassen sich Rückschlüsse auf das Fell und die Mähne des Höhlenlöwen ziehen. Besonders eindrucksvolle Löwendarstellungen zeigen die Farbbilder der Chauvet-Höhle in der Ardèche in Südfrankreich und die Elfenbeinschnitzerei eines Löwen aus der Vogelherdhöhle in der Schwäbischen Alb in Süddeutschland. Steinzeitliche Darstellungen (etwa in der Chauvet-Höhle) zeigen Höhlenlöwen immer ohne Mähne, was ein Hinweis darauf sein kann, dass männliche Höhlenlöwen im Gegensatz zu ihren afrikanischen und indischen Verwandten mähnenlos waren. Außerdem zeigen diese Darstellungen oftmals die löwentypische Schwanzquaste. Das Fell scheint nach diesen Zeichnungen einfarbig gewesen zu sein.

Lebensweise

Löwen besiedelten Europa und Nordasien sowohl in den Warmzeiten als auch in den Kaltzeiten. In Mitteleuropa kamen die Höhlenlöwen auch während der maximalen Vereisung vor. Fossile Trittsiegel von Höhlenlöwen, die neben denen von Rentieren erhalten sind, weisen nach, dass diese Katzen mindestens bis in subpolare Zonen vorgedrungen sind. Ihre Nahrung bestand vor allem aus größeren Huftieren der damaligen Zeit, etwa Wildpferden, Hirschen, Wildrindern und Antilopen. In jungpleistozänen Ablagerungen des Rheins von Hessenaue bei Darmstadt wurde das Schienbein eines Höhlenlöwen gefunden, das trotz einer schweren Entzündung des Knochenmarks, die das Tier vorübergehend jagdunfähig machte, später wieder verheilt ist. Das Tier muss demnach noch längere Zeit mit dieser Behinderung überlebt haben. Das legt nahe, dass dieses Tier von Artgenossen an der Beute geduldet oder mit Futter versorgt wurde. Möglicherweise war der Höhlenlöwe also ähnlich wie heutige Löwen ein Rudeltier.

Trotz seines Namens war der Höhlenlöwe kein ausgesprochener Bewohner von Höhlen. Im Gegensatz zur Höhlenhyäne und zum Höhlenbär hat er Höhlen vermutlich auch nur selten als Versteck aufgesucht. Besonders kranke, alte oder geschwächte Höhlenlöwen suchten hier wahrscheinlich Schutz und verendeten. Auch wurden teilweise offenbar vollständige Löwenkadaver von Höhlenhyänen in Höhlen geschleppt. Ihre Jungen scheinen Höhlenlöwen im Gegensatz zu Höhlenbären oder Hyänen nicht in Höhlen aufgezogen zu haben. Dies ist an den wenigen Funden von Jungen Löwen in Höhlen und dem Fehlen von Löwen-Milchzähnen ersichtlich. Ähnlich wie heutige Löwen scheinen Höhlenlöwen ihre Beute auch nicht in Höhlen versteckt zu haben, ganz im Gegensatz zu Hyänen.[2]

Skelett eines Höhlenlöwen aus der Slouper-Höhle bei Brünn in Tschechien

Verwandtschaft

Anders als beim Mosbacher Löwen, über dessen Klassifikation als Panthera leo fossilis immer Einigkeit bestand, war beim Höhlenlöwen lange Zeit umstritten, ob er dem Tiger oder dem Löwen zuzurechnen ist oder sogar eine eigene Art darstellt. Im Jahre 2004 ist es deutschen Wissenschaftlern gelungen, durch einen DNA-Test den Höhlenlöwen eindeutig als Unterart oder zumindest als sehr nahen Verwandten des Löwen (Panthera leo) zu identifizieren[6]. Dies wurde inzwischen bestätigt[1], wodurch ein seit der Erstbeschreibung im Jahre 1810 bestehender Streit geklärt werden konnte, ob es sich bei den Fossilien um die Überreste eines Löwen oder eines Tigers handelt. Dennoch bilden die pleistozänen Löwen des Nordens einen eigenen Rassekreis, dem die Löwen Afrikas und Südasiens gegenüberstehen. Zu dieser sogenannten spelaea-Gruppe zählen der Mosbacher Löwe (P. l. fossilis), der Höhlenlöwe (P. l. spelaea) und der Amerikanische Höhlenlöwe (P. l. atrox). Alle heutigen Löwenrassen gehören der leo-Gruppe an. Die beiden Rassekreise entwickelten sich wahrscheinlich vor etwa 600.000 Jahren auseinander [6]. Die Löwen Ostsibiriens und Beringias, die bisweilen als eigene Unterart (P. l. vereshchagini) betrachtet wurden, unterscheiden sich genetisch nicht von anderen Eurasischen Höhlenlöwen[1]. Im Gegensatz dazu bestehen relativ deutliche genetische Unterschiede zwischen Amerikanischen Löwen südlich der glazialen Eisschilde einerseits und Eurasischen bzw. Beringia-Höhlenlöwen andererseits[1].

Literatur

  • Alan Turner: The big cats and their fossil relatives. Columbia University Press, New York NY 1997, ISBN 0-231-10229-1.
  • Wighart von Koenigswald: Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel. Theiss-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1734-3.
  • Joachim Burger, Wilfried Rosendahl, Odile Loreille, Helmut Hemmer, Torsten Eriksson, Anders Götherström, Jennifer Hiller, Matthew J. Collins, Timothy Wess, Kurt W. Alta: Molecular phylogeny of the extinct cave lion Panthera leo spelea. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. 30, 2004, ISSN 1055-7903, S. 841–849, online (PDF; 196 KB).
  • Cajus Diedrich: Freilandfunde des oberpleistozänen Höhlenlöwen Panthera leo spelaea (GOLDFUSS 1810) in Westfalen (Norddeutschland). In: Philippia. 11, 3, 2004, ISSN 0343-7620, S. 219–226.
  • Ernst Probst: Höhlenlöwen. Raubkatzen im Eiszeitalter. GRIN Verlag für akademische Texte, München u. a. 2009, ISBN 978-3-640-27263-1.

Weblinks

Commons: Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Barnett, Ross, Beth Shapiro, Ian Barnes, Simon Y W Ho, Joachim Burger, Nobuyuki Yamaguchi, Thomas F G Higham, et al. 2009. Phylogeography of lions (Panthera leo ssp.) reveals three distinct taxa and a late Pleistocene reduction in genetic diversity. Molecular ecology 18, no. 8 (April): 1668-77. doi:10.1111/j.1365-294X.2009.04134.x. online.
  2. 2,0 2,1 Cajus G. Diedrich (2009): Steppe lion remains imported by Ice Age spotted hyenas into the Late Pleistocene Perick Caves hyena den in northern Germany. Quaternary Research, Volume: 71, Issue: 3, Publisher: University of Washington, Pages: 361-374
  3. Diedrich,C.G. & Zak,K. (2006). Prey deposits and den sites of the Upper Pleistocene hyena Crocuta crocuta spelaea (Goldfuss, 1823) in horizontal and vertical caves of the Bohemian Karst (Czech Republic). Bulletin of Geosciences, Vol. 81:4.
  4. ‚Giant‘ lions roamed Britain just 13,000 years ago
  5. Barnett et al.: Phylogeography of lions (Panthera leo ssp.) reveals three distinct taxa and a late Pleistocene reduction in genetic diversity In: Molecular Ecology. Volume 18 Issue 8 (April 2009): S. 1668-1677
  6. 6,0 6,1 Burger, Joachim et al. (2004): Molecular phylogeny of the extinct cave lion Panthera leo spelaea. Mol. Phylogenet. Evol. Vol.30, p.841-849.