Infliximab


Infliximab

Masse/Länge Primärstruktur 144,2 kDa
Bezeichner
Externe IDs CAS-Nummer: 170277-31-3
Arzneistoffangaben
ATC-Code L04AB02
DrugBank DB00065
Wirkstoffklasse Immunsuppressivum, Monoklonaler Antikörper
Verschreibungspflicht Ja

Infliximab (Handelsname Remicade®, Hersteller Centocor Inc.) ist ein chimärer monoklonaler Antikörper. Infliximab ist gegen den Tumor-Nekrose-Faktor α (TNFα) gerichtet und wird daher auch als TNF-Blocker bezeichnet.[1]

TNFα ist bei Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises von zentraler Bedeutung, er beeinflusst eine Vielzahl von Signalsystemen des Immunsystems.

Anwendungsgebiete

Die Therapie mit Infliximab ist bei folgenden Krankheiten in der Europäischen Union zugelassen:

Infliximab wird bei schweren Verläufen eingesetzt und/oder wenn konventionelle Therapien (z.B. NSARs, Glukokortikoid, Methotrexat) bei Patienten nicht ausreichend wirksam waren. Infliximab ist ein Immunsuppressivum und wird zumeist (außer bei Morbus Bechterew) zusammen mit Methotrexat verabreicht.[1] Es wird normalerweise mit 5 mg je kg Körpergewicht dosiert und in Kochsalzlösung aufgelöst verabreicht.

Entwicklung und Vermarktung

1989 haben Junming Le und Jan Vilcek von der New York University School of Medicine den monoklonalen Antikörper gegen TNFα erzeugt.[2] 1998 hat die FDA die Zulassung für Remicade bei Morbus Crohn erteilt. Ein Jahr später folgte die Zulassung in Deutschland.
2001/2002 hat Infliximab für Aufsehen in der Fachwelt gesorgt, nachdem 202 Todesfälle im direkten Zusammenhang mit Infliximab bekannt wurden.[3] Seitdem gelten erhöhte Sicherheitsanforderungen, wie z.B. Ausschluss von Tuberkulose vor Behandlungsbeginn.
Die Behandlung ist sehr teuer, eine einzige Infusion kostet zwischen 1800 Euro und 4500 Euro. In Einzelfällen können die Preise sogar noch höher liegen.
Centocor vertreibt in Amerika Remicade, Mitsubishi Tanabe in Japan, Xian Janssen in China, sowie MSD in Europa und in der restlichen Welt. Dazu kommen noch Generika von anderen Herstellern.[4] Centocor welches von Johnson & Johnson aufgekauft wurde, hat nach eigenen Angaben im Jahr 2009 einen Umsatz von 4,3 Milliarden US-Dollar mit Remicade erwirtschaftet.[5] Schering Plough hatte einen Umsatz von etwas mehr als 2 Milliarden US-Dollar.[6]

Geschichte

Die Therapie mit TNFα-Blockern hat die Möglichkeiten der Behandlung der rheumatoiden Arthritis zu Anfang des 21. Jahrhunderts deutlich verbessert. Mit fortschreitender Erfahrung im Einsatz von anti-TNFα-Präparaten beginnen Rheumatologen, Gastroenterologen und Dermatologen immer häufiger dem Anspruch auf Remission gerecht zu werden. In der rheumatoiden Arthritis bewies die BeSt-Studie[7] den Vorteil einer frühen, aggressiven Kombinationstherapie unter enger ärztlicher Kontrolle. Die 4-Jahresdaten aus dieser Studie[8] zeigten, dass der Anspruch auf Remission, in einigen Fällen sogar auf therapiefreie Remission, mittlerweile gerechtfertigt ist.

Struktur

Die variable, antigenbindende Region macht ca. 30 % aus und ist der murine (Maus) Anteil, während die konstante Region mit der Effektorfunktion ca. 70 % ausmacht und menschlichen Ursprungs ist. Der konstante Bereich der schweren Kette ist einem IgG1-Antikörper entnommen und die leichte Kette ist durch eine κ-Kette repräsentiert.[9]

Pharmakologie

Der Antikörper wird als intravenöse Infusion über zwei Stunden oder länger verabreicht.[1] Nach Erstinfusion müssen die Folgeinfusionen darauf folgend nach 2 Wochen und 6 Wochen, später in der Regel – je nach Wirkung – regelmäßig nach 8 Wochen wiederholt werden.

Infliximab verteilt sich sofort im Gefäßsystem (Systemic Immediate Release = SIR), wo es noch bis zu 8 Wochen später nachweisbar ist. Dort blockiert er die TNFα-gesteuerte Freisetzung von entzündungsauslösenden Botenstoffen (Zytokine) und führt somit in vielen Fällen nach zwei Wochen zu einer deutlichen Reduktion der Entzündungen. Da der Antikörper ein chimäres Produkt aus menschlichem und tierischem Protein (Mensch/Maus) ist, können Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. Auch infusionsbedingte Reaktionen wie Fieber, Hautausschlag mit Juckreiz, Schüttelfrost, Atemnot und Brustschmerzen sind möglich. Dabei scheint weniger die murine Herkunft des variablen Anteils eine Rolle zu spielen, als vielmehr das Muster der posttranslationalen Glykosylierung und andere produktionsbedingte Einflüsse: Der Herstellungsprozess findet in einer murinen Myelomzelllinie statt. Bei allen Herstellungsprozessen biologischer Präparate in Zellkulturen werden die entstehenden Proteine anders modifiziert als in unbehandelten menschlichen Zellen. Als Konsequenz werden in Zellkulturen, wie beispielsweise in den bei gentechnologischen Produktionsprozessen häufig verwendeten chinesischen Hamster-Ovarialzellen (CHO-Zellen), die gebildeten Proteine nach anderen Mustern mit Zuckerresten ausgestattet als in unbehandelten menschlichen Zellen. Aber auch die Glykosylierungsmuster zwischen zwei menschlichen Individuen können stark voneinander abweichen, was beispielsweise zu Transplantatabstoßung bei Organspende führen kann. Insofern weisen auch Präparate aus gentechnisch hergestellten Vollhumanproteinen ähnliche Immunogenizität wie chimäre Proteine auf.[10] Eine mögliche unerwünschte Infusionsreaktion kann durch vorangehende Verabreichung von Glukokortikoiden, Antihistaminika und/oder Antiphlogistika wirksam abgeschwächt oder sogar verhindert werden.[11]

Da Infliximab Immunreaktionen beeinflusst und unter der Behandlung unter anderem latente Tuberkulose wiederaufflammen kann, muss der Behandlung ein Test auf TBC vorangehen, der negativ sein muss. Auch muss während der gesamten Behandlungsdauer das Blutbild überwacht werden. Weitere Informationen, insbesondere zu Nebenwirkungen, sind unter den unten angegebenen Links zu finden.[12][13][14]

Nebenwirkungen

Infliximab hat von allen TNF-alpha-Blockern die höchste Rate an anaphylaktischen Reaktionen. Dies ist auf die Herstellungsart zurückzuführen, da es sich nicht um ein Humanprotein handelt, sondern eines von Mäusen.[15][16][17]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Remicade: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, Stand: November 2009 auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA.
  2. Remicade Co-Inventor And NYU Professor Of Microbiology Jan Vilcek, M.D., Ph.D. Pledge To NYU School Of Medicine, 12. August 2005.
  3. Infliximab: Änderung der Zulassung, Dtsch Arztebl 2002; 99(6): A-320 / B-256 / C-244.
  4. Johnson & Johnson: REMICADE® Becomes First Anti-TNF Biologic Therapy to Treat One Million Patients Worldwide
  5. Johnson & Johnson: Annual Report 2009
  6. Hoffnungen auf die volle Pipeline, 20. März 2009.
  7. Goekoop-Ruiterman YP, de Vries-Bouwstra JK, Allaart CF, u. a.: Clinical and radiographic outcomes of four different treatment strategies in patients with early rheumatoid arthritis (the BeSt study): a randomized, controlled trial. In: Arthritis Rheum. 52. Jahrgang, Nr. 11, November 2005, S. 3381–3390, doi:10.1002/art.21405, PMID 16258899 (rima.org [PDF]).
  8. van der Kooij SM, de Vries-Bouwstra JK, Goekoop-Ruiterman YP, u. a.: Patient-reported outcomes in a randomized trial comparing four different treatment strategies in recent-onset rheumatoid arthritis. In: Arthritis Rheum. 61. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2009, S. 4–12, doi:10.1002/art.24367, PMID 19116965.
  9. Theo Dingermann, Angelika Vollmar: Immunologie - Grundlagen und Wirkstoffe. WVG, Stuttgart 2005, ISBN 3-8047-2189-3.
  10. Fleischmann R, Shealy D: Developing a new generation of TNFalpha antagonists for the treatment of rheumatoid arthritis. In: Mol. Interv. 3. Jahrgang, Nr. 6, September 2003, S. 310–318, doi:10.1124/mi.3.6.310, PMID 14993463 (aspetjournals.org).
  11. Augustsson J, Eksborg S, Ernestam S, Gullström E, van Vollenhoven R: Low-dose glucocorticoid therapy decreases risk for treatment-limiting infusion reaction to infliximab in patients with rheumatoid arthritis. In: Ann. Rheum. Dis. 66. Jahrgang, Nr. 11, November 2007, S. 1462–1466, doi:10.1136/ard.2007.070771, PMID 17502359.
  12. Gardam MA, Keystone EC, Menzies R, u. a.: Anti-tumour necrosis factor agents and tuberculosis risk: mechanisms of action and clinical management. In: Lancet Infect Dis. 3. Jahrgang, Nr. 3, März 2003, S. 148–155, PMID 12614731.
  13. Keane J, Gershon S, Wise RP, u. a.: Tuberculosis associated with infliximab, a tumor necrosis factor alpha-neutralizing agent. In: N. Engl. J. Med. 345. Jahrgang, Nr. 15, Oktober 2001, S. 1098–1104, PMID 11596589 (nejm.org).
  14. Mohan AK, Coté TR, Block JA, Manadan AM, Siegel JN, Braun MM: Tuberculosis following the use of etanercept, a tumor necrosis factor inhibitor. In: Clin. Infect. Dis. 39. Jahrgang, Nr. 3, August 2004, S. 295–299, doi:10.1086/421494, PMID 15306993.
  15. ww.pharmazeutische-zeitung.de
  16. Pharmakologie und Toxikologie, Thieme Verlag
  17. Ankylosierende Spondylitis: Morbus Bechterew, Wolfgang Miehle, RHEUMAMED

Weblinks