Josef Hyrtl


Josef Hyrtl, Lithographie von Eduard Kaiser, 1850
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Josef Hyrtl

Josef Hyrtl (* 7. Dezember 1810 in Eisenstadt; † 17. Juli 1894 in Perchtoldsdorf bei Wien) war ein österreichischer Anatom.

Leben

Hyrtl wurde in Eisenstadt (im damaligen Ungarn) geboren. Er begann seine medizinischen Studien in Wien 1831. Sein Vater war Oboist in der Fürstlich Esterhazyschen Hofkapelle in Eisenstadt. Hyrtl kam vorerst als Sängerknabe nach Wien.[1] Da seine Eltern nicht sehr bemittelt waren, musste er Geldmittel für die medizinische Ausbildung finden.

Während er Medizinstudent war, erregte er die Aufmerksamkeit von Professoren und Studenten und wurde 1833 zum Prosektor der Anatomie ernannt. Er wurde Assistent von Joseph Julius Czermak und später auch Museumsdirektor. Er gab Kurse in Anatomie für Studenten und in Praktischer Anatomie für Physiologen.

1837 wurde er (mit nur 26 Jahren) Professor an der Karls-Universität Prag. Dort war er sehr angesehen und schrieb auch Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden, aber 1845 ging er nach Wien. Fünf Jahre später schrieb er das Handbuch Topographischer Anatomie, das weltweit zu einem der wichtigsten Lehrbücher an medizinischen Schulen wurde. 1850 begründete er in Wien das Museum für vergleichende Anatomie. Auch das von van Swieten im Jahr 1745 gegründete Museum für menschliche Anatomie" baute er aus.[1]

Viele anatomische Museen weltweit versorgte er mit Präparaten. 1864 wurde er anlässlich des 500-jährigen Bestehens der Wiener Universität zum Rektor ernannt, weil er die Universität als berühmtester Professor vertreten sollte. Seine Inaugurationsrede über Die materialistische Weltanschauung unserer Zeit erregte großes Aufsehen. Seit 15. Jänner 1857 war er korrespondierendes Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften.

In den 1860er Jahren lernte er die deutsche Dichterin Auguste Maria Conrad, geb. Freifrau von Gaffron-Oberstradam kennen. Sie bezeichnete sich 1869, als er in Perchtoldsdorf eine Villa erwarb bereits als seine Frau, obwohl sie damals noch mit Conrad verheiratet war. Erst nach dem Tod Conrads konnten die beiden im Jahr 1870 in Wien-Alsergrund heiraten.[2]

Im Jahr 1874 legte er wegen zunehmender Sehschwäche sein Lehramt nieder und zog sich mit seiner Frau in das Haus in Perchtoldsdorf zurück. Im Südturm der Burg Perchtoldsdorf richtete er sich ein Studierzimmer ein.[3] Dort setzte er aber seine Forschungstätigkeit bis zu seinem Tod fort.[1]

Am 17. Juli 1894 wurde er tot in seinem Bett gefunden. Sein Vermögen vermachte er wohltätigen Zwecken, so wurde in Mödling in Niederösterreich das Waisenhaus, das in der Folge auch seinen Namen trug, errichtet.- Seine mitfühlende Natur kommt auch in der Anekdote zum Ausdruck. Ein Mediziner wollte entdeckt haben, dass Kaninchen auch ganz ohne Nahrungs-Aufnahme an Gewicht zunehmen können. Als man die Sache aber näher untersuchte, kam auf, dass Hyrtl die Tiere aus Mitleid immer am Morgen heimlich gefüttert hatte.

Sein Bruder Jakob Hyrtl (1799–1868) war ein bekannter Wiener Kupferstecher, der den angeblichen Schädel Mozarts seinem Bruder Josef vermachte. Josef Hyrtl untersuchte den Schädel und vermachte ihn seinerseits dem Mozarteum in Salzburg.[4]

Begraben ist Hyrtl in einem Ehrengrab des Perchtoldsdorfer Friedhofs (Gruft R 89-91).[5] In Wien Ottakring (16. Bezirk) wurde die Hyrtlgasse nach ihm benannt.

Zitat

Denkmal in Mödling vor dem von ihm gestifteten Waisenhaus

So will ich denn das Wort in einer Sache führen, deren täglich zunehmende Bedeutung jede Richtung menschlichen Wissens und Forschens tief und mächtig ergreift, und deren Lösung so recht eigentlich dem gelehrten Bunde anheimfällt, wie er in der Universität gegeben ist, die jetzo auf mich hört; - ich meine: die materialistische Weltanschauung unserer Zeit. Sie spricht sich nicht mehr aus mit dem frivolen Spott Voltairs und Condillacs, sie strebt nicht mehr mit dem declamatorischen Prunke der Encyklopädisten unbefangene Herzen zu gewinnen, sie ist herausgetreten aus der lange innegehaltenen Bahn eines dogmatischen Systems und ist aggressiv geworden gegen alle, welche anders denken. Ihre Beredsamkeit ruft nicht mehr den Beifall einzelner auf, - sie appelliert an die Massen mit der Logik der Thatsachen bald geschickt, bald gelehrt, bald fanatisch, immer jedoch mit der gewinnenden Aufrichtigkeit der Überzeugung. Sie hat zahlreichen Anhang gefunden unter den Männern jener Wissenschaften, welche es nur mit dem Stoffe zu thun haben. Über diese herrscht sie jetzt mit unumschränkter Gewalt, so daß von meiner Seite eine Art von Muth dazu gehört, ihre Berechtigung zu solcher Herrschaft in Zweifel zu ziehen. Als vorübergehender Ausdruck einer auf Abwege gerathenen Denkweise würde der Materialismus kaum eine ernste Beachtung verdienen. Er könnte uns selbst entschuldigbar erscheinen als überstürzte Reaction gegen die im Anfange dieses Jahrhunderts allmächtige Naturphilosophie, wo alles Denken, alles Forschen der Wissenschaften in purem Geiste aufgehen zu wollen schien. Er erfaßte den Scepter, welcher den Idealisten aus den Händen glitt, und fand, da er nur auf Thatsachen sein System aufzubauen versicherte, umsomehr Theilnahme, Einfluß und Verbreitung, als die im Idealismus fast bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte angestrengte Philosophie eine bis zur Geringschätzung gesunkene Indifferenz gegen alles metaphysische Denken zurückgelassen hat.

Fasse ich, zum Schlusse eilend, das Gesagte zusammen, so kann ich mir nicht erklären, welche wissenschaftlichen Gründe das Wiederaufleben der alten, materialistischen Weltanschauung des Epikur und Lucrez in Schutz nehmen oder rechtfertigen und ihr eine allgemeine oder bleibende Herrschaft zusichern sollen. Beobachtung und Erfahrung sprechen heute nicht mehr als damals zu ihren Gunsten, und die mit Recht so gepriesene, exacte Methode der Naturwissenschaften hat nichts gebracht, ihre Haltbarkeit zu vermehren. Sie ist, was sie damals war, eine Ansicht, keine cognita certa ex principiis certis, wie der römische Redner die Wissenschaft definiert. Ihre Erfolge beruhen nicht auf der Klarheit und Unangreifbarkeit ihrer Argumente, sondern auf der Kühnheit ihres Auftretens und in dem herrschenden Geiste der Zeit, welcher Lehren dieser Art um so lieber popularisiert, je gefährlicher sie der bestehenden Ordnung der Dinge zu werden versprechen. Zu einem bleibenden Siege des Wissens hat es der erdgebundene Titan des Materialismus nicht gebracht, und er wird es auch nicht bringen, so lange die ernste Wissenschaft sich nicht selbst aufgibt, und sie deren Stärke und Macht auf Grund und Boden sichergestellter und wohlverstandener Thatsachen beruht, nicht dem Götzen der Meinung opfert und ihre eigene Sache für verloren hält.

(Hyrtl, Josef: Die Materialistische Weltanschauung unserer Zeit. Inaugurationsrede am 1. Oktober 1864.)

Werke

Titelblatt des Erstdruckes
  • Lehrbuch der Anatomie des Menschen (Prag, 1846)
  • Handbuch der topographischen Anatomie (Wien, 1853)
  • Handbuch der Zergliederungskunst (Wien, 1860)
  • Die Corrosions-Anatomie und ihre Ergebnisse (Wien, 1873)
  • Das Arabische und Hebräische in der Anatomie (Wien, 1879)

Stiftung

Hyrtl stiftete anlässlich seines Todes ein beträchtliches Vermögen an Waisen und Bedürftige mit den Stiftungsbriefen aus den Jahren 1888 und 1892. Der größte Teil der Stiftung, der auch schon vor seinem Tod zum Tragen kam, floss in den Bau des Hyrtl'schen Waisenhauses in Mödling. Aber auch weitere Liegenschaften in Mödling und eine in Perchtoldsdorf gehören zum Stiftungsvermögen. Die Stiftung wurde vom Land Niederösterreich übernommen und seither verwaltet und auch vom NÖ Landesrechnungshof geprüft.

Ziel der Stiftung war und ist es, Waisen und Bedürftige mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die in einer niederösterreichischen Gemeinde wohnen, vorwiegend aus dem Raum Mödling, zu unterstützen.[6]

Ein Teil seiner Bibliothek befindet sich im Thonetschlössl mit dem darin beheimateten Heimatmuseum Mödling. Darunter befinden sich Werke wie der Opus chirurgicum von Paracelsus, die im Internet abrufbar sind.

Literatur

  • Hugo Glaser: Hyrtl (In: Ders., Wiens große Ärzte. Wien 1950, S. 71−82)
  • Rudolf-Josef Gasser (Red.), Christine Mitterwenger-Fessl, Peter Karanitsch: Der Anatom Joseph Hyrtl 1810–1894. Hrsg. von der Marktgemeinde Perchtoldsdorf. Maudrich, Wien u. a. 1991, ISBN 3-85175-538-3
  • Johannes Steudel: Hyrtl, Joseph. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 109 f. (Digitalisat).
  • Constantin von Wurzbach: Hyrtl, Joseph. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 9. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1863, S. 464–469 (Digitalisat).
  • Hyrtl, Joseph. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 23 f. (Direktlinks auf S. 23, S. 24).
  • Kurzbiographie zu: Hyrtl, Joseph. In: Werner Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften: Ihre Mitglieder und Preisträger 1700–1990. Akademie-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-05-002153-5, S. 163.

Einzelnachweise

Grabmal am Perchtoldsdorfer Friedhof
  1. 1,0 1,1 1,2 Joseph Hyrtl abgerufen am 7. Mai 2010
  2. Hyrtl's Liebesglück in Perchtoldsdorf von Gregor Gatscher-Riedl in der NÖN Lokalausgabe Mödling Woche 06/2011 Seite 38
  3. Hyrtl: Sein Rückzug nach Perchtoldsdorf in den NÖN Woche 04/2011 Seite 40
  4. Museum Mödling abgerufen am 7. Mai 2010
  5. Ehrengräber am Perchtoldsdorfer Friedhof. abgerufen am 19. November 2012.
  6. Dr. Josef Hyrtl Waisenstiftung Bericht des NÖ Landesrechnungshofes vom Juni 2006 abgerufen am 11. Mai 2010

Weblinks

Commons: Josef Hyrtl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiversity Wikiversity: Hyrtl, J.: Handbuch der topographischen Anatomie (1847) – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch