Karl Wilhelm Jötten


Karl Wilhelm Jötten (* 4. März 1886 in Essen; † 13. Mai 1958 in Münster (Westfalen)) war ein deutscher Bakteriologe, Hygieniker und Vertreter der Eugenik/Rassenhygiene in Deutschland.

Leben

Nach dem Medizinstudium ging Jötten 1913 an die Universitäts-Frauen-Klinik Berlin. 1915 wandte er sich der Bakteriologie und Hygiene zu. Er habilitierte sich und wurde 1923 zum Professor ernannt. Ein Jahr später wurde er auf den Lehrstuhl für Hygiene an der medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster berufen. Karl Wilhelm Jötten war vor, während und nach dem Dritten Reich, Direktor dieses Instituts. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten bemühte er sich im Frühjahr 1933 um Aufnahme in die NSDAP, wurde jedoch wegen seiner Bindungen an das katholische Milieu als politisch unzuverlässig abgelehnt und erst am 19. Mai 1936 rückwirkend zum 1. Mai 1933 aufgenommen.[1] 1933 erschienen unter seiner Leitung die ersten „Erbhygienischen Untersuchungen“. Zusammen mit einem Kollegen hatte der Professor derartige erbhygienische Untersuchungen an über 4.300 Hilfsschulkindern durchgeführt. Die Kinder im Alter zwischen 7 und 15 Jahren wurden gezählt, gewogen, vermessen und getestet. 1935 vertrat er als Referent auf dem Internationalen Kongress für Bevölkerungswissenschaft zusammen mit H. Reploh die These, dass Hilfsschüler „aus dem Fortpflanzungsprozeß ausgeschaltet“ werden müssten.[2]

Ehrungen und Auszeichnungen

Nach dem Ende des Krieges durfte er weiter an der Westfälischen Wilhelms-Universität forschen und widmete sich der Gewerbehygiene und Staublungenforschung, wofür er unter anderem das Bundesverdienstkreuz erhielt. 1955 wurde er emeritiert.

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zeichnete ihn mit der Cothenius-Medaille aus[3] und es wurde eine Straße in Münster nach ihm benannt. Nach Bekanntwerden seiner Tätigkeiten forderten Politiker die Prüfung diverser Straßennamen.[4] 2012 wurde der Jöttenweg in Paul-Wulf-Weg umbenannt.[5]

Untersuchungen zu seiner Bedeutung in der NS-Zeit

Die Universität Münster hat nach kritischen Presseveröffentlichungen im Mai 2007 angekündigt, die Rolle Jöttens zur Zeit des Dritten Reiches durch eine Kommission untersuchen zu lassen. Zwar lässt eine Vielzahl von am Hygienischen Institut der Universität Münster während der NS-Zeit eingereichten „rassenhygienischen“ Dissertationsvorhaben auf eine Nähe Jöttens zur NS-Rassenhygiene schließen, wissenschaftliche Beweise für diese Vermutungen stehen bislang jedoch noch aus.

Siehe auch

  • Geschichte der Euthanasie

Literatur

  • Jan Nikolas Dicke: Eugenik und Rassenhygiene in Münster. Weißensee-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-89998-035-2 (Als Eugenik und Rassenhygiene im wissenschaftlichen Diskurs der Universität und des Gesundheitswesens der Stadt Münster 1918-1939 Examensarb. der Universität Münster 2001).

Weblink

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 288; Online-Dokumentation der Stadt Münster unter http://www.muenster.de/stadt/strassennamen/joettenweg.html
  2. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich,. Fischer Taschenbuch 2005, S. 288.
  3. Preisträger der Cothenius-Medaille. In: www.leopoldina.org. Abgerufen am 15. Oktober 2012.
  4. Münstersche Zeitung vom 24. Mai 2007 auf westline.de
  5. Aktuell diskutierte Straßennamen. Münster (Westfalen). Abgerufen am 24. August 2012.

Die News der letzten Tage