Medicina antiqua (Wiener Fassung)


Illustration einer Anrufung der göttlichen Mutter Erde (fol. 9 recto)

Der Kodex Medicina antiqua ist eine Sammlung antiker medizinischer Texte in Abschriften des 13. Jahrhunderts. Aufbewahrungsort ist die Österreichische Nationalbibliothek (Codex Vindobonesis 93).

Inhalt

Er zeigt medizinische Abbildungen von Pflanzen, Tieren und Menschen, wobei auch aus beiden Letzteren Heilmittel gewonnen wurden. Beispiele sind Elefantenblut als Getränk gegen Blutspucken (fol. 125 verso)[1] oder das Auflegen von Kinderhaaren mit Essig gegen Bisse und Geschwüre (fol. 129).[2] Außerdem zu sehen sind: Idealporträts der Autoren, Städtebilder, mythologische Szenen, Darstellungen ärztlicher Behandlungen, Ornamente und später hinzugefügte Federzeichnungen. Diese Zeichnungen erläutern und/oder ergänzen den Text und die Bilder und sind nur in der Wiener Handschrift zu finden.

Schlange als gerolltes Segel. Miniatur auf Blatt 73

Unmittelbare Vorlage war wohl eine Kopie eines Originals aus dem 6. Jahrhundert; Grundlagen für den Bilderschmuck (etwa Autorenbild des Dioskurides, Ornamente) könnten überdies antike Mosaike und Votivreliefs gewesen sein. Angegebene Autoren sind unter anderem Antonius Musa und Lucius Apuleius. Allerdings dürften diese Zuschreibungen im Wesentlichen falsch sein. Die Schriften stammen im Urtext aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten.[3]

Der Kodex besitzt den prächtigsten Bilderschmuck unter den erhaltenen Abschriften, aber auch eine der schlechtesten Textüberlieferungen: So ist bereits das erste Wort der Handschrift verdorben. Auch beim Kopieren der antiken Bildvorlagen gab es Missverständnisse: So wurden etwa die Schlangen des Äskulap zu einem gerollten Segel. Im letzten Abschnitt bricht der Text im sogenannten Apollo-Brief ab. Auch die Pflanzenbilder blieben unfertig. Der Band wurde mehrfach umgebunden, was an insgesamt vier verschiedenen Blattnummerierungen sichtbar wird. Die aktuelle Zusammenstellung stammt aus dem Jahr 1970.[3]

Übernahme antiken Gedankengutes

Text auf der Rückseite (fol. 9 verso)

Aufschlussreich ist die Rezeption antiken Gedankengutes, denn viele der Formeln und Szenen haben heidnischen Charakter. Auf der Rückseite des Blattes Nr. 9 findet sich das Gedicht pr(a)ecatio terrae (Anrufung der göttlichen Mutter Erde)[4]. Später fanden bloß oberflächliche Korrekturen der heidnischen Formeln statt, so wurde aus Dea sancta Tellus (Heilige Göttin Erde) Deo sancto (Dem heiligen Gott). Dies lässt sich durch eine unversehrte Handschrift in Florenz nachvollziehen. Die Miniatur auf der Vorderseite des Blattes illustriert das Gedicht: zuunterst ist ein Flussgott mit einem bizarren Fisch zu sehen, am Ufer des Flusses findet die Beschwörung der Erdmutter statt, die auf einer Schlange ruht und ein Füllhorn hält. Die abgebildeten Pflanzen sind Gegenstand des Gebetes. Ein weiterer derartiger Text ist auf dem Blatt Nr. 13 zu finden, (precatio herbarum) dort werden die Heilkräuter selbst angerufen.[5]

Der Grundannahme, dass die Gesundheit nicht nur von irdischen, sondern auch überirdischen Einflüssen abhinge, stimmten auch christliche Ärzte zu. Getilgt wurden Götternamen oder Hinweise auf empfängnisverhütende Mittel.[6]

Inhaltsangabe

Autorenbild des Dioskurides auf fol. 133 recto
  • Monografie zur Vettonica (Heilziest) pseudonym Antonius Musa zugeschrieben.
  • De herbarum virtutibus, ein Traktat mit 131 Pflanzenmonografien (Apuleius Madaurensis zugeschrieben)
  • Fiktiver Brief des ägyptischen Pharaos an Kaiser Augustus
  • Liber medicinae ex animalibus, 32 Tiermonografien über die Verwendung tierischer Produkte, zugeschrieben einem ansonsten unbekannten Sextus Placitus Papyriensis. Eingeschoben ist ein Kapitel De puero aut virgine über den Nutzen menschlicher Ausscheidungen.
  • De herbis feminis, eine Auswahl von 71 Pflanzen aus dem Pflanzenbuch des Dioscurides, mit stark verkürztem Text (Pseudo-Dioscurides).
  • Nur in der Wiener, bzw. Florenzer Fassung enthalten sind: Pr(a)ecatio terrae (Anrufung der göttlichen Mutter Erde), mit christlichen Korrekturen (9v) und ein Gebet an alle Pflanzen (Precatio herbarum, 13r). Ein fiktiver Brief des Hippokrates an Maecenas, ein Theriak-Rezept, ein Text zur Mandragora nach Dioscurides und der Apollo-Brief mit verschiedenen Rezepten. Insgesamt sehr schlechter Textzustand.

Geschichte

Das Werk[7] entstand um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Sizilien und ist seit dem frühen 18. Jahrhundert im Katalog der Wiener Hofbibliothek, heute Österreichische Nationalbibliothek, verzeichnet.[8] Schrifttyp ist die Bücherminuskel der italienischen Gotik und Details der Kleidung der dargestellten Personen (Bänderhauben) verweisen auf die staufische Zeit.

Faksimile

Eine Faksimileausgabe stammt aus den 1970er Jahren, seit 1996 ist ein verkleinerter Nachdruck verfügbar.[9]

Galerie

Literatur

  • Medicina antiqua: Codex Vindobonensis 93 der Österreichischen Nationalbibliothek Kommentar von Hans Zotter. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 2001 2. Auflage (Glanzlichter der Buchkunst: Band 6) ISBN 3-201-01659-4
  • Franz Daxecker: Heilmittel der Augenheilkunde im Codex Medicina antiqua (Codex Vindobonensis 93), Klin Mbl Augenheilk 2007; 224: 950-951

Einzelnachweise

  1. Medicina antiqua. Glanzlichter der Buchkunst, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1996 Band 6 Kommentar von Hans Zotter S. 64
  2. Glanzlichter der Buchkunst, Kommentar S. 68f.
  3. 3,0 3,1 Glanzlichter der Buchkunst, Kommentar S. 3 bis 11
  4. Analyse: Precatio Terrae and Precatio Omnium Herbarum (lat. und engl.)
  5. Hans Biedermann Medicina Magica, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1972, 2 Aufl. 1978 S. 79 ISBN 3-201-01077-4
  6. Medicina Magica, S. 33 ff.
  7. Österreichische Nationalbibliothek, Codex 93
  8. blog.denkschriften (Abgerufen am 10. Aug. 2008)
  9. Medicina antiqua. Glanzlichter der Buchkunst, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1996 Band 6 ISBN 3-201-01659-4

Weblinks

Commons: Medicina antiqua (Cod. Vind. 93) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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