Perzeption


Als Perzeption (lat. perceptio von percipere „erfassen, ergreifen, wahrnehmen“) wird sowohl die Gesamtheit der Vorgänge des Wahrnehmens, als auch der Inhalt der Wahrnehmung selbst bezeichnet.

Begriffsinhalt

Perzeptionen sind primär unbewusste Prozesse individueller Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die im Bewusstsein des Informationsempfängers so genannte Vorstellungsbilder (images) von wahrgenommenen Teilaspekten der Wirklichkeit entstehen lassen.

Der Prozess der Perzeption bewirkt, dass die von außen kommenden Informationen im Erkenntnissystem des Informationsempfängers unwillentlich in einer bestimmten Weise strukturiert und eingeordnet werden. Perzeptionen sind demnach selektiv-subjektive Bestandsaufnahmen von der äußeren Umwelt. Sie sind relativ statisch.

Perzeption bezeichnet nicht nur das rein subjektive Ergebnis des Wahrnehmungsvorgangs (Perzept), sondern auch die diesem zugrundeliegenden neurophysiologischen Prozesse (Sinneswahrnehmung).

Man darf unter Perzeption im oben definierten Sinne auch nicht nur die Vorgänge des Auffassens, Erkennens und Beurteilens, also die gedankliche Verarbeitung des Wahrgenommenen, subsumieren, die man heute – in strengerem Sinne – als Kognition bezeichnen würde. Hierzu gehört eine willentliche Zuwendung der Aufmerksamkeit. Die Perzeption im weiteren Sinne umfasst dagegen auch unbewusste und emotionale Vorgänge des Empfindens.

Begriffsgeschichte

Der Begriff wurde bereits in der Stoa zur Kennzeichnung einer klaren und unfehlbaren Wahrnehmung verwendet.[1] In der Neuzeit wurde der Begriff ursprünglich durch René Descartes als perceptio ab imaginatione et a sensibus (Erfassen durch Vorstellung und Sinne) verwendet. Im englischen Empirismus und Sensualismus bedeutete er sinnliche Wahrnehmung. So beinhalten Perzeptionen bei John Locke keine „zusammengesetzten Ideen“.[2] Bei George Berkeley findet sich die Formel esse est percipi (Sein ist Wahrnehmen), mit der das Seiende an die Wahrnehmung gebunden wird. In der Folge stellte Gottfried Wilhelm Leibniz der Apperzeption als dem klar und mit Selbstbewusstsein Wahrgenommenen die Perzeption als eine vage und unscharfe Vorstufe des Denkens gegenüber und unterschied darüber hinaus noch eine „kleine Perzeption“, die unmerklich ist und unter der Bewusstseinsschwelle bleibt. „Auf ihnen beruhen unsere unbestimmten Eindrücke, unser Geschmack, unsere Wahrnehmungsbilder der sinnlichen Qualitäten, welche alle in ihrem Zusammensein klar, jedoch ihren einzelnen Teilen nach verworren sind; auf ihnen beruhen die ins Unendliche gehenden Eindrücke, die die uns umgebenden Körper auf uns machen, und somit die Verknüpfung, in der jedes Wesen mit dem übrigen Universum steht. Ja man kann sagen, daß vermöge dieser kleinen Perzeptionen die Gegenwart mit der Zukunft schwanger geht und mit der Vergangenheit erfüllt ist, daß alles miteinander zusammenstimmt und daß Augen, die so durchdringend wären wie die Gottes, in der geringsten Substanz die ganze Reihenfolge der Bewegungen des Universums lesen könnten.“[3] Indem er Schlaf und Traum zum Thema machte, eröffnete Leibniz der Philosophie das Thema des Unbewussten.[4]

Bei Immanuel Kant ist die perceptio eine Unterart der Vorstellungen überhaupt (repraesentatio) und zwar solche mit Bewusstsein (KrV B 375). Innerhalb dieser sind Vorstellungen, bei denen sich der subjektive Zustand verändert, Empfindungen (sensatio). Objektive Perzeptionen sind bei Kant Erkenntnisse (cognitio). Als Apperzeption bezeichnete er hingegen das Bewusstsein seiner selbst. Eine erneute Wende des Begriffsinhalts ergibt sich bei Johann Friedrich Herbart, bei dem die Perzeption die Aufnahme des sinnlich Wahrgenommenen (bei Kant: Anschauung = intuitio) bezeichnete, während er Apperzeption die Aneignung und Verarbeitung nannte. Wilhelm Wundt schließlich verwendet die Metapher des Sehens zur Beschreibung der Wahrnehmung und unterscheidet die Perzeption als das Eintreten einer Vorstellung in das Blickfeld des Bewusstseins, während die Apperzeption der Eintritt in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit ist.[5] Im zwanzigsten Jahrhundert hat Alfred North Whitehead in Prozess und Realität eine zu Leibniz analoge Unterscheidung getroffen, indem er Wahrnehmungen im Modus „kausaler Wirksamkeit“ (causal efficacy) vage und unbestimmt nannte, wohingegen Wahrnehmungen im Modus „vermittelnder Unmittelbarkeit“ (presentational immediacy) klar und willentlich gesteuert erfolgen. Beide Formen der Wahrnehmung sind ein Teil des Erfassens (prehension) der Realität und erhalten ihre Bedeutung, indem sie unter Einschluss der subjektiven Vorgeprägtheit (subjective form) zu einer „symbolischen Referenz“ verbunden werden.[6]

Siehe auch

Literatur

  • W. Jahnke: Stichwort „Perzeption“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 9, Schwabe, Basel 1989

Einzelnachweise

  1. Cicero: De Finibus Bonorum et Malorum, V, 76
  2. John Locke: An Essay Concerning Humane Understanding, II 9 (of perception)
  3. Gottfried Wilhelm Leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, Einleitung
  4. Kurt Flasch: Kampfplätze der Philosophie: große Kontroversen von Augustin bis Voltaire, Klostermann, Frankfurt 2008, 308
  5. Wilhelm Wundt: Grundzüge der physiologischen Psychologie II, 235 ff.
  6. Erstmals hatte Whitehead das Konzept in Kulturelle Symbolisierung vorgestellt.

Weblinks

  • Friedrich Kirchner: Perzeption, in: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe (1907)

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