Arktische Anpassungskünstler



Bio-News vom 30.04.2018

Mikroalgen-Gemeinschaften in Küstengewässern bleiben unter variablen Umweltbedingungen produktiv

Sie sind die Grundlage des arktischen Nahrungsnetzes – und äußerst widerstandsfähig: Auch wenn das Wasser saurer wird und sich das Licht oder die Temperaturen ändern, scheinen verschiedene arktische Mikroalgen-Gemeinschaften ihre Produktivität und Artenzusammensetzung beizubehalten. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Alfred-Wegener-Instituts, die sie jetzt gemeinsam mit kanadischen Kollegen vorab online in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlichen. Doch ob sich die Nahrungsgrundlage von Robben, Walen und kommerziell genutzten Fischarten in der Arktis insgesamt dem globalen Wandel anpassen kann, bleibt weiter zu erforschen.

Mal permanente Dunkelheit unter meterdickem Eis, mal 24 Stunden Tageslicht; mal klares, salzhaltiges Meerwasser, mal trübes Süßwasser aus Flüssen; und das alles unter eisigen Temperaturen: Mikroalgen in arktischen Küstengewässern sind extremen und sehr variablen Umweltbedingungen ausgesetzt. Was große Herausforderungen sind, kann in Zeiten des globalen Wandels ein Vorteil sein. Denn dieses arktische Phytoplankton hat sich im Laufe der Evolution an variable Umweltbedingungen angepasst. Das ist eine mögliche Erklärung dafür, dass manche Mikroalgen-Gemeinschaften sich besser auf den globalen Wandel einstellen können als Gemeinschaften aus Regionen mit stabileren Umweltbedingungen, berichten Wissenschaftler um die Biologin Dr. Clara Hoppe vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

„Wir konnten zeigen, dass einige Mikroalgen als wichtigste arktische Primärproduzenten eine hohe Widerstandsfähigkeit haben. Sie reagieren zum Beispiel weniger stark auf Ozeanversauerung als wir es von Gemeinschaften aus dem Südpolarmeer oder den gemäßigten Breiten kennen“, sagt Clara Hoppe. Sie hatte in Experimenten mit natürlichen Phytoplankton-Gemeinschaften die Temperatur, das Lichtregime und den pH-Wert verändert und die Produktivität der Mikroalgen bestimmt. Die Ozeane versauern, weil durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Im Wasser reagiert das CO2 zu Kohlensäure und reduziert dessen pH-Wert, welcher beispielsweise auf zellulärer Ebene den Stoffwechsel und damit die Produktivität von Organismen beeinflussen kann.

In neun von zehn experimentellen Ansätzen blieb die Produktivität ähnlich. Nur bei dem Experiment mit der geringsten Temperatur von 1,8 Grad Celsius hatte eine zunehmende Versauerung abnehmende Produktivität zur Folge. Unter den anderen experimentellen Temperaturen zwischen 3 bis 8 Grad Celsius hatte Ozeanversauerung keine messbaren Auswirkungen für die ein bis dreiwöchigen Experimente. „Wir schlussfolgern, dass die Mikroalgen die mit sinkendem pH-Wert einhergehende höhere Protonendichte abpuffern können, solange die Temperaturen im richtigen Rahmen bleiben“, berichten die Autoren in der Studie.

Das generelle Vermögen des Phytoplanktons von Küstenregionen, auch bei stark variierenden Umweltbedingen produktiv zu bleiben, führt das Wissenschaftsteam auf verschiedene Mechanismen zurück. Zum einen scheinen die einzelnen Mikroalgen sehr flexibel mit verschiedenen Umweltbedingungen umgehen zu können, wie das AWI-Team in weiteren Laborexperimenten zeigen konnte. Zum anderen bilden viele Kieselalgenarten Sporen, die am Meeresboden mehrere Jahre überdauern können. Sind die Umweltbedingungen für bestimmte Sporen vorteilhaft, entwickeln sich die Mikroalgen und können Planktonblüten bilden. Damit existiert eine Art Saatbank mit hoher inner- und zwischenartlicher Diversität, wodurch es für viele Kombinationen an Umweltbedingungen Algenarten oder Stämme gibt, die damit besonders gut zurechtkommen.

„Die Primärproduktion in der Arktis ist eine wichtige Ökosystemleistung, von der auch zunehmend kommerziell bedeutsam werdende Fischgründe abhängen werden. Wir konnten zeigen, dass im Laborversuch die Produzenten überraschend widerstandsfähig gegenüber der bis zum Ende des Jahrhunderts zu erwartenden Ozeanversauerung sind – ein gute Nachricht!“ freut sich AWI-Biologin Clara Hoppe. Trotzdem sei es wichtig, die Grenzen und Kosten dieser Resistenz zu verstehen, wozu ihre Studie einen wichtigen Beitrag leiste. Ob die Ergebnisse erlauben, Aussagen für das komplexe Nahrungsnetz in der Natur zu treffen, bleibt weiter zu untersuchen.

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