Arme zwischen Chromosomen mit molekularer Schere ausgetauscht



Bio-News vom 26.05.2020

Wie ein feines chirurgisches Instrument arbeitet die molekulare Schere CRISPR/Cas, mit der sich genetische Informationen in Pflanzen verändern lassen. Forscherinnen und Forschern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben ist es nun erstmals gelungen, mit der CRISPR/Cas-Technologie nicht nur einzelne Gene auszutauschen, sondern ganze Chromosomen neu zusammenzusetzen. Dies ermöglicht, gewünschte Eigenschaften in Kulturpflanzen zu kombinieren.

Seit Jahrtausenden machen sich die Menschen die Tatsache zunutze, dass sich das Erbgut von Lebewesen durch die Evolution verändert: Sie züchten Kulturpflanzen, die möglichst ertragreich, aromatisch sowie widerstandsfähig gegen Krankheiten, Schädlinge und extreme klimatische Bedingungen sein sollen. Dazu wählen sie traditionell Pflanzen mit verschiedenen vorteilhaften Eigenschaften aus und kreuzen sie miteinander. Dieses Vorgehen ist allerdings langwierig; außerdem lässt es sich dabei nicht vermeiden, dass auch nachteilige Merkmale in die Pflanzen gelangen.

Wie sich Pflanzenzüchtung schneller und genauer betreiben lässt, erforscht der Molekularbiologe Professor Holger Puchta am KIT in seinem Projekt CRISBREED, für das er vom Europäischen Forschungsrat einen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro erhalten hat. Holger Puchta gilt als Pionier des Genome Editing. Er setzt molekulare Scheren ein, mit denen sich die DNA (Desoxyribonukleinsäure), der Träger der genetischen Information, in Pflanzen gezielt verändern lässt. Mit dieser CRISPR/Cas-Methode ist es möglich, Gene einfach zu entfernen, einzufügen oder auszutauschen. Die Bezeichnung CRISPR/Cas steht für einen bestimmten Abschnitt auf der DNA (CRISPR steht kurz für engl. Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) sowie ein Enzym (Cas), das diesen Abschnitt erkennt und die DNA genau dort schneidet. In den durch Genome Editing entstandenen Pflanzen findet sich letztlich keine fremde DNA; daher sind sie nicht mit klassisch gentechnisch veränderten Organismen gleichzusetzen.

Erstmals Arme zwischen Chromosomen ausgetauscht

In CRISBREED haben Forscherinnen und Forscher vom Lehrstuhl Molekularbiologie und Biochemie am Botanischen Institut des KIT unter Leitung von Professor Holger Puchta nun gemeinsam mit Professor Andreas Houben vom IPK in Gatersleben einen entscheidenden Fortschritt beim Einsatz der molekularen Schere CRISPR/Cas erzielt: Sie haben an der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) mithilfe des aus dem Bakterium Staphylococcus aureus stammenden Proteins Cas9 erstmals Arme, also Teile des Einzelstranges, zwischen Chromosomen ausgetauscht. „Das Genom besteht ja aus einer bestimmten Zahl von Chromosomen, auf denen in festgelegter Reihenfolge die einzelnen Gene angeordnet sind“, erklärt Puchta. „Bisher ließen sich mit CRISPR/Cas nur Veränderungen in einzelnen Genen erreichen. Nun können wir ganze Chromosomen verändern und neu zusammensetzen.“ Diese neuartigen Chromosomen werden wiederum normal vererbt.


Blüten der Acker-Schmalwand, eines beliebten Modellorganismus in der Forschung

Publikation:


Natalja Beying, Carla Schmidt, Michael Pacher, Andreas Houben, and Holger Puchta
CRISPR/Cas9-mediated induction of heritable chromosomal translocations in Arabidopsis

Nature Plants, 2020

DOI: 10.1038/s41477-020-0663-x



Für die Pflanzenzüchtung versprechen die nun in der Zeitschrift Nature Plants vorgestellten Ergebnisse wesentliche Vorteile: Die positiven Eigenschaften zu kombinieren und zugleich die negativen zu eliminieren, ist grundsätzlich schwierig, weil die entscheidenden Gene häufig ganz nah beieinander auf demselben Chromosom liegen und zusammen vererbt werden. Durch den Austausch von Armen zwischen Chromosomen lassen sich die Eigenschaften nun trennen. „Wir haben nun die Möglichkeit, die Veränderung von Chromosomen gerichtet zu steuern und Verknüpfungen zwischen Merkmalen gezielt zu festigen oder aber zu lösen“, erläutert Puchta. „In Zukunft wird diese kontrollierte Umstrukturierung des Genoms die Pflanzenzüchtung revolutionieren.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Karlsruher Instituts für Technologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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