Ausgrabungen zeigen das Leben der frühesten Homo sapiens in Europa



Bio-News vom 13.09.2022

Archäologische Funde in Rumänien offenbaren eine mögliche „Projektilwerkstatt“ des frühen modernen Menschen. Diese könnten belegen, wie sich seine Strategien in Bezug auf materielle Lebensgrundlagen im Vergleich zum Neandertaler verändert haben.

Neue Forschung gibt Einblicke in das Leben und die handwerklichen Fähigkeiten der ersten modernen Menschen in Europa vor etwa 40.000 Jahren und ermöglicht einen Einblick in die Anpassung des Homo sapiens an seine Umwelt auf dem neu besiedelten Kontinent. Die Studie, die im Fachjournal Nature: Scientific Reports veröffentlicht wurde, berichtet über jüngste Ausgrabungen in Româneşti im Westen Rumäniens.


Beispiele von Artefakten des Aurignacien, hier aus Krakau, Polen

Publikation:


Chu, W., McLin, S., Wöstehoff, L. et al.
Aurignacian dynamics in Southeastern Europe based on spatial analysis, sediment geochemistry, raw materials, lithic analysis, and use-wear from Românești-Dumbrăvița

Sci Rep 12, 14152 (2022)

DOI: 10.1038/s41598-022-15544-5



Publikation:


Falcucci A, Conard NJ, Peresani M
A critical assessment of the Protoaurignacian lithic technology at Fumane Cave and its implications for the definition of the earliest Aurignacian
PLoS ONE 12(12): e0189241 (2017)

Hier liegt eine der wichtigsten Fundstellen von Artefakten in Südosteuropa, die von den frühesten modernen Menschen stammen. Die Ausgrabung wurde von dem Archäologen Dr. Wei Chu von der Universität zu Köln und der Universität Leiden geleitet, mit Beiträgen von Dr. Jacopo Gennai von der Universität zu Köln und der Universität Pisa.

In Südosteuropa wurden schon in der Vergangenheit viele Fossilien des frühen Homo sapiens gefunden – vermutlich, weil erste Gruppen zuerst über die Balkanhalbinsel auf den Kontinent kamen. Dennoch wurden nur wenige Fossilien des Homo sapiens zusammen mit kulturellen Gegenständen gefunden. Die zahlreichen Artefakte, die in Româneşti bislang gefunden wurden, sind ein wichtiges Fenster um nachzuvollziehen, wie die ersten europäischen Homo sapiens in ihrer neuen Umgebung zurechtkamen.


Karte von Ausgrabungsorten mit Protoaurignacien-Schichten oder Schichten, die zeitlich und räumlich mit dem Protoaurignacien verwandt sind: 1 = La Viña (Spanien), 2 = Morin (Spanien), 3 = Labeko Koba (Spanien), 4 = Isturitz (Frankreich), 5 = Champ-Parel (Frankreich), 6 = Barbas III (Frankreich), 7 = Hui (Frankreich), 8 = Les Cottés (Frankreich), 9 = Piage (Frankreich); 10 = Tuto-de-Camalhot (Frankreich), 11 = Arbreda (Spanien), 12 = Esquicho-Grapaou (Frankreich), 13 = Louza (Frankreich), 14 = Arcy (Frankreich), 15 = Mandrin (Frankreich), 16 = Trou de la Mère Clochette (Frankreich), 17 = Observatoire (Frankreich), 18 = Mochi (Italien), 19 = Bombrini (Italien), 20 = Geißenklösterle (Deutschland), 21 = La Fabbrica (Italien), 22 = Fumane (Italien), 23 = Castelcivita (Italien), 24 = Willendorf II (Österreich), 25 = Peskő (Ungarn), 26 = Tincova (Rumänien), 27 = Româneşti (Rumänien), 28 = Kozarnika (Bulgarien), 29 = Siuren I (Halbinsel Krim, Ukraine)

Das Forschungsteam fand zahlreiche Gegenstände die darauf hindeuten, dass in Româneşti hochgradig standardisierte Klingen aus behauenem Stein hergestellt wurden, die vermutlich als Einsätze für Pfeile oder Speere dienten. Außerdem sind anscheinend bestimmte Schleifsteine zum Richten von Holzschäften verwendet worden. Das deutet darauf hin, dass Româneşti eine Art Projektilwerkstatt war. Mikroskopische Analysen der Oberflächen der Artefakte stützen diese These, denn sie zeigen, dass die meisten von ihnen nie benutzt wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Stätte zur Herstellung für Werkzeuge genutzt wurde, die später an einen anderen Ort transportiert wurden.

Româneşti muss ein wichtiger Ort in der Umgebung gewesen sein, denn die Forschenden fanden Tausende von Artefakten, von denen einige aufgrund ihrer geochemischen Zusammensetzung aus über 300 km Entfernung an den Fundort gebracht worden sein müssen. Auch existieren Belege für die Nutzung von Feuer vor Ort. Das zeigt, dass frühe Homo sapiens in der Gegend immer wieder an diesen Ort zurückkehrten.

Die neuen Ausgrabungen in Româneşti belegen darüber hinaus, dass sich die Lebensweise des Homo sapiens im Vergleich zum Neandertaler verändert hatte, was seinen Erfolg erklären könnte. „In der Umgebung gefundene Fossilien aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass sich Homo sapiens und Neandertaler gekreuzt haben. Wir wissen aber noch nicht, wie sich dadurch ihre jeweilige Lebensweise verändert hat und wie sich das in ihren archäologischen Überresten zeigt“, sagte Dr. Jacopo Gennai vom Archäologischen Institut der Universität Köln. „Der nächste Schritt ist der Versuch, die Beziehung zwischen diesen frühen Homo sapiens und den früheren Neandertalern zu klären.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität zu Köln via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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