CRISPR-Cas: Gen-Hemmung statt Gen-Schere



Bio-News vom 29.09.2022

Passt, auch ohne zu schneiden: Das Bodenbakterium Pseudomonas oleovorans nutzt ein natürliches CRISPR-Cas-System, das zur Steuerung der Genaktivität taugt. Das berichtet eine Forschungsgruppe aus Biologie und Chemie, die den letzten bislang kaum beschriebenen Typus bakterieller CRISPR-Cas-Systeme charakterisiert hat.

CRISPR-Cas-Anwendungen dienen seit wenigen Jahren zur gezielten Veränderung der Erbsubstanz DNA; im Jahr 2020 erhielten die Molekularbiologinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna den Nobelpreis für Medizin und Physiologie für die Entdeckung des „Genome Editing“ mittels CRISPR-Cas. „Ursprünglich kommen CRISPR-Cas-Systeme in Mikroorganismen vor, die sich damit gegen eingedrungene DNA oder RNA zur Wehr setzen, insbesondere gegen Viren“, erläutert der Marburger Genetiker Professor Dr. Lennart Randau, der die Forschungsarbeit leitete. „Bislang unterscheidet die Wissenschaft sechs Typen von CRISPR-Cas-Systemen.“


Wenn das System nicht als Schere dient, welche Funktion erfüllt es stattdessen?

Publikation:


Guo, X., Sanchez-Londono, M., Gomes-Filho, J.V. et al.
Characterization of the self-targeting Type IV CRISPR interference system in Pseudomonas oleovorans

Nat Microbiol (2022)

DOI: 10.1038/s41564-022-01229-2



Die meisten dieser Systeme bestehen aus gut charakterisierten Molekülen; lediglich Typ IV gab bislang noch Rätsel auf, die seine naturwüchsige Aktivität in Bakterienzellen betreffen. „Übersichtsarbeiten über CRISPR-Cas-Systeme enthalten in der Regel nur Fragezeichen, wenn es um die grundlegenden Eigenschaften von Typ IV geht“, erläutert der Marburger Genetiker Xiaohan Guo, der seine Doktorarbeit in Randaus Labor anfertigt und als einer der Erstautoren der aktuellen Veröffentlichung firmiert.


Schleust man das Typ IV CRISPR-Cas-System Typ IV von Pseudomonas oleovorans in das Laborbakterium Escherichia coli ein, so lässt sich durch Verfärbung der Bakterienkolonien die Aktivität des CRISPR-Cas-Systems verfolgen.

Wie funktioniert Typ IV in seiner natürlichen Umgebung in der Bakterienzelle, für welche Aufgabe ist das System angelegt? Wie ist das Ausgangsmaterial beschaffen, an dem es ansetzt: Besteht das Substrat aus doppelsträngiger DNA, aus DNA-Einzelsträngen oder aus RNA? Schneidet das CRISPR-Cas-System dieses Substrat? Nutzt es hierzu eine bekannte Erkennungssequenz, an das es koppelt?

Um der Beantwortung dieser Fragen näher zu kommen, nahmen Randau und sein Team das CRISPR-Cas-System von Typ IV eines weit verbreiteten Bakteriums unter die Lupe, nämlich Pseudomonas oleovorans. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgten die Aktivität des CRISPR-Cas-Systems im ursprünglichen Wirt, verpflanzten es aber auch in das Bakterium Escherichia coli, das besonders gut zugänglich für Laborexperimente ist.



Das Team fand heraus, dass Typ IV auf doppelsträngige DNA als Substrat zielt. Das CRISPR-Cas-System benötigt eine wohldefinierte Erkennungssequenz, die man auch von den anderen Typen kennt. Es schneidet die DNA jedoch nicht.

Wenn das System nicht als Schere dient, also eingedrungenes Erbmaterial nicht zerschneiden kann – welche Funktion erfüllt es stattdessen? Wie die Forschungsgruppe feststellte, taugt Typ IV-CRISPR-Cas eher dazu, die Aktivität der eigenen Pseudomonas-Gene zu kontrollieren.

„Im Vordergrund des Manuskripts steht unsere Entdeckung, dass ein Teil des CRISPR-Cas-Systems perfekt zu einer Zielsequenz im Genom von Pseudomonas passt“, führt Randaus Doktorandin Mariana Sanchez-Londono aus, die sich mit Xiaohan Guo die Erstautorenschaft teilt. Aus ihrem Befund leiten die Autorinnen und Autoren ein Funktionsmodell ab: Demzufolge legen sich die zueinander passenden Abschnitte aneinander, so dass die Bakterien-DNA an dieser Stelle nicht abgelesen und umgesetzt werden kann.

Entfernt man den entsprechenden Abschnitt künstlich aus dem CRISPR-Cas-System, so blockiert er das Gegenstück im Bakteriengenom nicht, was zu einer verstärkten Aktivierung des Gens an dieser Stelle führt. „Es handelt sich um eine Art natürliches Werkzeug, um die Genaktivität stillzulegen“, schlussfolgert Randau.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Philipps-Universität Marburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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