Die Vielfalt ökologischer Funktionen auf Meeresinseln sinkt



Bio-News vom 12.11.2021

Die Artenvielfalt von Ökosystemen hat sich weltweit unter dem Einfluss des Menschen stark verändert. Ein Forschungsteam hat diese Prozesse am Beispiel von Vögeln auf Ozeaninseln untersucht. Die Studie zeigt: Die Zahl gebietsfremder Arten, die sich neu ansiedeln, ist oft höher als die Zahl der unter anthropogenen Einflüssen ausgestorbenen Arten. Doch können die zugewanderten Arten die diversen ökologischen Funktionen ausgestorbener Arten nicht in vollem Umfang ersetzen. Einheimischer Artenschwund bewirkt daher langfristig eine Vereinheitlichung von Ökosystemen und ihrer Funktionen.

Die neue Studie ist aus einer engen Zusammenarbeit von Prof. Dr. Manuel Steinbauer mit Forschungspartnern in Schweden und Großbritannien hervorgegangen. Insgesamt hat das Team durch Untersuchungen an Fossilien und lebenden Tieren Daten von 1.302 Vogelarten auf neun Archipelen gewinnen können. Davon sind 265 Arten heute zumindest auf diesen Inseln ausgestorben. 143 Arten sind als ursprünglich gebietsfremde Arten eingewandert und allmählich heimisch geworden. Auf den Bermuda-Inseln, auf Hawaii und St. Helena übertrifft ihre Zahl deutlich die der ausgestorbenen Arten. Auf den Kanareninseln, Kuba und Jamaica sowie auf Neukaledonien verhält es sich dagegen genau umgekehrt. Ein nur leichtes Übergewicht gegenüber den eingewanderten Arten haben die ausgestorbenen Arten auf Madagaskar, den Maskarenen und Neuseeland. „Hinsichtlich der genauen Zahl ausgestorbener Arten bestehen allerdings weiterhin Wissenslücken. Auf fast allen Inseln dürften insbesondere auch durch den Einfluss des Menschen zahlreiche Arten ausgestorben sein, von denen wir bislang noch nicht wissen“, sagt Steinbauer.


Rotohrbülbül (Pycnonotus jocosus), der sich unter anderem auf Hawaii und den Maskareneninseln angesiedelt hat.

Publikation:


Ferran Sayol et al.
Loss of functional diversity through anthropogenic extinctions of island birds is not offset by biotic invasions

Science Advances (2021)

DOI: 10.1126/sciadv.abj5790



Die unterschiedlichen quantitativen Befunde wurden nun abgeglichen mit den ökologischen Funktionen der Vogelarten. Hierzu zählen beispielsweise die Form und Länge des Schnabels oder die Flugfähigkeit. Das Ergebnis: Die meist durch den Menschen verursachte Zuwanderung neuer Vogelarten, die an die Stelle ausgestorbener Arten treten, führt dazu, dass die Vogelwelt auf den Meeresinseln in funktionaler Hinsicht weniger ausdifferenziert ist. Die ursprüngliche Vielfalt ökologischer Funktionen weicht dem Trend zur Vereinheitlichung. Zahlreiche Funktionen, die einige der mittlerweile ausgestorbenen Arten durch Anpassungen an spezifische Inselgegebenheiten entwickelt haben, sind verloren gegangen. Sie konnten durch neue gebietsfremde Arten nicht oder allenfalls nur teilweise ersetzt werden.

Steinbauer war federführend an der Konzeptionierung der auf umfangreichen Datenmengen aufbauenden Studie beteiligt. „Aus den weltweit vorliegenden empirischen Daten zum Aussterben und zur Etablierung von Arten sowie den neuen Möglichkeiten in der Datenanalyse und Modellierung ergeben sich faszinierende Einblicke in die Dynamiken der Artenvielfalt“, sagt der Bayreuther Ökologe, der sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten intensiv mit der Biodiversität auf Meeresinseln und ihrer Geschichte befasst hat. Gemeinsam mit Forschungspartnern in Oxford, London und Göteborg ist er erstmals der bisher völlig ungeklärten Frage nachgegangen, ob die globale Mobilität von Arten die ökologischen Folgen des vom Menschen verursachten Artenschwunds ausgleichen kann.

„Die Ökosysteme der von uns ausgewählten ozeanischen Inseln haben eine hohe Zahl von endemischen Vogelarten hervorgebracht, also von Arten, die in keiner anderen Region der Erde heimisch sind. Zugleich haben sich hier, vom Menschen wiederum gefördert, viele Vogelarten neu angesiedelt. Daher lässt sich auf diesen Inseln besonders gut beobachten, wie sich die Kombination von Artenverlust und Etablierung neuer Arten auswirkt“, erläutert Steinbauer.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bayreuth via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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