Fortpflanzung: Wie Fliegenmännchen ihre Interessen zulasten der Weibchen durchsetzen



Bio-News vom 11.04.2019

Bei der Paarung entwickeln sowohl Männchen als auch Weibchen mitunter kreative Strategien, um ihre Interessen zu verfolgen. Forscher der Universitäten Münster und Lausanne haben nun herausgefunden: Männliche Fruchtfliegen manipulieren ihre Partnerinnen vor allem, um ihre eigenen Chancen im Fortpflanzungswettbewerb zu steigern. Die Studie ist im Journal „PNAS“ erschienen.

Die Fortpflanzung als grundlegender biologischer Prozess kann bei verschiedenen Tierarten sehr unterschiedlich aussehen. Sowohl Männchen als auch Weibchen entwickeln mitunter kreative Strategien, um ihre Interessen bei der Paarung zu verfolgen. Das zeigt sich schon bei den kleinsten Tierarten wie der Fruchtfliege Drosophila melanogaster – hier nehmen die Fliegenweibchen über die Samenflüssigkeit des Männchens Proteine auf, was nach der Paarung zu radikalen Veränderungen ihres Verhaltens und ihrer Vorgänge im Körper führt: Sie steigern ihre Aktivität, reduzieren ihre sexuelle Bereitschaft und kurbeln ihr Immunsystem an.

Dass solche Vorgänge nicht immer für beide Geschlechter gleichzeitig von Vorteil sind, ist schon länger bekannt. Forscherinnen und Forscher aus Münster und Lausanne haben sich nun genauer angesehen, welche Mechanismen sich evolutionär verändern, wenn es keine Interessenkonflikte zwischen den Geschlechtern gibt, also die Wettbewerbssituation zwischen den Männchen ausgeschaltet ist. Das Ergebnis: Männliche Fliegen produzieren weniger Proteine in ihrer Samenflüssigkeit, die das Verhalten der Weibchen verändern. Demnach manipulieren Fliegenmännchen ihre Partnerinnen vor allem, um ihre eigenen Chancen im Fortpflanzungswettbewerb zu steigern – als Nebeneffekt haben Weibchen dagegen häufig sogar gesundheitliche Nachteile. „Mit der aktuellen Studie bestätigen wir eine seit langem bestehende Theorie“, sagt Evolutionsbiologin Dr. Claudia Fricke, Forschungsgruppenleiterin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Studie ist in der Fachzeitschrift „PNAS“ (Proceedings of the National Academy of Sciences) erschienen.


Fruchtfliegen der Art Drosophila melanogaster bei der Paarung

Publikation:


B. Hollis et al.
Sexual conflict drives male manipulation of female postmating responses in Drosophila melanogaster
PNAS

DOI: 10.1073/pnas.1821386116



Hintergrund und Methode:
Um herauszufinden, inwiefern die unterschiedlichen Interessen der Geschlechter in der Evolution der Fruchtfliegen eine Rolle spielen, ließen die Wissenschaftler jeweils einzelne Paare über Generationen hinweg monogam leben – entgegengesetzt ihres normalen "Ehemodells". Dabei paarten sich jeweils nur ein Weibchen und ein Männchen, wodurch das Männchen nur so viele Nachkommen erhielt, wie seine Partnerin Eier legen konnte. In einer zweiten Gruppe paarten sich fünf Männchen und fünf Weibchen frei untereinander. Dieser für Fruchtfliegen normale polygame Lebensstil schaffte naturgemäß eine evolutionäre Konkurrenzsituation. Die Gesamtpopulationen waren in beiden Gruppen allerdings gleich groß.

Nach 150 Generationen und zehn Jahren sexueller Selektion verglichen die Forscher das Verhalten und die Physiologie der Fliegen beider Gruppen. Es zeigte sich, dass polygam lebende Weibchen in den ersten Tagen nach der Befruchtung ein Drittel mehr Eier legten als diejenigen, die in einer Umgebung mit nur einem Partner gelebt hatten. Außerdem waren die Weibchen, die sich mit einem polygam lebenden Männchen gepaart hatten, deutlich unruhiger, was eine Aufzeichnung der Bewegungsmuster zeigte. Für beide Verhaltensweisen sind die männlichen Proteine verantwortlich, die das Weibchen bei der Paarung aufnimmt.

Warum ist das für die Männchen von Vorteil? Da weibliche Fliegen in der Lage sind, den Samen von mehreren Partnern zu speichern und ihn mehr als eine Woche lang zur Befruchtung ihrer Eier zu verwenden, setzt das erste Männchen, mit dem sich die weibliche Partnerin paart, alles daran, dass sie möglichst schnell möglichst viele Eier legt und sich nicht mit anderen vermehrt. Dies gehe zulasten des Weibchens, betonen die Wissenschaftler, das davon abgebracht wird, Kräfte zu sparen und sich über einen längeren Zeitraum fortzupflanzen. Das zeigte sich auch in der Studie: „Weibchen, die mit polygamen Männchen zusammen waren, starben doppelt so häufig innerhalb von ein paar Stunden nach der Paarung wie Weibchen aus monogamen Beziehungen“, sagt Laurent Keller, der wie sein Kollege Brian Hollis vonseiten der Universität Lausanne an der Studie beteiligt war.

In einem weiteren Schritt lasen die Wissenschaftler die Gene der Fliegenweibchen nach der Paarung mithilfe von Genexpressionsanalysen aus. Sie maßen die Häufigkeit der für die Fortpflanzung wichtigen Gene im Unterleib und im Gehirn der Weibchen – also den Organen, die für die Produktion von Eiern und Hormonen sowie für die Verhaltensänderungen verantwortlich sind. Die Wissenschaftler entdeckten, dass bei Weibchen, die monogam lebten, diese Fortpflanzungsgene weniger stark exprimiert wurden, also weniger stark vorkamen.

Das deckte sich mit den Untersuchungen der Männchen. Ohne die Konkurrenzsituation wurden bei monogamen Männchen diejenigen Gene viel weniger exprimiert, die Proteine codieren, mit denen Weibchen nach der Paarung letztlich manipuliert werden können.

In folgenden Studien wollen die Forscher weitere Gene identifizieren, die in diesem Prozess sowohl bei den Fruchtfliegenweibchen als auch bei den Männchen eine Rolle spielen. Die generellen Prinzipien der Beobachtung dürften auch auf andere Insektenarten mit einem ähnlichen Paarungssystem übertragbar sein.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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