In Deutschland Gewinner und Verlierer: Libellen



Bio-News vom 18.06.2021

In den letzten 35 Jahres hat sich die Verteilung der Libellenarten in Deutschland stark verändert. So wurden Rückgänge vor allem bei Arten an stehenden Gewässern verzeichnet. Zuwächse gab es hingegen bei Libellen, die an Fließgewässern leben und wärmere Temperaturen bevorzugen. Die Studie unterstreicht die Bedeutung von Bürgerwissenschaften und Naturkundegesellschaften für die Datenerhebung sowie von Naturschutzmaßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität.

Deutschland ist das Land mit den meisten Libellenarten in Europa, was vor allem an der Vielfalt von Lebensräumen und Klimata hierzulande liegt. Während viele aktuelle und vor allem lokal angelegte Studien auf einen langfristigen Rückgang der Insektenpopulationen in verschiedenen Teilen Europas hinweisen, zeigen Untersuchungen der Frischwasserinsekten – einschließlich der Libellen – bei einigen Arten einen gegensätzlichen Trend. Forschende von iDiv, FSU und UFZ haben nun eine landesweite Untersuchung des Vorkommens und der Verbreitung von Libellen in Deutschland vorgestellt, die sich auf den Zeitraum von 1980 bis 2016 bezieht. Dafür analysierten sie über eine Million Dateneinträge zum Vorkommen von 77 Arten aus verschiedenen regionalen Datenbanken. Die meisten Daten wurden von ehrenamtlichen Bürgerwissenschaftlern gesammelt und von der Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) zusammengeführt.


Die Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) halt sich vor allem an Flüssen und Bächen auf. Ihr Bestand hat seit 1980 in Deutschland zugenommen, was eine Erholung von früherer Wasserschmutzung zeigt.

Publikation:


Diana E. Bowler, David Eichenberg, Klaus-Jürgen Conze, Frank Suhling, Kathrin Baumann, Theodor Benken, André Bönsel, Torsten Bittner, Arne Drews, André Günther, Nick J.B. Isaac, Falk Petzold, Marcel Seyring, Torsten Spengler, Bernd Trockur, Christoph Willigalla, Helge Bruelheide, Florian Jansen, Aletta Bonn
Winners and losers over 35 years of dragonfly and damselfly distributional change in Germany

Diversity and Distributions

DOI: 10.1111/ddi.13274



Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten sowohl Zu- als auch Abnahmen fest. Besorgt zeigen sie sich über den Rückgang bei Arten, die an stehenden Gewässern leben. Abnahmen wurden bei 29 % aller Libellenarten festgestellt. Besonders betroffen sind dabei die Arten, die kühlere Temperaturen und stehende Gewässer wie Sümpfe und Moore bevorzugen. Viele dieser Arten sind bereits gefährdet. Sie sind auf kleine oder flache Gewässer angewiesen, die durch Trockenheit und niedrige Grundwasserspiegel immer seltener werden. „Diese Arten leiden sehr unter dem Rückgang ihres Lebensraumes. Hier sehen wir noch immer große Herausforderungen für den Schutz und Erhalt dieser Habitate“, sagt Erstautorin Dr. Diana Bowler von iDiv, FSU und UFZ.

Die Studie legt nahe, dass vor allem Libellenarten, die an kühlere Temperaturen und stehende Gewässer angepasst sind, durch weitere Umweltveränderungen einschließlich den Klimawandeln besonders gefährdet sind.


Die Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae) bevorzugt stehende Gewässer wie Moore. Die Art ist in Deutschland von einem starken Rückgang betroffen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen Zuwächse beim Vorkommen von 45 % aller Libellenarten, größtenteils handelt es sich dabei um wärmeliebende Arten. „Bislang seltene Arten wie die Feuerlibelle und das Kleine Granatauge sind mittlerweile in Deutschland viel häufiger geworden“, meint Diana Bowler. „Diese Arten bevorzugen wärmere Temperaturen, ihre Zuwächse in Deutschland liegen also höchstwahrscheinlich am langfristigen Klimawandel.“

Unter den Gewinnern sind auch Arten an Fließgewässern, was auf erste Erfolge entsprechender Schutzmaßnahmen hindeutet, die durch besseres Umweltmanagement erzielt wurden. „Die Zuwächse bei diesen Arten zeigen eine Erholung von den Auswirkungen früherer Wasserverschmutzung und der fast vollständigen Zerstörung natürlicher Flussauen“, sagt Klaus-Jürgen Conze, Vorsitzender der GdO. In Deutschland wurden erste Projekte zur Verbesserung der Frischwasserqualität und zum Schutz von Fließgewässern bereits in den 1990ern ins Leben gerufen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wurde im Jahr 2000 verabschiedet.



Diese Studie wurde u.a. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT 118) im Rahmen des Projektes “sMon - Biodiversitätstrends in Deutschland” gefördert. sMon ist ein iDiv-Syntheseprojekt mit dem Ziel, exemplarische Datensätze zu verschiedenen Taxa und Habitaten zusammenzuführen und die Möglichkeiten und Grenzen für die Analyse von Biodiversitätsveränderungen auszuloten. Darauf aufbauend sollen Perspektiven für zukünftige Monitoring-Programme in Deutschland abgeleitet werden. sMon bringt Vertreterinnen und Vertreter der Landesämter aller Bundesländer, Mitglieder verschiedener Fachgesellschaften sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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