Mikro trifft auf Nano
Bio-News vom 19.07.2023
Wie neue Sequenzierungsmethoden die RNA-Geheimnisse extremer Mikroorganismen lüften: Regensburger Forschende entschlüsseln die schrittweise Ribosomen-Biosynthese in Archaeen.
Archaeen sind mikroskopisch kleine Lebensformen, die neben Bakterien und Eukaryoten (einschließlich Menschen und Tieren) zu den drei Hauptformen des Lebens auf unserem Planeten zählen. Sie wurden erst Ende des letzten Jahrhunderts entdeckt und sind bekannt dafür, dass sie unter extremen Lebensbedingungen an Orten überleben, die wir normalerweise als lebensfeindlich betrachten.
Publikation:
Felix Grünberger, Michael Jüttner, Robert Knüppel, Sébastien Ferreira-Cerca, and Dina Grohmann
Nanopore-based RNA sequencing deciphers the formation, processing, and modification steps of rRNA intermediates in archaea
RNA 29: 1255-1273 (2023)
Neuere Studien deuten zudem auf eine enge Evolutionsgeschichte von Archaeen und Eukaryoten hin, die sie als unsere nahen Verwandten positionieren. Die Biologie der Archaeen und ihre Rolle in ökologischen Kreisläufen sind bisher jedoch nur unzureichend verstanden.
Seit vielen Jahren sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Mikrobiologie, dem auch das einzigartige deutsche Archaeenzentrum angegliedert ist, in der Erforschung dieser ungewöhnlichen Organismen weltweit führend. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift RNA veröffentlichten Studie, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun eine innovative Einzelmolekül-Sequenzierungsmethode namens Nanopore-Sequenzierung verwendet, um einen wichtigen Biosyntheseweg zu entschlüsseln, der für das Überleben dieser Spezialisten unerlässlich ist.
Die Nanopore-Sequenziertechnik, die eine detaillierte Analyse von sehr langen Sequenzabschnitten von DNA- und auch RNA-Molekülen erlaubt, wurde nun von den Teams von Prof. Dr. Dina Grohmann (Universität Regensburg) und Dr. Sébastien Ferreira-Cerca, (seit Februar 2023 an École Polytechnique de Paris und vorher ebenfalls an der Universität Regensburg), genutzt, um die Reifung ribosomaler RNA (rRNA) in drei verschiedenen Modellarchaeen zu untersuchen. Diese Technologie ist so klein, dass sie in eine Hosentasche passt, und ermöglicht kostengünstige Experimente sogar außerhalb des Labors. Damit spielte sie auch eine entscheidende Rolle bei der Entschlüsselung zahlreicher Genome des SARS-Virus.
Dr. Felix Grünberger, der sich auf moderne Hochdurchsatz-Sequenziertechniken spezialisiert hat und mit seiner experimentellen und bioinformatischen Expertise das Projekt maßgeblich gestaltet hat, bezeichnet diese Technik als „revolutionär und unmittelbar entscheidend für die neuen Erkenntnisse unserer Studie“. Die Regensburger Forschenden gehörten zu den ersten Laboratorien, welche die Nanopore Methode in der Mikrobiologie zur Sequenzierung von RNA eingesetzt haben und wurden für ihre methodischen Entwicklungen im Jahr 2023 bereits mit dem Publikationspreis des Wissenschaftsjournals RNA ausgezeichnet.
Jetzt hat das Team die Technik genutzt, um die Reifung des Ribosoms zu studieren. Das Ribosom ist eine komplexe makromolekulare Maschine, bestehend aus ribosomaler RNA und ribosomalen Proteinen, die an der Entschlüsselung der genetischen Information beteiligt ist. Als solches ist das Ribosom eine Schlüsselkomponente der Genexpression und des zellulären Lebens. Durch die Untersuchung des ribosomalen RNA-Reifungsweges von drei verschiedenen Archaeen mit unterschiedlichen extremen Lebensstilen konnten die Forschenden Einblicke in die gemeinsamen und Organismus-spezifischen Schritte der rRNA-Reifung gewinnen. Sie konnten außerdem Informationen über die Dekoration der RNA-Moleküle mit zusätzlichen chemischen Seitenketten, den sogenannten RNA-Modifikationen, erhalten, von denen bekannt ist, dass sie die Funktion der Translationsmaschinerie verfeinern.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die ribosomale RNA-Reifung effizienter untersucht werden kann, indem multidimensionale Informationen wie Prozessierungs- und RNA-Modifikationsereignisse in einem einzigen Experiment durchgeführt werden und daher auch Organismen studiert werden können, die unter normalen Laborbedingungen bekanntermaßen schwer zu kultivieren sind. Aufgrund ihrer Einfachheit könnte die entwickelte Technologie und methodische Pipeline dazu beitragen, die Biodiversität der (ribosomalen) RNA-Reifung über alle Domänen des Lebens hinweg zu erforschen und gemeinsame Merkmale und zelluläre Anpassungen der (ribosomalen) RNA-Reifung aufzudecken.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Regensburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.