Neuer Ansatz für eine biologische Programmiersprache



Bio-News vom 23.06.2020

Neue Erkenntnisse von Forschern rund um die Informatiker Wolfgang Maass und Robert Legenstein von der TU Graz zu neuronaler Informationsverarbeitung im Gehirn könnten effizientere AI-Methoden ermöglichen.

Konkret ist es den Forschenden gelungen, das Entstehen und Interagieren zwischen sogenannten „Assemblies“ mathematisch zu modellieren. Dabei handelt es sich um Neuronenverbände im Gehirn, die die Grundlage für höhere kognitive Fähigkeiten bilden wie beispielsweise dem Denken, dem Vorstellungsvermögen, dem Argumentieren, Planen oder der Sprachverarbeitung.

Besseres Verständnis für die Funktionsweise des Gehirns

Der kanadische Neurowissenschaftler Donald H. Hebb hat bereits 1949 postuliert, dass sich Neuronen zu solchen Verbänden zusammenschließen, also gemeinsam aktiv sind, um einzelne Wörter oder Symbole, aber auch ganzheitliche „Konzepte“ zu kodieren. „Die Existenz von Assemblies verdichtete sich allerdings erst in den letzten Jahren und unsere Modelle bauen auf den jüngsten Ergebnissen aus der Hirnforschung auf“, erklärt Maass.

Assemblies sind fließende Gebilde, die sich ständig neu organisieren, um Umweltreize zu verarbeiten, diesen eine symbolische Bedeutung geben, sie strukturieren und in Wissen umwandeln. Diese Anpassungsfähigkeit – auch Plastizität genannt – liefert dem Gehirn die Möglichkeit, über die begrenzte Verarbeitungskapazität hinwegzukommen und eine „unbegrenzte“ Anzahl von Mustern zu bilden.

Die Ergebnisse tragen nicht nur zu einem besseren Verständnis des Gehirns bei – sie könnten auch zu neuen effizienten AI-Methoden führen, da sie die Vorteile der zwei Hauptansätze in der AI-Forschung miteinander verbinden – der symbolistische und der konnektionistische.


Die TU Graz-Forscher Robert Legenstein und Wolfgang Maass arbeiten mit anderen Forschenden daran, AI einen großen Schritt weiter zu bringen.

Publikation:


Christoph Pokorny, Matias J Ison, Arjun Rao, Robert Legenstein, Christos Papadimitriou, Wolfgang Maass
STDP Forms Associations between Memory Traces in Networks of Spiking Neurons

Cerebral Cortex, Volume 30, Issue 3, March 2020, Pages 952–968

DOI: 10.1093/cercor/bhz140



Symbolistische vs. Konnektionistische Informationsverarbeitung

Algorithmen in Symbolsystemen basieren auf definierten Regeln (Wenn-/Dann-Befehle) und logischen Formeln, und überzeugen durch ihre Abstraktionsfähigkeit – also einerseits die Fähigkeit zur Verallgemeinerung sowie andererseits die Fähigkeit, allgemeine Zusammenhänge auf konkrete Sachverhalte anzuwenden. Sie sind daher prädestiniert für eine leichte Anwendung auf ganz neue Situationen. Symbol-basierte Systeme müssen aber aufwendig programmiert werden und lassen sich nicht mittels großer Datenmengen für anspruchsvolle Anwendungen trainieren, wie das bei neuronalen Netzwerken möglich ist. Diese bestehen aus kleinen miteinander vernetzten und lernfähigen Recheneinheiten, die sich selbst organisieren und im Verbund komplexe Probleme schnell lösen können. Die Lernfähigkeit neuronaler Netzwerke hat den konnektionistischen Ansatz für die aktuelle AI-Forschung und für moderne AI-Anwendungen attraktiver gemacht. Allerdings haben neuronale Netzwerke Schwierigkeiten bei jenen Aufgaben, die in den Trainingsmengen nicht vorkommen.

„Menschliche“ Gehirnarchitektur für Maschinen

Die vorgestellten Assembly-Modelle zielen nun darauf ab, die Abstraktionsfähigkeit mit der Lernfähigkeit zu kombinieren. „Es handelt sich dabei um neuronale Netzwerke, die mit ihren Assemblies symbolartig arbeiten. Als Paradigma dient uns das menschliche Gehirn, das auch beides miteinander kombiniert“, so Legenstein.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Graz via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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