Ranking der Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt



Bio-News vom 10.11.2022

Die Umwandlung von naturnahen Wäldern und Grünland in landwirtschaftliche Flächen ist hauptverantwortlich für den weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt. Die ausbeuterische Nutzung wildlebender Tiere und Pflanzen ist zweitwichtigste Ursache, gefolgt von Umweltverschmutzung. Der Klimawandel ist bislang nur der viertstärkste Treiber. Dies zeigt eine internationale Studie, die deutlich macht, dass der Kampf gegen den Klimawandel allein nicht ausreicht, um den weiteren Verlust der biologischen Vielfalt zu verhindern.

Obwohl der Klimawandel wegen seiner tiefgreifenden Folgen für die Natur zu Recht hohe Aufmerksamkeit bekommt, ist er zumindest momentan nur die viertgrößte Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt an Land, gefolgt von der Invasion gebietsfremder Arten an fünfter Stelle.


Verheerende Folgen der Abholzung: Biodiversitätsverlust.

Publikation:


Pedro Jaureguiberry, Nicolas Titeux, Martin Wiemers, Diana E. Bowler, Luca Coscieme, Abigail S. Golden, Carlos A. Guerra, Ute Jacob, Yasuo Takahashi, Josef Settele, Sandra Díaz, Zsolt Molnár, Andy Purvis
The direct drivers of recent global anthropogenic biodiversity loss.
Science Advances (2022)

DOI: 10.1126/sciadv.abm9982



„Diese neue Studie, die während des COP27-Klimagipfels in Science Advances veröffentlicht wird, zeigt deutlich, dass die Bekämpfung des Klimawandels allein nicht ausreicht, um den weiteren Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen“, sagt Dr. Nicolas Titeux, einer der beiden Erstautoren. „Die für den Artenschwund verantwortlichen direkten Treiber sollten mit ähnlichem Ehrgeiz wie der Klimawandel und als Ganzes bekämpft werden.“ Titeux arbeitet derzeit am Luxembourg Institute of Science and Technology, hat aber den größten Teil der Studie am UFZ mit finanzieller Unterstützung von iDiv durchgeführt.


Es fängt klein an.
Waldverlust durch illegalen Goldabbau

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Treibhausgase die Hauptursache für die Klimakrise sind, aber ebenso wichtig ist es, zu verstehen, was hinter dem enormen und schnellen Artenschwund steckt. Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, wenn wir nicht gegensteuern, die Ökosysteme weltweit verlieren an Qualität und können die für uns Menschen so wichtigen Ökosystemleistungen immer schlechter erbringen.

Die Autorinnen und Autoren der Studie unter der Leitung von Dr. Pedro Jaureguiberry von der UNC in Argentinien und Dr. Nicolas Titeux stellten aber zudem fest, dass der Klimawandel als direkter Treiber des Artenschwunds in den Ozeanen bereits an zweiter Stelle rangiert. Hier spielt die Ausbeutung der Fischbestände die größte Rolle. Die Autoren der Studie gehen jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklungen davon aus, dass die Bedeutung des Klimawandels für den Artenschwund und den Rückgang der Ökosystemleistungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zunehmen und in der Rangliste der direkten Treiber nach oben rücken wird.

Publikation:


S. Díaz et al.
Summary for policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services
IPBES (2019)

DOI: 10.5281/zenodo.3553579

Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services

Damit bestätigen und konkretisieren die Autorinnen und Autoren der Studie die Fakten, die das Globale Assessment des Weltbiodiversitätsrates IPBES bereits 2019 angedeutet hatte. „Die vorliegende Arbeit verdeutlicht, wie solide und differenziert die Hintergrundinformationen und Analysen der Kernaussagen des Globalen Berichtes von IPBES sind“, sagt Josef Settele von UFZ und iDiv sowie Ko-Vorsitzender des Globalen IPBES-Assessments. „Dies gilt nicht nur für die vorliegende Thematik der Treiber sondern ist ein Indikator für die fundierte Arbeitsweise des Weltbiodiversitätsrates insgesamt.“

Auch dürfte die Arbeit das Verständnis dafür, wie der Verlust der biologischen Vielfalt bekämpft werden kann, grundlegend verändern. Jaureguiberry: „Unsere Studie liefert umfassende und fundierte Informationen darüber, welche Faktoren den größten Schaden für die biologische Vielfalt auf verschiedenen Ebenen verursachen, regional ebenso wie global. Wir hoffen, dass diese Ergebnisse zu einem ganzheitlicheren Ansatz beitragen werden, um effizientere Maßnahmen zur Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt zu entwickeln.“ Titeux weist darauf hin, dass „die derzeitigen globalen Vereinbarungen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt – CBD - und das UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen – UNFCCC - sich zu sehr auf einzelne Faktoren konzentrieren und dabei Lösungen übersehen, die eng mit anderen Faktoren zusammenhängen“.

Professor Andy Purvis vom Naturhistorischen Museum in London erklärt: „Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt wurden bislang weitgehend getrennt voneinander angegangen, und zwar mit unterschiedlichen politischen Maßnahmen, die das jeweils andere Problem nicht immer berücksichtigten. So werden zum Beispiel Biokraftstoffe als eine Möglichkeit vorgeschlagen, Klimaneutralität zu erreichen. Die damit verbundene Ausweitung von Plantagen auf natürliche Wälder hätte jedoch verheerende Auswirkungen auf die Natur.“

Das Papier hebt auch einige der „naturfreundlichen“ Lösungen hervor, die genutzt werden können, um sowohl dem Klimawandel als auch dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken. Dazu zählen etwa die großflächige Wiederherstellung naturnaher Wälder und der wirksame Schutz von Feuchtgebieten an der Küste. Purvis fügt hinzu: „Ich würde mich freuen, wenn sich der Begriff 'naturverträglich' im öffentlichen Bewusstsein verankern würde, so wie es der Begriff 'klimaneutral' getan hat. Wenn künftige Generationen das gleiche Recht auf einen lebenswerten, lebenserhaltenden Planeten haben sollen wie wir, dann müssen alle Teile der Gesellschaft so schnell wie möglich dazu übergehen, sowohl klima-neutral als auch natur-positiv zu werden.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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