Schutz von unerwarteter Seite
Bio-News vom 14.03.2024
Entgegen der weit verbreiteten Meinung sind nicht alle Viren für Organismen schädlich. Manchmal können Viren ihre Wirte sogar vor der Infektion durch andere Viren schützen. Forschende haben nun gezeigt, dass dies bei so genannten endogenen Virophagen der Fall ist. Das sind kleine DNA-Viren, die meist in das Genom von einzelligen Eukaryoten eingebaut sind – Organismen, deren Zellen einen membrangebundenen Zellkern haben. Darüber hinaus zeigen die Forschenden, dass Virophagen sehr spezifisch gegenüber Riesenviren sind, da es viele verschiedene Virophagen-Typen gibt und nicht alle auf dasselbe Riesenvirus reagieren.
In einer neuen Publikation berichten Anna Koslová, Matthias Fischer und Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung sowie Thomas Hackl von der Universität Groningen, dass endogene Virophagen im marinen Zooplankter Cafeteria burkhardae reaktiviert werden, wenn ihr Wirt auf ein Riesenvirus trifft. In ihrer Studie analysierten sie diesen Prozess bei der Infektion mit dem lytischen Riesenvirus CroV.
Publikation:
Anna Koslová, Thomas Hackl , Felix Bade, Alexander Sanchez Kasikovic, Karina Barenhoff, Fiona Schimm, Ulrike Mersdorf, und Matthias G. Fischer
Endogenous virophages are active and mitigate giant virus infection in the marine protist Cafeteria burkhardae
PNAS (2024)
Wirtszellen überleben die Infektion dank viraler Helfer
Die Autorinnen und Autoren untersuchten mehrere Zooplankton-Populationen aus der ganzen Welt und fanden Virophagen-Aktivität im Atlantik, im Pazifik und in der Ostsee. Ihre Analyse zeigt, dass alle Virophagen in der Lage waren, ihre Wirtspopulationen vor CroV zu schützen: Einmal aus der infizierten Wirtszelle freigesetzt, können die Virophagen-Partikel die Produktion weiterer Riesenviren in der nächsten Infektionsrunde verhindern – die Population der Wirtszellen überlebt.
Bislang war die Reaktivierung von Virophagen nur für einen labortechnisch veränderten Organismus nachgewiesen worden; zudem blieb es unklar, ob endogene Virophagen aus der Umwelt einen echten Schutz gegen Riesenviren bieten könnten.
Hochspezifisch für Riesenviren
Interessanterweise stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass Virophagen sehr spezifisch auf ihre Beute, das Riesenvirus, reagieren. Von mehreren verschiedenen Versionen endogener Virophagen, die in den Genomen von Cafeteria burkhardae eingebettet sind, reagierte nur ein Typ auf das Riesenvirus CroV. Andere Virophagen schützen möglicherweise vor anderen Riesenviren, die noch entdeckt werden müssen.
„Jeder Virophage hat sich offenbar so entwickelt, dass er nur eine Art von Riesenvirus angreift“, sagt Matthias Fischer, der die Studie leitete. „Eukaryoten, insbesondere einzellige Protisten, tragen viele verschiedene Virophagen in ihrem Genom, die wahrscheinlich als Verteidigungsarsenal dienen. Je mehr unterschiedliche Virophagen eine Zelle hat, desto besser kann sie ihre Nachbarn gegen eine Vielzahl von Riesenviren schützen. Was wir hier zeigen, ist wahrscheinlich nur eines von vielen Beispielen dafür, dass Viren auch positive Auswirkungen auf ihre Wirte haben können.“
Startschuss für weitere Forschung
Bis vor kurzem wurden DNA-Viren in Protistengenomen übersehen – vor allem, weil es an wissenschaftlichen Studien zu dieser vielfältigen Gruppe von Organismen mangelte, aber auch, weil es bei der Analyse ihrer Genome oft technische Probleme gibt. Die Detailgenauigkeit, mit der Anna Koslová – verantwortlich für die Laborarbeit und die Analyse – und ihre Kolleginnen und Kollegen die Wirkung von Virophagen auf virusinfizierte Planktonzellen untersucht haben, ist bislang beispiellos.
Mit Blick auf die Zukunft sagt Matthias Fischer: „Indem wir die Rolle endogener Viren in einer Vielzahl von Organismen untersuchen, erkennen wir zunehmend, wie wichtig der Einfluss von Viren auf ökologische und evolutionäre Prozesse ist. Wir sind sicher, dass auf unsere Ergebnisse weitere Forschungen zu den positiven Auswirkungen von Virus-Wirt-Interaktionen folgen werden.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für medizinischen Forschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.