Vom Kommen und Gehen eines Mega-Sees



Bio-News vom 09.07.2020

Forscher haben in einem abgelegenen Tal in Südäthiopien die 20.000 Jahre zurückreichende Geschichte des Chew Bahir Mega-Sees rekonstruiert. Unter der Leitung von Annett Junginger zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass der See in seiner Geschichte rapiden Wasserspiegelschwankungen unterlag, welche sich direkt auf die vor Ort lebenden Menschen auswirkten.

Wasser ist das wichtigste Grundnahrungsmittel des Menschen. Menschen aller Kulturen strebten und streben danach, sich an Orten anzusiedeln, die nicht zu weit von sauberem Trinkwasser entfernt liegen – so auch seit 20.000 Jahren im Süden Äthiopiens am heutigen Chew Bahir-See. Derzeit ist dieser See nahezu vollständig ausgetrocknet. „In der Vergangenheit führte der See aber immer wieder enorme Mengen an Wasser und erreichte Ausdehnungen von der fünffachen Größe des Bodensees!“, erklärt Markus Fischer, Erstautor und Doktorand an der Universität Tübingen und fährt fort: „Wir konnten anhand von hydrologischen Modellierungen und den Sedimenten des Sees enorme und schnell wechselnde Seespiegelschwankungen in dessen Vergangenheit aufzeigen.“


Der Chew Bahir-See im Süden Äthiopiens – aktuell ist der See nahezu ausgetrocknet, aber in der Vergangenheit führte er große Wassermassen.

Publikation:


Markus L. Fischer, Monika Markowska, Felix Bachofer, Verena E. Foerster, Asfawossen Asrat, Christoph Zielhofer, Martin H. Trauth und Annett Junginger
Determining the Pace and Magnitude of Lake Level Changes in Southern Ethiopia Over the Last 20,000 Years Using Lake Balance Modeling and SEBAL
Frontiers in Earth Science

DOI: 10.3389/feart.2020.00197



Die Modellbefunde und Seesedimente des internationalen Forscher*innenteams belegen eindrucksvoll, dass die ostafrikanische Landschaft immer wieder zwischen wüstenartigen Bedingungen und einem riesigen See wechselten, wobei zwischen dem Austrocknen und Wiederbefüllen des Sees oftmals nur wenige Jahrzehnte lagen. In den immer wieder auftretenden Feuchtphasen seien zwischen 20 und 30 Prozent mehr Regen im Vergleich zu heute gefallen. „Wer als Kind an einem See aufgewachsen ist und vielleicht dort den Fischfang gelernt hat, war im Erwachsenenalter eventuell mit einem ausgetrockneten See konfrontiert“, ergänzt Fischer.

Inwiefern die damaligen Menschen auf die Umweltveränderungen reagiert haben ist auf Grund der sehr lückenhaften archäologischen Datengrundlage weitestgehend unklar. Jedoch diskutieren Fischer und seine Forschenden die Beobachtung, dass während der kurzzeitigen, nur wenige zehn bis hundert Jahren dauernden, Austrocknungen des Chew Bahir Sees die Siedlungsaktivitäten in den angrenzenden äthiopischen Hochländern zugenommen haben. „Dies könnte daraufhin deuten, dass die damaligen Menschen in die kühleren und feuchteren Berge auswichen, und womöglich ihre Nahrungsbeschaffung kurzfristig ändern mussten. Mit dem Eintreten feuchterer Bedingungen könnten sie jedoch in die tiefer gelegenen Täler des Grabenbruchs mit seinen großen Seen zurückgekehrt sein“, erläutert Junginger.

Laut der Studie könnte erst eine über mehrere hunderte von Jahren dauernde Zeit klimatischer Instabilität in Richtung immer trockener werdenden Klimas zu einem kulturellen Umbruch führen, bei welchem ein Übergang von hauptsächlich Forschenden und Forschenden zur sesshaften Viehhaltung vollzogen wurde. Umweltveränderungen als Stressfaktor und daraus resultierende Migration könnten also einen Rahmen gegeben haben, in welchem sich neue Verhaltensstrategien entwickeln und durchsetzen.

Neben den anthropologischen Aspekten eröffnet die Studie auch einen Einblick in die klimatische, hoch-sensible Zukunft Südäthiopiens. Die neuen Ergebnisse verdeutlichen die extreme Sensitivität Ostafrikas gegenüber Umweltveränderungen und die Bedeutung der Seen im Ostafrikanischen Grabenbruch als Verstärker dieser Klimasignale. Wo heute Wüsten sind, waren früher einmal große Seen und auch heutige noch vorhandene Seen könnten im Zuge des Menschen gemachten Klimawandels unter Druck geraten. „Die Menschen im Frühholozän zeigten eine beeindruckende Flexibilität in ihrem Verhalten und schafften es ihr Leben den neuen Umweltbedingungen anzupassen. Das gibt mir Hoffnung, dass es uns heute, im sogenannten Anthropozän, ebenfalls gelingt unser Verhalten zu ändern, um die menschen-gemachten Umweltveränderungen doch noch eingrenzen zu können“, schließt Fischer.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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