Wie das Essen von Schildkröten zum Artenschutz beitragen könnte



Bio-News vom 09.05.2018

Senckenberg-Wissenschaftler haben mit genetischen Methoden herausgefunden, dass es noch mehr Arten und genetische Linien der Chinesischen Weichschildkröten Pelodiscus gibt als bisher angenommen. Diese Schildkröten sind in Asien ein wichtiges Nahrungsmittel – allein in China werden über 340.000 Tonnen pro Jahr gezüchtet und verspeist. Das internationale Wissenschaftlerteam zeigt in seiner kürzlich im Fachjournal „The Science of Nature“ erschienenen Studie, dass gerade die Zucht die Artenvielfalt von Pelodiscus bedroht.

In China sind Weichschildkröten ein Standardgericht der traditionellen Küche und werden in großen Farmen gezüchtet –340.000 Tonnen werden jährlich produziert und lebende Weichschildkröten werden in jedem Supermarkt in Netzen verpackt verkauft. „Eigentlich sollte man denken, dass die große Zahl industriell produzierter Weichschildkröten garantiert, dass diese Tierart trotz der intensiven Nutzung nicht bedroht ist“, so Prof. Dr. Uwe Fritz vom Museum für Tierkunde an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.

Nun hat aber eine kürzlich in der Fachzeitschrift „The Science of Nature“ erschienene Studie eines internationalen Autorenteams rund um Fritz und weitere Senckenberger gezeigt, dass gerade die gewerbsmäßige Zucht die Vielfalt Chinesischer Weichschildkröten bedroht. Wie die Autoren nachweisen gibt es nicht „eine“ Chinesische Weichschildkröte, sondern viele verschiedene. „Mehrere genetische Linien, die teilweise als unterschiedliche Arten betrachtet werden, waren uns schon bekannt, doch wir haben nun auch vier neue Linien erstmals genetisch charakterisiert“, erläutert Fritz. Hierfür analysierte das Team rund 150 Weichschildkröten aus der freien Wildbahn und aus Farmzuchten mit verschiedenen genetischen Methoden. Dabei zeigte sich, dass einige Linien zweifelsfrei verschiedene Arten sind, da sie wildlebend zusammen vorkommen, ohne sich zu vermischen.

In den Zuchtfarmen dagegen gibt es offenbar ein großes Durcheinander und die Autoren fanden genetische Hinweise, dass verschiedene Arten gekreuzt werden. Das Autorenteam geht außerdem davon aus, dass Farmtiere auch in die freie Wildbahn entkommen. In der chinesischen Provinz Zhejiang konnten sie an einer Stelle fünf verschiedene genetische Linien zusammen nachweisen, die zu mindestens drei Arten gehören – eine davon ist ursprünglich im mehr als 1200 Kilometer entfernten Südosten Sibiriens heimisch.


In ihrer Vielfalt bedroht: Chinesische Weichschildkröten (Pelodiscus spp.)

Publikation:


Gong, S., Vamberger, M., Auer, M. et al
Millennium-old farm breeding of Chinese softshell turtles (Pelodiscus spp.) results in massive erosion of biodiversity
Sci Nat (2018) 105: 34

DOI: 10.1007/s00114-018-1558-9



Fritz erklärt: „Durch die Vermischung von verschiedenen Arten in den Farmen entsteht eine ‚Standardschildkröte’ und es ist zu befürchten, dass der Artenreichtum Chinesischer Weichschildkröten komplett verloren geht. Wenn dann auch noch Farmschildkröten in die freie Wildbahn geraten, wird dieser Prozess beschleunigt, weil sie sich mit den wilden Populationen vermischen.“

Es gibt aber Hoffnung: Der Erstautor der Studie, Dr. Shiping Gong vom Guangdong-Labor für Artenschutz und zur Nutzung natürlicher Ressourcen, weist darauf hin, dass schon heute in vielen chinesischen Supermärkten „Bioschildkröten“ verkauft werden, die nach organisch-biologischen Richtlinien produziert werden und viel teurer als normale Weichschildkröten sind. Er sieht darin eine Möglichkeit für den Erhalt der Vielfalt: „Wenn es gelingt unseren chinesischen Schildkröten-Konsumenten zu vermitteln, dass ‚reinrassige Weichschildkröten’ ebenfalls etwas Besonderes sind, dann sind sie hoffentlich auch bereit, etwas mehr für diese Panzerträger zu bezahlen. Dann wäre die Zucht arten- und linienreiner Farmschildkröten lukrativ. Ich bin zuversichtlich, dass es dann gelingen wird, die große Vielfalt der derzeit elf verschiedenen Arten und Linien Chinesischer Weichschildkröten zu erhalten. Das wäre ein gelungenes Beispiel für Artenschutz durch Nutzung.“

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