Wie neue Arten im Meer entstehen



Bio-News vom 04.03.2019

Wie kann eine neue Art entstehen, wenn Tiere nah beieinander leben und sich weiterhin miteinander fortpflanzen können? Dieser grundlegenden Frage der Evolutionsbiologie ist ein Team des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Smithsonian Tropical Research Institute in Panama am Beispiel karibischer Riffbarsche nachgegangen. Dabei entdeckten sie bisher unbekannte Wege, wie natürliche Selektion auf die Evolution von Genen für visuelle Wahrnehmung und für die Ausprägung von Farbmustern wirkt.

Zwei Faktoren sind wichtig, damit sich eine neue Art entwickelt: eine Eigenschaft wie eine Farbe, die für eine Art einzigartig ist, und eine Vorliebe für die Ausprägung dieser Eigenschaft bei der Partnerwahl. Vorstellbar ist beispielsweise ein Szenario bei dem Individuen einer blauen Fischart blaue Partner bevorzugen und Individuen einer roten Art rote Partner. Wenn sich die beiden Arten untereinander vermischen, nimmt man jedoch allgemein an, dass der Prozess der sexuellen Rekombination die Kopplung zwischen Farb- und Paarungsvorlieben zerstört. Das würde zu roten Individuen mit einer Präferenz für blaue Partner und umgekehrt führen. Dies ist einer der Gründe, warum die Forschung lange vermutete, dass sich neue Arten nur in absoluter Isolation und ohne Kreuzung entwickeln können.

Allerdings hängt die Dynamik dieses Prozesses auch von der genauen Anzahl und Lage der Gene, die den Eigenschaften der Arten und den Paarungsvorlieben zugrunde liegen, ab. Entscheidend ist auch die Stärke der natürlichen Selektion, die auf diese Gene einwirkt, und wie häufig sich zwei verwandte Arten kreuzen können. In einer neuen Studie, die heute in der Zeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde, hat Oscar Puebla, Professor am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, in Zusammenarbeit mit Kolleginnen an Kollegen am Smithsonian Tropical Research Institute (STRI), herausgefunden, dass natürliche Selektion Gene für Farbmuster und Paarungspräferenzen koppeln kann, so dass sie auch bei Kreuzung mit eng verwandten Arten nicht neu kombiniert werden.


Garibaldifisch (Hypsypops rubicundus) ist die größte Art der Riffbarsche (Pomacentridae).

Publikation:


Hench, K., M. Vargas, M. P. Höppner, W. O. McMillan, O. Puebla
Inter-chromosomal coupling between vision and pigmentation genes during genomic divergence

Nature Ecology and Evolution

DOI: https://doi.org/10.1038/s41559-019-0814-5



„Die erste Herausforderung unserer Studie bestand darin, eine Tiergruppe zu finden, in der sich erst vor kurzer Zeit neue Arten entwickelt haben, die aber deutliche Charakteristika aufweisen“, sagt Puebla. Genau so eine Gruppe bilden die Hamletbarsche. Mehrere eng verwandte Arten von Ihnen leben an Riffen in der gesamten Karibik. Die einzelnen Arten sind nach wie vor genetisch sehr ähnlich. Der Hauptunterschied zwischen ihnen ist das jeweilige Farbmuster, und es ist die Paarungspräferenz für verschiedene Farbmuster, die die Arten getrennt hält.

Eine zweite Schwierigkeit bestand darin, die Gene zu identifizieren, die den Unterschieden zwischen den Arten und den Paarungspräferenzen zugrunde liegen. Die Autorinnen und Autoren der Studie sequenzierten dafür das gesamte Genom der Hamletbarsche. Anschließend untersuchten sie an 110 Individuen aus drei Arten jeweils aus Panama, Belize und Honduras, worin sich das Genom bei jedem der Individuen unterschied. Alle drei untersuchten Arten leben zusammen in denselben Riffen.

„Dieser umfassende Datensatz ermöglichte es uns, vier eng begrenzte Regionen des Genoms zu identifizieren, die bei allen Arten deutliche Unterschiede aufzeigten, während der Rest des Genoms bei allen Arten kaum Differenzierung zeigte", erklärt Kosmas Hench, Doktorand am GEOMAR und Erstautor der Studie. Passend zur Biologie der Hamletbarsche beinhalten diese vier Regionen Gene, welche die visuelle Wahrnehmung und Farbmuster der Fische beeinflussen.

Obwohl sich die Arten untereinander noch paaren, zeigten die Daten, dass die Konstellationen der und Seh- und Farbmustergene sich nicht verändern. Die entsprechenden Gene sind also gekoppelt und so vor sexueller Rekombination geschützt. Das Besondere ist, dass sich die Gene im Fall der Hamletbarsche auf drei verschiedenen Chromosomen befinden. Bisher kannte man solche Gen-Koppelungen nur, wenn die Gen-Sätze auf einem Chromosom sehr nahe beieinander liegen. So konnte das Team zeigen, wie die Selektion zur Entstehung neuer Formen in einer sehr frühen Phase der Artenbildung beitragen kann.

„Viele eng verwandte Korallenrifffische unterscheiden sich nur durch wenig mehr als Farbe und Muster", sagt Owen McMillan, Co-Autor und akademischer Dekan bei STRI. „Ich gehe davon aus, dass die Entdeckungen, die bei den Hamletbarschen gemacht wurden, auch auf andere Lebensformen zutreffen und letztendlich die bemerkenswerte Vielfalt der Fische an Korallenriffen auf der ganzen Welt erklären können.“


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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