Archäogenetik


Die Archäogenetik befasst sich mit den Spuren der Vergangenheit und im Erbmaterial der Menschen sowie der Tiere und Pflanzen, die den Menschen auf seinem Weg der Evolution begleiteten [1]. Es werden dabei Proben von Kulturpflanzen, Haustieren und Menschen berücksichtigt, die sowohl aus alter DNA von archäologischen Funden als auch von Lebewesen und Pflanzen heutiger Zeit stammen. Mit den Mitteln der Molekularbiologie lassen sich vorgeschichtliche Vorgänge wie die Entstehung und Verbreitung der Landwirtschaft rekonstruieren. Geprägt wurde der Begriff Archäogenetik (Archaeogenetics) von Colin Renfrew.

Entstehung

Der Forschungszweig der Archäogenetik geht zurück auf die Studien an menschlichen Blutgruppen von Ludwik und Hanka Hirszfeld, William Boyd und Arthur Mourant. Lange Zeit untersuchte Luca Cavalli-Sforza die Blutgruppen in Hinblick auf die vorgeschichtliche Bevölkerung Europas und brachte 1994 die Ergebnisse in seinem Buch "The History and Geography of Human Genes" (ISBN 978-0691087504) heraus. Der entscheidende Durchbruch gelang dem Neuseeländer Allan Wilson, der statt Genprodukten (Proteine) das Erbmaterial direkt analysierte. Im Jahre 1967 kam er durch Chromosomenhybridisierungen zu dem Schluss, dass Mensch und Schimpanse sich erst vor etwa 6 Millionen Jahren voneinander trennten. In den Jahren 1987 und 1991 präsentierte er dann die mitochondriale Eva, d.h., die aufgrund der mitochondrialen DNA rekonstruierte Vorfahrin aller heute existierenden mütterlichen Linien. Diese Frau lebte gemäß Wilsons Stammbaum in Afrika vor etwa 200 000 Jahren.

Aufgrund der Forschung von Peter Forster, Arne Roehl und Kollegen seit 1995 hat sich die Vermutung erhärtet, dass nur eine einzige Menschengruppe aus Afrika erfolgreich aussiedelte, und zwar vor nur 50.000 Jahren. Es ist bisher unklar, warum anderen prähistorischen afrikanischen Gruppen Meeresüberquerungen zum Rest der Welt weder vorher noch nachher gelungen ist. Seither wurde die genetische Geschichte aller wichtigen domestizierten Tiere (wie Rinder, Schafe, Schweine, Pferde) und Pflanzen (wie Weizen, Reis, Mais) untersucht. Dabei stützte man sich wiederum hauptsächlich auf die DNA der Mitochondrien. Bei Säugetieren (inkl. Mensch) wird neuerdings auch die DNA des Y-Chromosoms zur genetischen Analyse verwendet. Durch sie lässt sich die männliche Abstammungslinie zurückverfolgen (Adam des Y-Chromosoms).

Molekularer Stammbaum

Nicht rekombinierende Abschnitte der DNA liefern bei Anwendung der geeigneten statistischen Methoden Stammbäume direkter Abstammungslinien. Der Grundgedanke des Forscherteams Avise et al., das den Terminus "Phylogeography" vorschlug und damit die geographische Betrachtungsweise eines Stammbaums meinte, wurde von Hans-Jürgen Bandelt und seinen Studenten weiterentwickelt. Dieser Ansatz hat zum Ziel, aus DNA-Rohdaten Ort und Zeit von genetischen Ereignissen in der Evolution zu rekonstruieren. Zur besseren Berechnung von Stammbäumen leitete Bandelt die Weiterentwicklung von sogenannten evolutionären Netzwerken, die heute als „Network“ Computerprogramm frei verfügbar sind[2]. Der Terminus "Molekularer Stammbaum" als deutsche Übersetzung für "Phylogeography" wurde von Forster und Hamel geprägt [3] und erstmals 2002 verwendet [4]. "Geographisch-molekulares Netzwerk" wäre im Sinne von Bandelt der treffendere Begriff für "Phylogeography".

Literatur

  • Colin Renfrew: Archaeogenetics. McDonald Institute for Archaeological Research, Cambridge 2000, ISBN 1-902937-08-2.

Einzelnachweise

  1. Renfrew, A.C., and Boyle, K.V., (Eds), 2000, Archaeogenetics: DNA and the population prehistory of Europe. Cambridge: McDonald Institute for Archaeological Research
  2. Phylogenic Network Software
  3. Hamel, Elisabeth 2007: Das Werden der Völker in Europa. Ebersberg: Rottenbücher Verlag, S. 381
  4. Hamel Elisabeth, Forster Peter, 2002: "Riesen Gen-Spektrum" (Genetischer Ursprung des Pferdes), Reiter Revue, Nr. 9/2002, 45. Jahrg.

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