Atemtherapie


Atemtherapie kann zwei grundverschiedene Dinge bedeuten: Einmal die Therapie der Atmung (= klinische, ärztliche Atemtherapie) und zum anderen die Therapie mit dem Atem (= Atemtherapie als psychotherapeutisches oder krankengymnastisches Verfahren).

Atemtherapie als Therapie der Atmung

Die klinische (ärztliche) Atemtherapie befasst sich mit den Krankheiten und Funktionsstörungen von Lunge und Stimmapparat. Sie arbeitet sowohl prophylaktisch als auch nachbehandelnd. Die Atemtherapie hat als hauptsächliche Ziele die folgenden:

  • Pneumonieprophylaxe
  • Sekretlösung und -transport
  • Stabilisierung/Aufbau eines stabilen Bronchialsystems, insbesondere bei obstruktiven Erkrankungen (Chronische Bronchitis, Asthma usw.)

Auch das Atemtraining ist Teil der Atemtherapie. Man versteht darunter verschiedene Übungen zur Verbesserung der Lungenkapazität. Hierzu werden vor allem die Brustmuskulatur gestärkt und Techniken zur vermehrten Bauchatmung geübt.

Wirkung

Eine effektive Atemtherapie soll zum Abbau atemhemmender Widerstände, Abbau von Fehlatembewegungsformen, zur Sekretlösung, zur Ventilationssteigerung, zur Kräftigung der Atemmuskulatur und zu einer allgemeinen Leistungssteigerung beitragen.

Varianten

  • Atem-, Stimm- und Sprecherziehung nach der Methode nach Schlaffhorst und Andersen: Der Atem wird als Bindeglied zwischen der vegetativen und der somatischen Ebene des Klienten gesehen. Es wird eine Verbesserung der Atmung, der Stimme und der Bewegung angestrebt.
  • Buteyko-Methode: ein Verfahren, das die Patienten zum bewussten Wenigeratmen anleitet und so asthmatische Beschwerden lindern möchte.
  • Funktionelle Atemschulung nach Julius Parow und Margot Scheufele-Osenberg: Ausgehend von den Gegebenheiten einer logischen naturwissenschaftlichen Erkenntnis über die Bewegungen des Zwerchfells und die das Zwerchfell unterstützenden muskulären Abläufe des Körpers, soll sie die natürliche Atemfunktion wieder herstellen.

Atemtherapie als Selbsterfahrung/Selbsthilfe

Atemtherapie zählt zu den so genannten Alternativen Heilverfahren.

Die Anwender gehen davon aus, dass von allen Körperfunktionen des Menschen der Atem am intensivsten mit allen anderen Ebenen des Menschen verknüpft ist. In der Formatio reticularis, einem komplex vernetzten Zentrum in der Tiefe des Stammhirns, würden alle Informationen zusammen strömen, die im Körper oder Gehirn entstehen. Jeder kleine Reiz, von außen oder innen kommend, verändere die Art und Weise zu atmen. Mit der Arbeit am Atem könne deshalb, so lautet die These, auch jede Ebene des Menschen erreicht und harmonisiert werden.

  • Die Atmung reagiere empfindlich und unmittelbar auf psychische und physische Veränderungen. Zugleich sei sie die einzige Körperfunktion, die auch willentlich gesteuert werden kann, obwohl sie ununterbrochen unwillkürlich abläuft.
  • Es bestünden mechanische und nervliche Wechselwirkungen zwischen der Atembewegung und zahlreichen Körperorganen und deren Funktionen;
  • die Atembewegung beeinflusse die Herzfunktion und den Blutkreislauf; Sauerstoffversorgung, Kohlendioxidspiegel, Ionenkonzentration und damit den Stoffwechsel
  • Die Atmung beeinflusse auf der Ebene des Zentralnervensystem die Bewusstseinsvorgänge des Menschen und damit sein Empfindungs- und Gefühlsleben.

Es gibt zahlreiche Formen der Atemtherapie, die sich weniger in ihrer Zielrichtung, als in ihrer Methodik unterscheiden. So arbeiten einige Methoden mit dem sogenannten „unbewussten Atem“ des Klienten, andere mit dem „willentlichen Atem“ oder dem „zugelassenen Atem“.

Varianten

  • Atemarbeit nach Cornelis Veening: Eine auf der Psychologie Carl Gustav Jungs basierende Atemtherapie, die über eine leib-seelische Entwicklung einen Weg von „innen nach außen“ anbietet, damit „der Mensch das werde, was er sein soll“.
  • Atemarbeit nach Herta Richter: Sie basiert auf der Vorstellung, dass die Entwicklung des eigenen Atems Verbindungen zum innersten Wesen ermöglichen kann.
  • Atem- und Leibtherapie nach Graf Dürckheim: Der Klient wird angeleitet, sich seinen Verhaltensmustern und Ängsten zu stellen, um damit einen Neubeginn zu ermöglichen. Dabei soll der Leib als „beseelter Körper“, der mit der Psyche eine Einheit bildet, erfahrbar gemacht werden.
  • Erfahrbarer Atem nach Ilse Middendorf: Es wird mit dem so genannten „zugelassenen Atem“ gearbeitet und mit der Vorstellung, dass zwischen „Atem, Sammlung und Empfindung“ eine gegenseitige Wechselwirkung besteht, die bei gleichzeitiger Balance zwischen „Hingabe und Achtsamkeit“ eine bewusste Entwicklung aller Ebenen (je nach Hinwendung) des Klienten möglich machen soll.
  • Der bewusste zugelassene Atem - eine atemzentrierte Körper-, Bewegungs- und Tonarbeit nach Erika Kemmann.
  • Psychotonik - nach Volkmar Glaser, bezieht sich auf das Zusammenwirken von Psyche und Tonus (Muskelspannung), welches in besonderer Weise das Atemgeschehen beeinflusst.
  • Eutonie nach Gerda Alexander: Die Eutonie (= richtige Spannung) arbeitet mit dem unbewusst verlaufenden Atem des Klienten. Dabei soll ein harmonischer Ausgleich entstehen zwischen Verspannungen (Hypertonie), die gelöst, und Erschlaffungen (Hypotonie), die gespannt werden.
  • Holotropes Atmen nach Stanislav Grof: vertieftes Atmen (Hyperventilation) soll Blockaden öffnen und kathartisch wirken. Transpersonale Erfahrungen und eine Verbindung zum „inneren Heiler“ und „höheren Selbst“ sollen möglich werden.
  • Integratives Atmen: Der Atem wird als Weg zur Verbindung von Körper, Seele und Geist genutzt. Elemente verschiedener Schulen der Atemtherapie und Atemarbeit werden spezifisch auf die Problemlage und den inneren Entwicklungsstand des Hilfesuchenden angepasst. Auch andere psychotherapeutische Methoden werden mit der Atemerfahrung verknüpft.
  • Intuitives Atmen nach Karl Scherer: Eine Atemmethode mit stark meditativem Charakter, die die Elemente der biografisch geprägten Psyche und des Körpers mit spirituellen und transpersonalen Bereichen verbinden soll.
  • Mutteratem nach Reshad Feild: Eine Methode, die – basierend auf einem 7-1-7-Rhythmus – es dem Atmenden ermöglichen soll, vollständig in den gegenwärtigen Augenblick und damit in eine erhöhte Aufmerksamkeit und Wachheit zu kommen. Feilds Ansätze basieren auf verschiedenen spirituellen Traditionen, u.a. aus dem alten Ägypten, dem Yoga, der frühchristlichen Esoterik, dem Sufismus und auf den Vorstellungen der nordamerikanischen Indianer.
  • Pranayama gehört als Bestandteil des Yoga zu den ältesten Atemtherapien. Die Ursprünge gehen bis auf die Upanishaden zurück.
  • Qigong: Das Qigong (qi = Atem, gong = Fertigkeiten erwerben) basiert auf der traditionellen chinesischen Medizin. Ziel ist die Harmonisierung von Atem, Geist und Körper.
  • Vokalatmung: Die Vokalatmung oder das Vokalsingen stammt aus indischen Yogaübungen und wurde im Westen weiterentwickelt, um einen natürlichen Bezug zu Atem, Körper und Bewusstsein herzustellen. Es wird in der Psychotherapie verwendet und wird daneben zur Stimmbildung genutzt, da die Stimme „geklärt“ und gekräftigt wird.
  • Zen: In der zentralen Übung des Zen, dem Zazen, wird eine bestimmte Art zu Atmen in Verbindung mit einem bestimmten Geisteszustand als Weg zur Erleuchtung gesehen.

Literatur

  • W. Ehrmann: Handbuch der Atemtherapie. param-Verlag, Ahlstedt 2004, ISBN 3-88755-050-1 (hier online, PDF (98,84KB) [abgerufen am 23. Februar 2011]).
  • K. Fischer und E. Kemmann-Huber: Der bewusste zugelassene Atem. Theorie und Praxis der Atemlehre. Urban & Fischer bei Elsevier, München 1999, ISBN 3-437-45276-2.
  • H. Göhring: Atemtherapie - Therapie mit dem Atem. Thieme Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-13-124261-2.
  • Krizan, Hubert : Atemtherapie In: P. Buchheim, M. Cierpka, Th. Seifert (Hrsg): Lindauer Texte. Texte zur psychotherapeutischen Fort- und Weiterbildung. Springer Verlag, 1992, S. 203--216 (ext/LindText1992.pdf PDF-Version im Netz)

Weblinks