Bezoar


Bezoarsteine in einer Ausstellungsvitrine des Deutschen Apothekenmuseums im Heidelberger Schloss

Ein Bezoar (von persisch bazahr, „Gegengift“) ist ein Ball aus verschluckten unverdaulichen Materialien wie Haaren, der als Trichobezoar physiologischerweise im Magen von Greifvögeln oder Katzen nach dem Verschlingen von Beutetieren gebildet wird. Die unverdaulichen Fell-/Haar-Reste werden nach einiger Zeit hochgewürgt und wieder ausgespuckt. Bei Greifvögeln werden die so ausgeschiedenen Nahrungsreste als Gewölle bezeichnet. Haar-Bezoare finden sich auch im Magen der Rinder. Offenbar sammeln sich hier die Haare an, die durch Ablecken des Fells aufgenommen werden.

Ein länglicher Bezoar (10 cm), von einer Maine-Coon-Katze

In seltenen Fällen – z. B. bei der Trichotillomanie – wird das wiederholte Verschlucken von Haaren bei Menschen beobachtet und wird dann als Trichophagie bezeichnet. Selten werden Bezoare nicht nur im Magen, sondern auch im Dünn- oder Dickdarm gebildet und können hier zu einem Darmverschluss (Ileus) führen. Es wird auch von Bezoaren in der Bauchspeicheldrüse berichtet, die aus einer kaugummiartigen Masse bestehen.

Daneben können sich Bezoare bei Säuglingen auch aus eingedickter, geronnener Milch bilden – in diesem Fall handelt es sich um einen Laktobezoar. Ein Phytobezoar besteht aus ungenügend durchgekauten pflanzlichen Fasern. Ein Medikamentenbezoar kann sich im Rahmen einer Antazida-Therapie entwickeln.

Bezoarstein

Einige Bezoarsteine aus der Schatzkammer der Wittelsbacher

Ist die Bezoar-Kugel durch ihren langen Aufenthalt in dieser Umgebung von einer harten Kruste überzogen, so nennt man sie einen Bezoarstein. In der Veterinärmedizin werden Bezoarsteine als pathologische Gastrolithen bezeichnet.

Besonders häufig findet man Bezoarsteine in den Verdauungsorganen von Wiederkäuern, da in ihnen die Nahrung immer wieder umhergewälzt wird. Wenn sich durch Verfilzen von Haaren oder Pflanzenfasern gebildete Bezoare in kleinen Taschen in der Darmwand (den so genannten Divertikeln) anlagern, kann sich dort um die Bezoare nach einiger Zeit eine harte Kruste bilden, weshalb sie die Bezeichnung Bezoarstein erhalten haben.

Bezoarsteinen wurden früher magische Fähigkeiten, insbesondere das Entgiften möglicherweise vergifteter Getränke zugeschrieben. Sie wurden zu kostbaren Schmuckstücken verarbeitet, die man an einer Kette in das Gefäß tauchen konnte. In der Schatzkammer der Münchner Residenz sind einige Exemplare ausgestellt.

Mystik

Im Altertum schrieben viele Kulturen einem Bezoar magische Kräfte zu. Er sollte u. a. gegen Vergiftungen schützen – wie auch das Wort selbst vom arabischen Bedzehr, dem persischen Padzahr oder dem hebräischen Beluzaar, alle in der Bedeutung von „Gegenmittel“, abgeleitet wird. Als Erstbeschreiber gilt der indische Arzt und Verfasser eines bedeutenden ayurvedischen Werkes Sushruta.

Zu den zugeschriebenen magischen Kräften zählt die Beschwörung von Regen, Schnee, Nebel oder Wind an jedem beliebigen Ort. Zu dem Zweck wurden zwei Bezoare in einen Wasserbehälter getaucht und unter Beschwörungen durch ständiges Aneinanderreiben getrocknet. Beliebt war der Zauber in der Kriegsführung der Steppenvölker zwecks Erzeugung eines Regen- oder Schneesturms. Der Prinz Tolui ließ ihn zum Beispiel 1232 ausführen, als er die Schlacht um den Berggipfel San-feng zu verlieren drohte. Auch in der Literatur wie beispielsweise Harry Potter wird er erwähnt: „Wo würdest du suchen, wenn du mir einen Bezoar beschaffen müsstest?“ (Band 1, S. 152). In Band 6 der gleichen Serie wird er ebenfalls als Gegenmittel für eine akute Vergiftung angewandt – indem er dem Betreffenden in den Hals geschoben wird. Auch in Neil Gaimans Sandman wird ein Bezoar erwähnt. Ebenso wird der Bezoarstein in dem Buch „Die Novizin des Todes" auf Seite 33 (Zeile 1) als Gegenmittel für einen vergifteten Trank erwähnt.(„Aber nein! Die Äbtissin hätte einen Bezoarstein geholt, um das Gift zu neutralisieren.")

Siehe auch

  • Rapunzelsyndrom

Literatur

  • S. Weisburd: 7-centimeter-long stomach stone caused by eating Styrofoam. In: Science News. 1987 (thefreelibrary.com).

Weblinks

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