Dornier-Nierensteinzertrümmerer


Der Dornier-Nierensteinzertrümmerer war das erste Gerät zur berührungslosen Zertrümmerung von Harnsteinen mit Hilfe von gebündelten Stoßwellen von außerhalb des Körpers (Stoßwellenlithotripsie), das von der Immenstaader Firma Dornier etwa ab 1970 entwickelt wurde. Es hatte seinen ersten Einsatz am Menschen 1980 im Klinikum Großhadern in München. Die Methode war eine Revolution in der bis dato konventionellen chirurgischen Entfernung von Harnsteinen.

Geschichte

Nierensteinzertrümmerer HM1 (1980)
Nierensteinzertrümmerer neuerer Bauart (2005)

Die Stoßwellentechnik war ein Spin-off aus einer Entwicklungsarbeit zur Allwettertauglichkeit des Lockheed F-104 Starfighters. Der Starfighter konnte zwar bis Mach 2 fliegen, jedoch nur bei trockenem Wetter oder über den Wolken, was ihm auch die Bezeichnung „Schönwetterflugzeug“ einbrachte. Sobald beim Überschallflug Regen auf die Vorderkanten der Tragflächen traf, erodierte nicht nur die Oberfläche des Metalls, sondern die umgebende Molekularstruktur wurde ebenfalls geschädigt. Man fand die Erklärung in der Stoßwelle, die der Regentropfen beim Auftreffen in Überschallgeschwindigkeit im Metall auslöst.

Um diese Stoßwellen im Labor zu erzeugen und um erosionsfeste Materialien zu testen, baute man zwei rotierende Arme, deren äußere Enden die Materialproben trugen. Der erste wurde im Freien unter Atmosphärendruck bis nahe Mach 1 betrieben. Der Betrieb unter Atmosphärendruck erzeugte intensiven Lärm. Der zweite wurde in einem evakuierbaren Rezipienten bei einem Druck von ca. 10 mBar betrieben und erreichte Umfangsgeschwindigkeiten bis 3 Mach. Der Betrieb unter diesem geringen Druck verringerte die Antriebsleistung und den erzeugten Schall. Dieser Prüfstand war mehr als 30 Jahre in Betrieb, er wurde um 2005 abgebaut.

Alternativ entwickelte man sich dann einen Stoßwellengenerator mit dem Prinzip der elektrohydraulisch erzeugten Stoßwellen. Ein Zündelement, das aus zwei Elektroden besteht, wird im Wasser mit Strom hoher Spannung aus einem vorher aufgeladenen Kondensator gezündet, sodass sich die umgebende Flüssigkeit an den Elektroden schlagartig erhitzt. Es bildet sich eine Gas- und Plasmablase, welche Druck in die umgebende Flüssigkeit abgibt. Die dabei entstehende Druckwelle breitet sich als Stoßwelle in der Schallgeschwindigkeit des Mediums aus. Sie bewegt dabei kein Wasser, sondern transportiert Energie. Die so erzeugte Stoßwelle wird in einem Reflektor gebündelt, fokussiert und ausgerichtet. Anzahl und Intensität der Stoßwellen ließen sich steuern und genau auf die Probe ausrichten. Dornier ließ sich diesen Stoßwellengenerator patentieren.

Einsatz

Der Einsatz der Stoßwellen zum Zertrümmern von Nieren-/Gallensteinen und sonstige Mineralansammlungen im menschlichen Körper lag nahe. Der Körper des Menschen mit 73 % Wasseranteil kann die Stoßwelle, wenn auch etwas abgeschwächt, weiterleiten. Verschiedenartige Nierensteine hatte man im Labor mit Erfolg zertrümmert. Nach Untersuchungen an narkotisierten Schweinen baute Dornier einen Prototyp zur extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (von griech. λίθος „Stein“ und τρίβειν „reiben“) am Menschen, der später mit wenigen Abwandlungen in Serie ging.

Das damalige Gerät HM1 („Human Modell 1“) hatte eine Art Badewanne aus rostfreien Edelstahl, in deren Boden der Stoßwellengenerator eingelassen war. Der Patient wurde auf einer speziellen Liege in die Wanne gebracht. Das Wasser in der Wanne leitete die Stoßwellen vom Generator in den Körper des Patienten. Zur Ortung des Steins dienten zwei Röntgengeräte, deren Zentralstrahlen sich im Fokus des Stoßwellengenerators kreuzten und die präzise dreidimensionale Positionierung des Steins erlaubten. Zur Verhinderung von Herz-Arrhythmien wird die Abfolge der Stoßwellen mit dem Puls des Patienten synchronisiert. Von den Nachfolgemodellen HM2 und HM3 exportierte Dornier 1983 bis 1986 122 Exemplare zum Stückpreis von etwa vier Millionen DM (2,05 Millionen Euro). Einige dieser Geräte sind 2008 noch in Betrieb. Die Produktion wurde nach Germering bei München verlagert.

Dornier nannte das Gerät „Nierensteinzertrümmerer“, es wurde später in wissenschaftlichen Veröffentlichungen in „Lithotripter“ umbenannt. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Lithotriptern für verschiedene Anwendungen und – nach Auslaufen des Patentschutzes für Dornier – auch von verschiedenen Herstellern. Die Einleitung der Stoßwellen in den Körper erfolgt heute nicht mehr in einer Wanne, sondern über eine an den Körper angelegte Gummimembran des mit Wasser gefüllten Stoßwellengenerators. Die modernen Geräte erfassen heute automatisch die Lage des Steines und korrigieren die Position des Patienten. Auch übernehmen Ultraschallgeräte und nicht mehr Röntgengeräte die dreidimensionale Positionierung der Stoßwellen. Heute (2008) sind auf der Welt über 5000 Litothriptoren mit jährlich über eine Million Behandlungen im Einsatz.

1983 erhielt die Dornier System GmbH den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft für die Entwicklung des Nierensteinzertümmerers. Der Prototyp steht heute im Deutschen Museum in Bonn.

Dornier Medizintechnik

Dornier machte aus dem Produkt ein Geschäftsfeld. 1985 wurde es eine eigenständige Firma und später in der Dornier/DASA-Ära unter der Führung von Jürgen Schrempp mit der MBB-Medizintechnik zusammengelegt und als nicht zum Kerngeschäft Flugzeuge gehörend, verkauft. Die Firma hat zwischenzeitlich mehrfach den Besitzer gewechselt, heißt heute Dornier MedTech GmbH und ist in Weßling, noch am ehemaligen Dornier Standort Oberpfaffenhofen angesiedelt.

Literatur

  • Dornier-Broschüre Konzepte, Technologien, Systeme, Hrsg. Dornier GmbH, 1990

Weblinks

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