Hyporheisches Interstitial
Als hyporheisches Interstitial oder kurz Hyporheal (von griech. hypo (unter) und dem Fachterminus Rheal (Lebensraum des Fließgewässers)) wird der ökologische Lebensraum des Hohlraumsystems in dem von Fließgewässern abgelagerten Lockergestein (dem fluviatilen Sediment) bezeichnet, das sich dicht neben oder unter dem Oberflächenwasser eines Fließgewässers befindet. Die Zone, die sich unterhalb und seitlich an das Hyporheische Interstitial anschließt, wird auch uferfernes Interstitial genannt.
Hyporheisches Interstitial als Lebensraum
Das hyporheische Interstitial bildet, ähnlich wie Quellregionen, eine ökologische Übergangs- und Austauschzone zwischen einem Oberflächenwasser und seinem Grundwasser aus, wobei spezifische Umweltbedingungen für die Organismen herrschen.
Das hyporheische Interstitial bietet für viele Organismen eines Fließgewässers wichtige Lebensräume. Neben vielen Arten, die den Gewässerboden (Benthos) oder das Grundwasser bewohnen und gewisse Lebensphasen hier verbringen, gibt es auch Arten, die ausschließlich oder bevorzugt im hyporheischen Interstitial leben. Sie werden als "Hyporheophile" und "Hyporheobionte" bezeichnet.
Ökologische und biologische Bedeutung
Für manche Fischarten, sogenannte Kieslaicher wie die Forellen und Äschen, dient Kies als Laichplatz, da sich die Eier und Jungfische in den durchströmten Zwischenräumen entwickeln. Das hyporheische Interstitial hat eine wichtige Schutzfunktion für die Bewohner des Gewässerbodens. Für manche Kleinorganismen, z.B. Junglarven von Insekten oder auch Fischen kann es bei Gefahr zu einem Rückzugsort werden, wo zumindest ein Teil der Population überleben kann. Nach größeren Störungen, wie sedimentumlagernden Hochwasserereignissen, Durchzug einer Verunreinigungswelle oder aber oberirdischem Austrocknen, kann aus dem hyporheischen Interstitial eine Wiederbesiedlung des Fließgewässers erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass das Interstitialwasser gut durchströmt wird und eine genügend hohe Sauerstoffkonzentration aufweist.
Besiedlung und Strömungsbedingungen
Die Besiedlung durch geeignete kleine Organismen (z.B. Rädertierchen, Süßwassermilben, Junglarven von Wasserinsekten) kann in der Tiefenausdehnung bis 70 cm unter die Gewässersohle und seitlich bis über die Uferböschung hinaus reichen. Die Fließgeschwindigkeit im hyporheischen Interstitial beträgt in Fließrichtung des Gewässers etwa 1-2 Prozent der oberirdischen Fließgeschwindigkeit.
Bedrohung durch Feinsedimente
Das hyporheische Interstitial ist durch die zunehmende Feinsedimentfracht vieler Gewässer bedroht, die vor allem durch Erosion in Folge wasserbaulicher Maßnahmen eingetragen wird.[1] Diese Sedimentfracht kann sich in begradigten Fließgewässern nicht mehr in Still- oder Kehrwasserzonen oder bei Hochwasser im Flussauenbereich absetzen. Durch Sedimentation und Ablagerungen von Sand oder Schlamm am Gewässergrund kommt es dann zu einer Verstopfung der Lücken des Hyporheischen Interstitials, die als Kolmation bezeichnet wird. Wegen seiner wichtigen Bedeutung als Lebensraum von Kleintieren und „Kinderstube“ für viele Flussfische kann dies starke Auswirkungen auf die Gewässerökologie insgesamt und insbesondere den Erfolg der Wiederansiedelung von Wanderfischen wie Lachs und Meerforelle haben.
Literatur
- Dietrich Uhlmann und Wolfgang Horn: Hydrobiologie der Binnengewässer. Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8252-2206-3.
- Wilfried Schönborn: Lehrbuch der Limnologie. Schweizerbart, Stuttgart 2003, ISBN 3-510-65204-5.
- Jürgen Schwoerbel und Heinz Brendelberger: Einführung in die Limnologie. 9. Auflage. Elsevier, Heidelberg 2005, ISBN 978-3-8274-1498-4.
Einzelnachweise
- ↑ Ralf Gerken: „Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle im oberen Wümmegebiet: Praktischer Arten- und Gewässerschutz an Bächen und Flüssen des Tieflandes.“ Band 3 von Naturkundliche Schriftenreihe der Stiftung Naturschutz im Landkreis Rotenburg, Verlag BoD, 2006 S. 114.