Motoriktest für vier- bis sechsjährige Kinder
Der Motoriktest für vier- bis sechsjährige Kinder (kurz MOT 4-6) ist ein standardisiertes motodiagnostisches Verfahren zur Messung des motorischen Entwicklungsstandes bei Kindern im Vorschulalter.
Autoren
Der MOT 4-6 wurde von den Erziehungswissenschaftlern Renate Zimmer und Meinhart Volkamer entwickelt, die gemeinsam an der Universität Osnabrück unterrichteten. Beide beschäftigten sich intensiv mit Bewegung, Sport, Psychomotorik und der motorischen Entwicklung von Kindern.
Entstehung/Entwicklung
Der Test enthält zum Teil Aufgaben, die aus älteren Testverfahren übernommen und modifiziert wurden, sowie Aufgaben, die für das Verfahren neu konzipiert wurden. Die erste Rohfassung wurde im Jahre 1973 nach einer 10-jährigen Erprobungszeit an rund 1.200 Kindern in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht. Zwischen den Jahren 1973 und 1977 wurde er weiter modifiziert, bis er seine heutige Form erreicht hat. Das endgültige Manual wurde schließlich im Jahre 1987 veröffentlicht.
Aufgabenbereich
Der MOT 4-6 erfasst den motorischen Entwicklungsstand eines Kindes und ermöglicht die Einordnung der individuellen Leistung mit einer vergleichbaren Altersgruppe. Wird der Test mehrmals zu verschiedenen Zeiten mit derselben Testperson durchgeführt, lassen sich eventuelle Merkmalsänderungen feststellen und die Fördermaßnahmen individuell anpassen. Zudem unterstützen die Ergebnisse bei der Entscheidung, ob und welche Art von psychomotorischen Fördermaßnahmen zu empfehlen sind. Da es sich um ein standardisiertes Verfahren handelt, sind die Ergebnisse auch bei den Behörden ein wichtiges Einscheidungskriterium, ob und welche Art von psychomotorischen Fördermaßnahmen zu empfehlen sind und über die Zuschüsse hierfür.
Aufgaben
- Sprung in Reifen – dient dem Aufwärmen des Kindes, wird nicht gewertet.
- Balancieren vorwärts – es soll vorwärts über einen auf dem Boden liegenden Teppichstreifen balanciert werden.
- Punktieren (Tapping) – es sollen in der vorgegebenen Zeit so viele Punkte wie möglich auf ein Blatt Papier gemacht werden.
- Mit den Zehen Tuch aufheben – es soll mit den Zehen ein auf dem Boden liegendes Tuch aufgehoben und gehalten werden (beide Füße).
- Seil seitlich überspringen – es soll in einer vorgegebenen Zeit so oft wie möglich seitlich über ein am Boden liegendes Seil gesprungen werden.
- Stab auffangen – es soll so schnell wie möglich mit der Hand ein Stab gegriffen werden, den der Testleiter fallen lässt.
- Tennisbälle in Kartons legen – es sollen so schnell wie möglich drei Tennisbälle nacheinander von einem Karton in einen anderen gelegt werden.
- Balancieren rückwärts – es soll rückwärts über einen auf dem Boden liegenden Teppichstreifen balanciert werden.
- Zielwurf auf Scheibe – es soll aus 3 m Entfernung ein Tennisball auf eine Scheibe geworfen werden.
- Streichhölzer einsammeln – es liegen links und rechts neben einer passenden Schachtel jeweils 20 Streichhölzer. Diese sollen nacheinander, aber mit beiden Händen gleichzeitig in die Schachtel gelegt werden.
- Durch Reifen winden – es soll sich durch einen Reifen gewunden werden, ohne ihn dabei zu berühren und so, dass dabei nur die Füße den Boden berühren.
- Einbeiniger Sprung in Reifen – es soll mit einem Bein in einen Reifen gesprungen und 5 Sekunden gehalten werden.
- Tennisring auffangen – es soll aus einer bestimmten Entfernung ein Tennisring aufgefangen werden, den der Testleiter zuwirft.
- Hampelmannsprung – es soll 10 Sekunden lang der Hampelmannsprung durchführt werden.
- Sprung über Seil – es soll über ein Seil gesprungen werden (2 verschiedene Höhen).
- Rollen um Längsachse – es soll bei vollständiger Körperstreckung eine ganze Rolle um die Längsachse durchgeführt werden (beide Richtungen).
- Aufstehen/Hinsetzen – es soll, während dabei mit beiden Händen ein Ball über dem Kopf gehalten wird, aus dem Schneidersitz aufgestanden und sich wieder hingesetzt werden.
- Drehsprung in Reifen – es soll mit einer 180° Drehung in den Reifen und genauso wieder heraus gesprungen werden.
Unterteilung der Aufgaben
Bei der Vielfalt der Aufgaben wurde darauf geachtet, dass spezielle Fähigkeiten der Motorik abgedeckt werden. Sie lassen sich daher verschiedenen motorischen Dimensionen zuordnen:
- Gesamtkörperliche Gewandtheit und Koordinationsfähigkeit (Aufgabe 7, 11, 14, 16, 18)
- Feinmotorische Geschicklichkeit (Aufgabe 3, 4, 10)
- Gleichgewichtsvermögen (Aufgabe 2, 8, 12, 17, 18)
- Reaktionsfähigkeit (Aufgabe 6, 13)
- Sprungkraft (Aufgabe 15, 18)
- Bewegungsgeschwindigkeit (Aufgabe 3, 5, 7)
- Bewegungssteuerung (Aufgabe 9, 10)
Material und Dauer
Die Testzeit für ein Kind liegt bei 20 bis 25 Minuten. Der Raum, in dem der Test durchgeführt wird, muss mindestens 4×6 Meter groß sein. Des Weiteren gibt es einen speziellen Testsatz mit den Materialien, der aus genormten Sportgeräten und Alltagsgegenständen besteht.
Auswertung
Für die Aufgaben werden je nach Leistung 0–2 Punkte vergeben. Die Summe aller Punkte ergibt einen Rohwert. Dieser wird mit Hilfe von Normentabellen ausgewertet, wobei das genaue Alter des Kindes berücksichtigt wird. Für eine Interpretation der Werte auf der Normentabelle müssen sogenannte Standardwerte ermittelt werden. Ein Standardwert ist der motorische Quotient (MQ-Wert). Der MQ-Wert unterscheidet zwischen sehr guten (145–131 MQ), guten (130–116), normalen (115–86), unterdurchschnittlichen (85–71) und auffälligen (70–56) Ergebnissen.
Schlussbemerkungen
Die für Kinder relativ abwechslungsreich gestalteten Aufgaben sind mit Turnhallenmaterial und Alltagsgegenständen aufzubauen. Trotzdem ist der in der Testanweisung offiziell mit 20 bis 25 Minuten angegebene Aufwand pro Kind durch die Vielzahl der Aufgaben, vor allem mit Kindern, die Schwierigkeiten mit der Durchführung der Testaufgaben haben, oft nicht einzuhalten. Erschwerend kommt bei vielen Kindern hinzu, dass sie sprachliche Schwierigkeiten haben, die Aufgabenstellung zu verstehen. Schließlich sollen die Folgen des allseits bekannten Bewegungsmangels von Kindern nicht unerwähnt bleiben. Die hierdurch deutlich schlechteren motorischen Grundfertigkeiten bedingen – bei gleicher Durchführung – geringere durchschnittliche Punktzahlen als zum Entstehungszeitpunkt des MOT 4-6 im Jahre 1984.
Es müsste weitere Studien zur Validität des Verfahrens geben, insbesondere zu Validität von Kindern im Grenzbereich zwischen Normalität und Auffälligkeit. Dieses Testverfahren wird als Schuleingangsuntersuchung durchgeführt und ist in der Heilpädagogik als Diagnostikmittel bei Kindern mit motorischen Defiziten daher nicht mehr wegzudenken.
Heilpädagogische Sichtweise
Der MOT 4-6 zeigt den motorischen Entwicklungsstand eines Kindes. Der Motoriktest liefert den Nachweis der Förderbedürftigkeit einzelner Kinder. Liegen z.B. Defizite in der Reaktionsfähigkeit vor, wird dies im Förderplan als Förderziel notiert. Der Motoriktest wird nach einiger Zeit unter den gleichen Voraussetzungen wiederholt, um zu sehen, ob die Fördermaßnahme im motorischen Bereich effektiv war.
Literatur
- Dietrich Eggert: Diagnostisches Inventar motorischer Basiskompetenzen bei lern- und entwicklungsauffälligen Kindern im Grundschulalter. Borgman publishing, Dortmund 1993, ISBN 3-86145-028-3.
- Gabriele Winkler, Ina Paul, Horst Kummer, Robert Prohl, Jürgen Scherer: Gelebte Psychomotorik im Kindergarten - Kinder und Erzieherinnen gemeinsam in Bewegung. Karl Hofman, Schorndorf 1997, ISBN 3-7780-7560-8.
- Renate Zimmer: Motorik und Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern im Vorschulalter. Karl Hofmann, Schorndorf 1981, ISBN 3-7780-4801-5.
- Renate Zimmer, Meinhart Volkamer: Motoriktest für vier- bis sechsjährige Kinder : Mot 4-6 ; Manual / MOT 4-6. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beltz-Test, Weinheim 1987.
- Renate Zimmer: Psychomotorik - neue Ansätze im Sportförderunterricht und Sonderturnen. 4. unveränderte Auflage. Karl Hofmann, Schorndorf 1995, ISBN 3-7780-9904-3.