Naturwaldreservat
Als Naturwaldreservat werden größere Waldgebiete ausgewiesen, in denen die Entnahme von Holz und sonstige forstwirtschaftliche Nutzungen untersagt sind. Ein Naturwaldreservat wird im Wesentlichen der natürlichen Entwicklung überlassen, so dass im Idealfall nach längerer Zeit wieder urwaldähnliche Strukturen entstehen. Kennzeichen von Naturwaldreservaten sind häufig eine naturnahe Baumartenzusammensetzung sowie hohe Anteile von Totholz und alten Bäumen. In ihrer modernen Form gehen sie auf Initiative des Forstwissenschaftlers Hans Leibundgut (Schweiz) und dessen Schüler Hans Lamprecht (Deutschland) zurück.[1] Für die Reservate werden länderspezifisch unterschiedliche Bezeichnungen verwendet: Naturwaldreservat, Naturwald, Naturwaldzelle, Naturwaldparzelle, Bannwald, Totalreservat, Prozessschutzfläche. So wird in Baden-Württemberg die Bezeichnung Bannwald benutzt, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland Naturwaldzelle, in Niedersachsen Naturwald.
Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg gibt es 129 Bannwälder mit einer Gesamtfläche von über 8.857 Hektar.[2]
Bayern
In Bayern wurde bereits 1773 eine erste Verordnung zum Erhalt und der Pflege der Bäume und Waldschutzstreifen entlang der Straßen beschlossen, welche laufend ergänzt und verbessert wurde. Am 9. September 1855 erging eine Entschließung, die dem Forstpersonal zur Pflicht machte, jede Beschädigung oder Zerstörung von „Naturmerkwürdigkeiten“ zu verhindern. Am 8. Oktober 1884 wurden erstmals alle Naturmerkwürdigkeiten Bayerns inventarisiert, allerdings nicht veröffentlicht. 1978 wurden dann 135 Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von 5.145 Hektar ausgewiesen. Im Waldgesetz für Bayern ist vorgesehen, dass natürliche oder weitgehend natürliche Waldflächen als Naturwaldreservate eingerichtet werden können. Sie sollen die natürlichen Waldgesellschaften landesweit repräsentieren und der Erhaltung und Erforschung solcher Wälder sowie der Sicherung der biologischen Vielfalt dienen. Heute gibt es in Bayern 160 Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von 7.063 Hektar. Sie liegen überwiegend im Staatswald, fünf Reservate befinden sich im Kommunalwald und eines im privaten Eigentum. Die durchschnittliche Größe der bayerischen Naturwaldreservate beträgt 44 Hektar.[3] Weitere nutzungsfreien Waldflächen befinden sich in den beiden bayerischen Nationalparken Bayerischer Wald und Berchtesgaden. Die Koordination der Naturwaldreservatsforschung in Bayern liegt bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.
Andere deutsche Bundesländer
Neben den beiden oben genannten wurden bisher unterschiedlich viele Naturwaldreservate in den Bundesländern ausgewiesen: Brandenburg 20, Hamburg 4, Hessen 31, Mecklenburg-Vorpommern 35, Niedersachsen 106, Nordrhein-Westfalen 75, Rheinland-Pfalz 54, Saarland 16, Sachsen 8, Sachsen-Anhalt 15, Schleswig-Holstein 31, Thüringen 58.[4]
Österreich
In Österreich gibt es 200 Naturwaldreservate (NWR) mit einer Gesamtfläche von 8.603 Hektar. Das Naturwaldreservate-Programm wird vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft finanziert und vom Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft wissenschaftlich betreut. Das NWR-Programm ist als Vertragsnaturschutz-Modell konzipiert und beruht auf langfristigen (meist 20-jährigen) zivilrechtlichen Verträgen des Bundes mit den Eigentümern. Der Waldeigentümer nimmt freiwillig am NWR-Programmm teil; es bleiben Grund und Boden sowie der Waldbestand in seinem Eigentum. Der Waldeigentümer unterlässt Nutzungen, dafür erhält er ein Entgelt. Dieses setzt sich zusammen aus einem fixen Sockelbetrag für den Verwaltungsaufwand und dem Wirtschaftswert des Bestandes. Das wichtigste Kriterium für die Auswahl von Flächen ist die Repräsentativität in Abhängigkeit vom Areal der potenziellen natürlichen Waldgesellschaften in den einzelnen Wuchsgebieten. In Österreich kommen 118 Waldgesellschaften in 22 Wuchsgebieten vor.
Schweiz
In der Schweiz gibt es 415 Naturwaldreservate, inklusive des Schweizerischen Nationalparks, mit einer Gesamtfläche von 29.087 Hektar, das entspricht 2,5 Prozent der Schweizer Waldfläche (Stand: 12/2011). Der Schwerpunkt liegt in den Alpen. Das Ziel liegt bei 5 Prozent der Waldfläche und soll im Jahr 2030 erreicht sein. Erste Waldreservate wurden in der Schweiz ab Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt: Scatlè (1910), Schweizerischer Nationalpark (1914), Aletschwald (1933). Die Forschung in den Naturwaldreservaten wird von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der ETH Zürich gemeinsam durchgeführt.
Einzelnachweise
- ↑ Ernst Röhrig: Professor Dr. Hans Lamprecht im Ruhestand. In: Der Forst- und Holzwirt, 40. Jahrgang, Heft 1/1985, S. 19
- ↑ Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Naturwaldreservate des Bundeslandes Baden-Württemberg, abgerufen am 17. Dezember 2011.
- ↑ Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Naturwaldreservate - Kleine Urwälder in Bayern, abgerufen am 4. Januar 2012.
- ↑ Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Datenbank Naturwaldreservate in Deutschland, abgerufen am 18. Oktober 2011.
Literatur
- Wald in Hessen. Hrsg. Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, 2003. S. 48–49.
- Peter Meyer, Anne Wevell von Krüger, Roland Steffens, Wilhelm Unkrig: Naturwälder in Niedersachsen. Schutz und Forschung. Band 1. Göttingen und Braunschweig 2006. ISBN 3-00-019045-7 und ISBN 978-3-00-019045-2
- Althoff, B.; Hocke, R.; Willig, J.: Naturwaldreservate in Hessen – Ein Überblick. 1991. Download (pdf).
- Rudolf Rösler, Anton Schmidt: Naturwaldreservate im Bezirk der Forstdirektion Niederbayern-Oberpfalz, in: Hoppea. Denkschriften der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft, Bd. 61, Regensburg, 2000
- Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hrsg.): Naturwaldreservate in Österreich (Download)
- Peter Brang, Caroline Heiri, Harald Bugmann, Red.: Waldreservate. 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz. Bern, Haupt 2011. ISBN 978-3-258-07725-3
- Markus Bolliger, Nicole Imesch, Reinhard Schnidrig: Waldreservatspolitik der Schweiz: Zwischenbilanz und Perspektiven aus Sicht des Bundes (Essay). Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Bd. 163, 2012, S. 199-209
Weblinks
- Datenbank Naturwaldreservate in Deutschland
- LWF-aktuell 63: Naturwaldreservate in Bayern - Kompendium zu den "Urwäldern von morgen" der LWF
- www.naturwaldreservate.de
- Naturwaldreservate in Bayern
- Naturwaldzellenprogramm in Nordrhein-Westfalen
- Naturwaldreservate in Österreich
- Informationen zu den Bannwäldern (Naturwaldreservaten) in Baden-Württemberg
- Informationen zur Forschung in Schweizer Naturwaldreservaten