Plastikmüll in den Ozeanen


Die fünf größten zirkulierenden Meeresdriftströme der Erde
Grober Plastikmüll am Strand des Roten Meeres (nahe Safaga, Ägypten)
Plastikmüll am Strand der Dominikanischen Republik

Plastikmüll in den Ozeanen ist ein international bekanntes Umweltproblem. Plastikteile und deren Zersetzungsprodukte sammeln sich insbesondere in einigen Meeresdriftströmungswirbeln an und führen zu einer erheblichen Verdichtung in manchen Meeresregionen. Dem Nordpazifikwirbel (englisch North Pacific Gyre) hat dieses Phänomen den Beinamen Great Pacific Garbage Patch (dt. Großer Pazifikmüllfleck) eingebracht; 1997 wurde es erstmals beschrieben.[1]

Dabei geht die teilweise in den Medien verbreitete Vorstellung eines weitflächigen Müllteppichs fehl: Die globalen Plastikmüllansammlungen in den Meeren sind im Gegensatz zu Strandgut aus Plastik optisch nicht weiter auffällig. In den Meeren treibender Plastikmüll wird schon verhältnismäßig schnell in sehr kleine Fetzen zerrissen, die mit der Zeit einen immer höheren Feinheitsgrad bis hin zur Pulverisierung erreichen. Bei einem hohen Feinheitsgrad wird das Plastikpulver allerdings von verschiedenen Meeresbewohnern und unter anderem auch von Plankton als Nahrung aufgenommen. Angefangen beim Plankton steigen die Plastikpartikel, an denen giftige und krebsverursachende Chemikalien wie DDT und Polychlorierte Biphenyle anlagern,[2] in der Nahrungskette immer weiter auf. Auf diesem Weg gelangt der Plastikmüll mit den anlagernden Giftstoffen auch in die für den menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmittel.

In den 1980er Jahren gingen Wissenschaftler noch davon aus, dass die Plastikteilchen nicht weiter umweltrelevant seien, da sie ähnlich wie treibende Tangpflanzen eine Besiedlung durch Algen und Kleinstlebewesen aufweisen.[3] Das wissenschaftliche Fachjournal Environmental Science and Technology berichtete von einer Untersuchung an vielen Stränden auf allen sechs Kontinenten, welche überall Mikroplastikteilchen nachwies; dazu gehören wohl auch Fasern aus Fleece- und anderen Kleidungsstücken aus synthetischen Materialien: Im Abwasser von Waschmaschinen wurden bis zu 1.900 kleinste Kunststoffteilchen pro Waschgang gefunden.[4]

Bestandteile

Der Müll besteht aus Plastiktüten, Einmalrasierern, CD-Hüllen, Eimern, Kabeltrommeln, Zahnbürsten, Feuerzeugen und anderen Gegenständen. Kunststoffe werden im Meer durch Gezeiten und die Wirkung der Wellen in immer kleinere Stücke zerteilt.[5][6] Einige Kunststoffe werden spröde und brüchig durch Lichteinwirkung und Freisetzung der enthaltenen Weichmacher.

So entstehen unter anderem 3–5 mm große sogenannte Pellets, die von Meerestieren mit Plankton verwechselt und aufgenommen werden. Noch kleinere Bruchstücke und freigesetzte Chemikalien werden auch von Planktonorganismen selbst aufgenommen und besiedelt. Eine Einlagerung in Gestein wird unter anderem beim sogenannten Beachrock beobachtet.

Betroffene Gebiete, Ausdehnung und Dichte

Curtis C. Ebbesmeyer mit Plastikstrandgut

In durch Meeresströmungen entstandenen Meereswirbeln sammelt sich Zivilisationsmüll. Bislang gibt es laut Informationen der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und Wissenschaftlern der Sea Education Association (SEA) keine präzise Schätzung der Größe der Gebiete.[7][8]

Nach Informationen des United Nations Environment Programme (UNEP) von 2005 schwimmen durchschnittlich bis zu 13.000 Plastikteilchen auf jedem Quadratkilometer Ozean.[9] Die NOAA weist jedoch darauf hin, dass UNEP zu dieser Angabe keine wissenschaftliche Quelle anführt.[10]

Es wird angenommen, dass Plastikmüll nicht nur an der Oberfläche schwimmt. Schätzungen zufolge sinken 70 Prozent auf den Meeresgrund.

Laut einer Studie[11] kommt es entgegen früheren Annahmen zu einem schnellen Abbau von Kunststoffen durch Sonne, Regen und andere Einflüsse. Beim Abbau von Polystyrol kommt es dabei zur Freisetzung von Giftstoffen.

Nordpazifik

Besonders bekannt für seine erhöhte Konzentration von Plastikteilen ist das Gebiet des Nordpazifikwirbels zwischen Nordamerika und Asien, das auch als Great Pacific Garbage Patch bezeichnet wird.

In englischsprachigen Medien wurde das von Plastikmüll betroffene Gebiet als doppelt so groß wie Texas oder doppelt so groß wie die USA beschrieben.[12][13][14] Deutsche Medien vergleichen es mit der Größe Mitteleuropas, Zentraleuropas oder Westeuropas.[15][16][17] Eine Wissenschaftlerin der Oregon State University kommt zu dem Schluss, dass sich die höchsten bisher veröffentlichten Werte hochgerechnet zu einer geschlossenen Fläche addieren würden, die nur einem Prozent der Größe von Texas entspräche.[18]

Für den Great Pacific Ocean Garbage Patch werden eine Million Teilchen Kunststoff pro Quadratkilometer angenommen, also ein Teil pro Quadratmeter.[19] Anfang 2008 wurde berichtet, dass etwa 100 Millionen Tonnen Kunststoffmüll (mit steigender Tendenz) in dem Müllstrudel zirkulieren.[20] Die Plastikteile werden laut Informationen der NOAA schnell zerkleinert und sind bis zu 16 Jahre in dem Kreisel zu finden. Unter anderem von Charles Curtis Ebbesmeyer stammen verschiedene Strömungsmodelle zur Anlandung im Küstenbereich.[21]

Weitere Müllstrudel

Der subtropische Wirbel des Nordpazifiks ist der größte der fünf großen Strömungskreise in den Ozeanen. Doch das Müllproblem hat bereits andere Gebiete erreicht. In der Sargassosee im Nordatlantik wurden ebenfalls hohe Konzentrationen von Plastikmüll nachgewiesen.

Im nördlichen Atlantik gibt es zwischen 22 und 38 Grad Nord eine große Menge Plastikmüll. Die maximale Dichte der Kunststoffteilchen beträgt 0,2 Teilchen pro Quadratmeter. Diese Menge ist mit dem Great Pacific Garbage Patch vergleichbar.[22]

Gefahren

Toter Albatros mit Plastik im Magen
Von Plastiknetzen strangulierter Basstölpel auf Helgoland inmitten brütender Artgenossen, rechts unten im Bild

Der Plastikmüll hat erhebliche Auswirkungen auf marine Ökosysteme. Insbesondere größere Tiere sind durch mechanische Verletzungen gefährdet. So bleiben Seehunde mitunter in Getränkekästen stecken oder Fische und Delfine in aufgegebenen Fischernetzen. Charles Curtis Ebbesmeyer fand in einem verendeten Albatros-Jungtier an die 100 Plastikteile, mit denen es von den Elterntieren gefüttert worden war (National Geographic 10/2005).[23][24] Albatrosse und Eissturmvögel verwechseln die Abfallstücke mit Futter und fressen sie. Sie fühlen sich satt, verhungern aber schließlich mit müllgefülltem Magen. Auch Wale und Delfine fressen den Abfall.

Plastikteile können Giftstoffe anreichern.[25] Einige nehmen treibendes Rohöl aus natürlichen und menschlichen Quellen auf und erhalten so eine teerhaltige Oberfläche.[3]

Schwimmende wie auch am Grunde lagernde Plastikteile erlauben den Ansatz sessiler Tiere oder deren Larven, zum Beispiel Seepocken, Entenmuscheln, Hydrozoen und Pflanzen (Algen, Tange) (vergleiche Riffball) und können so Ausgangspunkte von künstlichen Biotopen werden.

Plastikmüll an der Mündung des Mandovi River in den Indischen Ozean

Herkunft des Plastikmülls

Plastikmüll wird über Flüsse ins Meer geschwemmt. Vielfach werden auch Mülldeponien und wilde Müllkippen im Ödland an Flüssen, Sümpfen oder Meeresküsten aufgeschüttet[26][27].

Ladungsverluste dürften den kleinsten Teil ausmachen. Bekannt wurde der Fall des Frachters Hansa Carrier, der am 27. Mai 1990 über 60.000 Turnschuhe verlor. Auf derselben Route wie die Hansa Carrier verlor das Frachtschiff Tokio Express auf dem Weg von Hongkong nach Washington 29.000 bunte Spielzeugtiere.[28][29] Seitdem werden etwa alle drei Jahre Teile dieser verlorenen Ladung in Alaska angespült. Demnach bewegt sich der Müll mit elf Zentimetern pro Sekunde (entspricht 0,4 km/h) in einem riesigen Kreis.[30]

Eine weitere große Quelle von Müll im Nordpazifik war der Tsunami in Folge des Tōhoku-Erdbebens im Jahr 2011, der große Mengen von Gegenständen aller Art ins Meer spülte, die seitdem im Nordpazifik herrenlos umhertreiben. Die Größe des dadurch entstandenen "Müllteppichs" wird mit einer Fläche größer als die Bundesrepublik Deutschland angegeben.[31]. Ein besonders spektakuläres Beispiel hierfür ist der zur Verschrottung vorgesehene Tintenfischtrawler Ryō Un Maru, der am 5. April 2012 von der US-Küstenwache vor Alaska versenkt wurde.[32].

Gegenmaßnahmen

Plastikmüll durch Schiffe in die Ozeane einzubringen, ist bereits 1988 mit dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) im Annex V verboten worden. Die Schiffsführung kommerzieller Schiffe ist verpflichtet, in einem so genannten Mülltagebuch über den gesamten an Bord anfallenden Müll Buch zu führen. Die Abgabe an Land ist mittels Quittung nachzuweisen. Verstöße gegen diese Bestimmungen können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. In Deutschland können gemäß Verordnung über Zuwiderhandlungen gegen das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und gegen das Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen (MARPOL-Zuwiderhandlungsverordnung) Bußgelder von bis zu 50.000 € verhängt werden.

Die kostenfreie Entladung des Mülls muss in allen Häfen möglich sein und der Müll an Land fachgerecht entsorgt werden. Die kleine NGO „Green-Ocean“ startete 2006 ein Pilotprojekt im Hafen von Livorno: Es wurde damit begonnen, von Fischern (1,8 Millionen in europäischen Gewässern) aufgefischten Plastikmüll anzukaufen.[33] Hiermit soll bewiesen werden, dass es möglich ist, kostengünstig und effektiv Plastikmüll aus dem Meer wieder zu entfernen.

Die Entsorgung von Hausmüll über die Flüsse ins Meer zu verbieten, ist ein weiteres wesentliches Anliegen.[34] Angestrebt wird auch, leichter biologisch abbaubare Kunststoffe und umweltverträglichere Polymere, Additive und Füllstoffe zu verwenden. Wissenschaftler der University of Southern Mississippi haben einige Polymere für den Zerfall im Meerwasser optimiert.[23]

Rezeption

  • Film und Buch Plastic Planet
  • Film Addicted to plastic

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Haffner: Eine Ahnung von Apokalypse, NZZ Folio 07/09
  2. Samiha Shafy: Umwelt: Das Müll-Karussell, Spiegel Online, 2. Februar 2008
  3. 3,0 3,1 Virgin plastic granules on some beaches of Eastern Canada and Bermuda, Murray R. Gregory, 13. Februar 1983, Marine Environmental Research, Band 10, Heft 2, 1983, S. 73-92, doi:10.1016/0141-1136(83)90011-9
  4. SECURVITAL - Das Magazin, 4/012, S.5: Textilien - Fleece im Meer (24. November 2012)
  5. Samiha Shafy: Umwelt: Das Müll-Karussell, Spiegel Online, 2. Februar 2008
  6. orange-press.com: Plastic Planet - Die dunkle Seite der Kunststoffe, Layout zum Buch
  7. NOAA: Info: Patch, Marine Debris Program Abgerufen am 27. Februar 2012.
  8. Plastic rubbish blights Atlantic Ocean, BBC News, 24. Februar 2010
  9. Marine Litter – An analytical overview Umweltprogramm der Vereinten Nationen, 2005
  10. NOAA Marine Debris Program - FAQs Abgerufen am 27. Februar 2012.
  11. Katsuhiko Saido et al.: New contamination derived from marine debris plastics, 238th ACS National Meeting, 2009
  12. Worse Than Climate Change, WGBH, 8. November 2011
  13. Brian Handwerk: Giant Ocean-Trash Vortex Attracts Explorers, National Geographic News, 31. Juli 2009
  14. Kathy Marks, Daniel Howden: The world’s rubbish dump: a tip that stretches from Hawaii to Japan, The Independent, 5. Februar 2008
  15. Rüdiger Schacht: Das alte Meer und der Müll, FAZ, 24. Januar 2011
  16. Pia Heinemann: Riesiges Feld aus Plastikmüll im Atlantik entdeckt, Welt online, 25. Februar 2010
  17. Samiha Shafy: Das Müll-Karussell, Spiegel Online, 2. Februar 2008
  18. Größe des pazifischen Müllstrudels übertrieben?, scinexx, 6. Januar 2011
  19. Florian Rötzer: Gigantische Plastikmüllhalde im Meer, in: Telepolis vom 28. August 2009
  20. Kathy Marks, Daniel Howden: The world’s rubbish dump: a tip that stretches from Hawaii to Japan, The Independent, 5. Februar 2008
  21. Wirbel im Pazifik: Plastikmüll fährt Karussell, Spiegel Online, 15. Januar 2007
  22. Victoria Gill : Plastic rubbish blights Atlantic Ocean, BBC News, 24. Februar 2010
  23. 23,0 23,1 Plastikmüll vergiftet die Weltmeere, Gesellschaft zur Rettung der Delphine, 12. Januar 2011
  24. http://www.plastic-sea.com/?file=projekt_beschreibung&language=german (Memento vom 24. Dezember 2008 im Internet Archive)
  25. nach Richard Thompson
  26. Constantin Vogt, Carmen Schnaidt: Leben vom Müll, Müllsammler in Cebu-City, pdf-Datei online abrufbar
  27. Eva Krafczyk, dpa: Müllkippe vergiftet Slum
  28. Dietmar Bartz : Unterwegs - Bade-Entchens letztes Ufer, NZZ Folio 04/02. Abgerufen am 6. August 2010
  29. Gigantischer Wirbel transportiert Plastikmüll durch den Atlantik, Access to sustainable knowledge, 15. Januar 2007. Abgerufen am 6. August 2010
  30. Gigantischer Wirbel transportiert Plastikmüll durch den Atlantik, Rhombos Online Nachrichten, 16. Januar 2007. Abgerufen am 6. August 2010
  31. Tsunami-Schrott aus Japan treibt im Pazifik, tagesschau.de, 1. November 2011. Abgerufen am 7. April 2012
  32. US-Küstenwache versenkt Tsunami-Geisterschiff, spiegel.de, 6. April 2012. Abgerufen am 7. April 2012
  33. [1], 11. November 2008. Abgerufen am 30. April 2012
  34. Lutz Reidt: Plastik statt Fisch im Bauch, Deutschlandradio Kultur, 2. März 2008

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