Polygynie
Die Polygynie (Vielweiberei) ist eine Eheform, das heißt eine spezielle Form der Polygamie, bei der es einem Mann gestattet ist, mehr als eine Frau zu heiraten. Polygynie ist in vielen Regionen weit mehr verbreitet als Polyandrie. Ist ein Mann dabei mit genau zwei Frauen liiert, wird das auch Bigynie genannt.
Viele polygyne Ehegemeinschaften kennen eine stark ausgeprägte Hierarchie und starke Rivalität zwischen den Frauen. Die (zeitlich) ersten Frauen haben im Normalfall einen höheren Status als die nach ihnen kommenden. Polygynie ist zudem oft ein Ausdruck einer Stratifikation zwischen Alter und Geschlecht: In vielen polygynen Gesellschaften heiraten ältere Männer sehr junge Frauen und jüngere Männer bleiben entweder sehr lange ledig oder heiraten ältere Witwen.
Das Auftreten von Polygynie korreliert mit politischen und ökonomischen Systemen, in denen menschliche Ressourcen – und nicht Land oder Güter – die wichtigsten Ressourcen darstellen.
Verbreitung
Polygynie kommt in weiten Teilen Afrikas, im islamisch geprägten Nahen und Mittleren Osten, in der Volksrepublik China, in Indonesien, Melanesien, Polynesien vor sowie bei verschiedenen Indianerstämmen in Nord- und Südamerika und historisch bei den Mormonen in Utah (noch heute bei einigen mormonischen Splitterkirchen). Sie war Bestandteil alter Religionen wie des Judentums und, bis heute, des Islam. Bei den Normannen und Wikingern wurde die Möglichkeit, eine Zweitfrau zu ehelichen, nach deren Christianisierung eine Zeit lang als More danico (nach dänischer Sitte) seitens der Kirche geduldet. Martin Luther verheiratete den Landgrafen von Hessen, Philipp den Großmütigen, auf Grundlage der Bibel ebenfalls mit zwei Frauen, schränkte das Recht aber auf die Herrscherschicht ein. Im Täuferreich von Münster wurde 1534 wegen eines erheblichen Frauenüberschusses die allgemeine Polygynie eingeführt.
Formen der Polygynie
Allgemeine Polygynie
Von allgemeiner Polygynie spricht man dann, wenn jeder Mann der betreffenden Gesellschaft die Möglichkeit hat, mehrere Frauen zu heiraten, und dies auch anstrebt. Allgemeine Polygynie kommt tendenziell eher in egalitär organisierten Gesellschaften vor.
Begrenzte Polygynie
Von begrenzter Polygynie wird dann gesprochen, wenn Mehrfachehen nur einer kleinen Schicht von Männern vorbehalten sind. Begrenzte Polygynie kommt tendenziell eher in stark stratifizierten Gesellschaften vor.
In einigen Gesellschaften mit begrenzter Polygynie haben nur Anführer oder Häuptlinge das Recht, mehrere Frauen zu heiraten. Bei den Trobriandern beispielsweise ist die Polygynie ein Statussymbol, mit dem die Macht eines Häuptlings ausgedrückt wird: Durch die Polygynie kann er mehr Kinder und Verwandtschaftsbeziehungen haben, die er wiederum strategisch manipulieren kann. Dadurch verfügt er über eine breitere wirtschaftliche Basis, und er kann bis zu einem gewissen Grad nicht nur seine Frauen, sondern auch deren Brüder kontrollieren.
Polygynie mit/ohne Koresidenz
Wenn die Frauen gemeinsam wohnen und leben, wird von Polygynie mit Koresidenz gesprochen. Polygynie mit getrennter Residenz tritt wesentlich seltener auf.
Sororale Polygynie
Sind die Ehefrauen Schwestern, spricht man von sororaler Polygynie. Im kulturellen Vergleich sind die non-sororalen polygynen Ehen häufiger als sororale vertreten.
Diese Eheform sollte nicht verwechselt werden mit dem Sororat.
Polygynie in der Tierwelt
Bei Tieren spricht man von Polygynie, wenn sich ein Männchen innerhalb einer Fortpflanzungsperiode mit mehreren Weibchen paart, die Weibchen jedoch nur mit diesem einen Männchen. Paaren sich auch die Weibchen mit mehreren Männchen, so spricht man von Promiskuität.
Ein klassisches Beispiel für die Polygynie beziehungsweise Polyandrie ist die Heckenbraunelle, die ein flexibles Paarungssystem besitzt und je nach Voraussetzung zwischen Monogamie, Polyandrie, Polygynie und Polygynandrie wechselt. Obligate Polygynie ist bei fast allen Hühnervögeln (Galliformes) und vielen Säugetierarten zu beobachten. Aber auch bei Insekten – wie bei den Feldwespen – ist Polygynie häufig anzutreffen.
Polygynie bei Ameisen
Bei Ameisen werden Kolonien als polygyn bezeichnet, welche mehr als eine Königin enthalten. Hierbei muss zwischen primärer (gemeinsame Gründung mehrerer Jungköniginnen) und sekundärer Polygynie (Adoption von Jungköniginnen) unterschieden werden. Sekundär polygyne Ameisenstaaten leben theoretisch unendlich lange, da gestorbene Königinnen mithilfe der Adoption ersetzt werden und die Kolonie somit weit über die Lebensspanne einer einzelnen Königin existieren kann.
Siehe auch
- Monogyn
- Polygamie (Mormonen)