Polyvinylpyrrolidon


Strukturformel
Strukturformel von Polyvinylpyrrolidon.
Allgemeines
Name Polyvinylpyrrolidon
Andere Namen
  • 1-Ethenyl-2-pyrrolidon-Homopolymer
  • Poly[1-(2-oxo-1-pyrrolidinyl)ethylen]
  • Polyvidone
  • 1-Vinyl-2-pyrrolidinon-Polymer
  • PVP
CAS-Nummer 9003-39-8
Art des Polymers

wasserlösliches Polymer

Kurzbeschreibung

weißes bis hellgelbes, hygroskopisches, amorphes Pulver

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Filmbildner

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,2 g·cm−3

Glastemperatur

110–180 °C

Wasseraufnahme

40 % (75 % rel. Luftfeuchtigkeit, 23 °C)

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung {{{GHS-Piktogramme}}}
H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Polyvinylpyrrolidon (PVP), auch Polyvidon oder Povidon, CAS: 9003-39-8, ist ein Polymer der Verbindung Vinylpyrrolidon.[1] PVP ist ein hygroskopisches, amorphes Pulver mit weißer bis hellgelber Farbe. Die Molmassen der handelsüblichen Polymere liegen im Bereich von ca. 2500 bis 2.500.000 Dalton.

Geschichte

Polyvinylpyrrolidon, ein Folgeprodukt der Acetylenchemie, wurde von Walter Reppe (BASF) entdeckt und 1939 zum Patent (Deutsches Reichspatent Nr. 737663) angemeldet. Es wurde zuerst als Blutplasmaersatz im Zweiten Weltkrieg eingesetzt und wird heute in den verschiedensten Anwendungen in Medizin, Pharmazie, Kosmetik und technischer Industrie[2][3] verwendet.

Eigenschaften

N-Vinylpyrrolidon, das Monomer

Aufgrund seiner amorphen Struktur besitzt PVP keinen Schmelzpunkt, sondern nur eine Glasübergangstemperatur, die je nach Polymerisationsgrad zwischen 110 und 180 °C liegt. PVP löst sich sowohl in Wasser als auch in einer Vielzahl organischer Lösungsmittel. In stark sauren Lösungen hydrolysiert der Lactam-Ring zur Aminosäure-Gruppe. Unter alkalischen Bedingungen und erhöhter Temperatur vernetzen die Ketten zu wasserunlöslichen Produkten. Der Ausgangsstoff Vinylpyrrolidon ist als kanzerogen der Kategorie 3 eingestuft. Das Polymer ist jedoch für den Menschen unbedenklich.

Handelsübliche Bezeichnungen sind vor allem Povidone, PVP oder Periston. Unterschieden wird hier beispielsweise zwischen:

  • Povidone K-30
  • Povidone K-90

Der K-Wert stellt eine in der Kunststoffindustrie übliche Klassifikation dar und steht in direktem Zusammenhang mit der mittleren molaren Masse des Polymers. Damit lässt sich aus dem K-Wert indirekt auf den Grad der Polymerisation und damit die Kettenlänge schließen.

Verwendung

  • Als Hilfsstoff in der pharmazeutischen Industrie.[4] Es dient in Medikamenten (speziell Tabletten) in der Regel als Bindemittel und kann die Freisetzung des Wirkstoffs in den Körper beeinflussen. Die quervernetzten Produkte steuern den Zerfall der Tablette.
  • Verwendung in Augentropfen gegen 'trockenes Auge'.
  • In der Notfallmedizin verwendete man es früher als Blutplasmaexpander.
  • Als Iod-Lösung, Salbe oder Creme (Handelsname Betaisodona®, Braunol®) hat sich PVP-Iod, das zu den Iodophoren zählt, in der medizinischen Wundbehandlung durchgesetzt, wobei ein 3%iges Povidon-Iod (PVP-I) als liposomales Hydrogel eine signifikant bessere Wirksamkeit und Gewebeverträglichkeit in der Feuchtversorgung von Wunden zeigt.[5]
  • In Lebensmitteln wird es vor allem als Binde- und Verdickungsmittel, Stabilisator und Überzugsmittel verwendet. Es ist in der EU als Lebensmittelzusatzstoff der Bezeichnung E 1201 ohne Höchstmengenbeschränkung ausschließlich für Nahrungsergänzungsmittelpillen/-dragees zugelassen.
  • Bei Color-Waschmitteln soll PVP als Farbübertragungsinhibitor beim Waschvorgang die Übertragung von Farbstoffen auf andere Textilien vermindern.
  • Es wird in Shampoos als Verdickungsmittel, in Haarsprays und in Zahnpasten eingesetzt.
  • In Klebstoffen alter Briefmarken und Briefumschlägen enthalten.
  • In Klebstiften (Glue sticks) und Schmelzklebstoffen (Hot melt)
  • Als Spezialhilfsmittel zur Herstellung von Batterien, Keramik[6], Glasfasern, Ink-Jet-Tinten und -Papier und Verwendung beim Chemisch-mechanisches Polieren (CMP).
  • Als Emulgier- und Dispergiermittel in Lösungspolymerisationen
  • Als Photoresist zur Herstellung von Kathodenstrahlröhren (CRT)
  • Verwendung von wässrig basierten Metallabschreckbädern
  • Zur Herstellung von Membranen für die Mikro- und Ultrafiltration, insbesondere zur Verwendung in der Dialyse und der Trinkwasserfiltration
  • Als Binde- und Komplexierungsmittel in speziellen Agro-Anwendungen, wie Saatgutbehandlung und –beschichtungen, Herbizid- und Insektizid-Formulierungen.
  • Als Blockierungsmittel unspezifischer Proteinbindungsstellen auf den Membranen beim Southern Blot (Denhardt's solution), Northern Blot und Western Blot.

Derivate

Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP), auch Crospovidon genannt, ist vernetztes Polyvinylpyrrolidon. Als Lebensmittelzusatzstoff (E 1202) wird PVPP als technischer Hilfsstoff in der Getränkeindustrie verwendet. Als Stabilisierungsmittel bindet es unerwünschte Gerbstoffe und Polyphenole in Wein, Bier und Säften, welche anschließend abgefiltert werden können. Darüber hinaus wird es in Tabletten als Sprengmittel (Zerfallsmittel) verwendet.

Durch Einbau ausgewählter Comonomere in die Polymerkette lassen sich die Eigenschaften der VP-Homopolymere gezielt variieren. Geeignete Comonomere sind z.B. N-Vinylimidazol, Vinylacetat und Vinylcaprolactam. Vinylpyrrolidon/Vinylacetat-Copolymere werden insbesondere als Verdicker und hydrophile Heißschmelzkleber (Glastemperatur ca. 105 °C) verwendet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. F. Haaf, A. Sanner and F. Straub: Polymers of N-Vinylpyrrolidone: Synthesis, Characterization and Uses. In: Polymer J. 17. Jahrgang, Nr. 1, 1985, S. 143–152, doi:10.1295/polymj.17.143.
  2. Dr. Stephan Bauer, Dr. Frank Fischer: Ein Tausendsassa in der Chemie - Polyvinylpyrrolidon. In: Chemie in unserer Zeit. 43. Jahrgang, Nr. 6, 2009, S. 376–383, doi:10.1002/ciuz.200900492.
  3. Dr. Alexander Göthlich, Sebastian Koltzenburg, Dr. Gunnar Schornick: Funktionale Polymere im Alltag: Vielseitig. In: Chemie in Unserer Zeit. 39. Jahrgang, Nr. 4, 2005, S. 262–273, doi:10.1002/ciuz.200400346.
  4. Volker Bühler: Excipients for Pharmaceuticals - Povidone, Crospovidone and Copovidone. Springer, Berlin, Heidelberg, New York 2005, ISBN 3-540-23412-8.
  5. Reimer K, et al.: An Innovative Topical Drug Formulation for Wound Healing and Infection Treatment: In vitro and in vivo Investigations of a Povidone-Iodine Liposome Hydrogel. In: Dermatology. 201. Jahrgang, Nr. 3, 2000, S. 235–241, doi:10.1159/000018494.
  6. Stephan Bauer, Frank Fischer: Polyvinylpyrrolidon (PVP): ein vielseitiges Spezialpolymer - Verwendung in der Keramik und als Metallabschreckmedium. In: Keramische Zeitschrift. 61. Jahrgang, Nr. 6, 2009, S. 382–385.

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