Rosskastanienminiermotte



Rosskastanienminiermotte

Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Schmetterlinge (Lepidoptera)
Familie: Miniermotten (Gracillariidae)
Unterfamilie: Echte Miniermotten (Gracilariinae)
Gattung: Cameraria
Art: Rosskastanienminiermotte
Wissenschaftlicher Name
Cameraria ohridella
Deschka & Dimic, 1986

Die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella), auch Balkan-Miniermotte genannt, ist ein Kleinschmetterling aus der Familie der Miniermotten (Gracillariidae). Sie wurde in Europa erstmals 1984 in Mazedonien in der Nähe des Ohridsees entdeckt, 1989 in Österreich (im Raum von Linz und Steyr[1]) nachgewiesen[2] (eine erste Massenvermehrung fand hier bereits 1990/91 statt[3]) und breitet sich sehr schnell weiter in Mitteleuropa, sowohl nach Osten als auch nach Westen aus. Im Nachhinein konnten Funde auf einem Herbarbeleg nachgewiesen werden, der 1879 in Griechenland gesammelt worden war.[4][5]

Ihre extrem schnelle Vermehrung ist dadurch zu erklären, dass die Art nur wenige natürliche Feinde hat.

Merkmale

Der Falter ist etwa fünf Millimeter lang und besitzt eine Vorderflügellänge von ca. 3,5 Millimetern. Die Art besitzt lange schwarz-weiß geringelte Fühler sowie drei weiße Querbänder auf den Vorderflügeln. Auffällig ist das federartige Ende der Hinterflügel.

Verhalten

Lebensweise

Die Weibchen legen etwa 20 weiße, abgeflachte Eier auf den Blattoberseiten des befallenen Baumes ab. Es wurden pro Kastanienblatt bis zu 300 Eier beobachtet. Nach etwa drei Wochen schlüpfen die Junglarven. Sie minieren – fressen sich also einen Gang von ein bis zwei Millimeter Länge – strichförmig parallel zu einem Blattnerv, den sie dann seitlich weiterführen. Im zweiten und dritten Larvenstadium wird die Mine zu einem kreisförmigen Gebilde ausgebaut, das einen Durchmesser von bis zu acht Millimetern erreichen kann.

Raupe

Im vierten und fünften Larvenstadium sind die Larven nicht mehr abgeplattet, sondern rundlich und deutlich segmentiert. Die Minen der Larven können 30 bis 40 Millimeter groß werden und zwei Seitennerven des Kastanienblattes überlappen. Bei starkem Befall können auch so genannte Gemeinschaftsminen entstehen, in denen sich mehrere Larven entwickeln. Das Einspinnstadium beginnt nach dem fünften Larvalstadium, die anschließende Puppenruhe beträgt im Sommer 12 bis 16 Tage oder bei der überwinternden Generation sechs Monate.[6]

Flugzeiten

Die Rosskastanienminiermotte bildet meistens drei aufeinanderfolgende Generationen pro Jahr, die im Mai, Juli und Mitte August bis Ende September fliegen.[7]

Schadwirkung

Rosskastanienblätter, geschädigt durch die Kastanienminiermotte
frühzeitiger Herbst

Die Falter schlüpfen etwa Mitte April. Die Weibchen legen hunderte Eier an der Oberseite des Blattes ab. Daraus entwickeln sich etwa 30 Larven, die sich rund zwei Wochen später in die Blätter bohren, um den Blattzellen Nährstoffe zu entziehen. Die Fraßgänge (Minen) der Larven führen zu einer schnellen Braunfärbung und zum langsamen Welken der Blätter schon im Sommer.

Die Raupen verpuppen sich und nach kurzer Zeit schlüpft der Falter. Dieser Zyklus wiederholt sich drei- bis viermal im Jahr. Die letzten Puppen überwintern im Blatt.

Auswirkungen auf den Bestand der Gewöhnlichen Rosskastanie in Europa

In ihrem natürlichen Verbreitungsraum ist sie kein bemerkenswerter Schädling. In Mitteleuropa verursacht sie jedoch als Neobiot die Kastanienkrankheit. Die Miniermotte befällt grundsätzlich die Weißblütige Rosskastanie (Gewöhnliche Rosskastanie, Aesculus hippocastanum L.), die in Mitteleuropa in Park- und Gartenanlagen sowie als Straßenbaum kultiviert wird. Ein Teil der sonstigen Rosskastanien-Arten – bzw. deren Varietäten, Hybriden und Kultivare – werden ebenfalls befallen, wobei die Stärke des Befalls und der Grad der Schädigung variiert. Ihre Eier wurden vereinzelt auch auf der Roten Rosskastanie (Aesculus pavia) gefunden, die jungen Larven sterben dort jedoch ab.

Bisher ist noch kein Absterben der Bäume aufgrund des Befalls beobachtet worden. Jedoch existieren auch keine Langzeiterkenntnisse. Auf längere Sicht ist eine Schwächung der Bäume zu befürchten, da sie durch das Absterben der Blätter an der Assimilation gehindert werden. Zusätzliche negative Auswirkungen durch andere Kastanienkrankheiten könnten aber zukünftig auftreten.

In besonderen Fällen, beispielsweise bei starker Vermehrung, kann es zum Wirtswechsel kommen. Die Schädlinge sind schon an Berg- und Spitzahorn beobachtet worden.

Bekämpfung

Chemische Präparate

Zur Bekämpfung der Miniermotte findet das als Chitininhibitor wirkende Präparat Dimilin (Wirkstoff: Diflubenzuron) Einsatz. Dimilin hat eine larvizide (Absterben der Larven) sowie eine ovizide Wirkung (verhindert das Schlüpfen der Larven). Dennoch ist es für Menschen, Haustiere, Vögel und Nutzinsekten (Bienen, Florfliegen) ungefährlich. Der beste Zeitpunkt für eine Spritzung mit Dimilin ist im April/Mai, kurz vor der Rosskastanienblüte. Des Weiteren sind für die Bekämpfung der Rosskastanienminiermotte in Deutschland Präparate mit den Wirkstoffen Azadirachtin sowie Methoxyfenozid zugelassen.[8] Azadirachtin ist der insektizide Wirkstoff des Niembaumes. Es hat eine teilsystemische Wirkung (wird von den behandelten Pflanzenteilen aufgenommen und erreicht so auch versteckt lebende bzw. minierende Schädlinge); es zeichnet sich durch eine ausgeprägte Fraßstoppwirkung aus und greift in das hormonelle Gleichgewicht der Schadinsekten, es stört die Häutung, Metamorphose und blockiert die Vermehrung der behandelten Schädlinge.[9] Methoxyfenozid ist ein synthetischer Wirkstoff aus der Gruppe der Bisacylhydrazide. Es wirkt als ein Ecdysonagonist durch vorzeitige Einleitung der Häutung der Larven, was deren Absterben zur Folge hat; es ist ein ausgesprochenes Fraßgift mit gewisser Tiefenwirkung und es wirkt selektiv gegen die Larven von schädlichen Lepidoptera (Motten, Schmetterlinge); zusätzlich hat es eine ovizide Wirkung (Abtötung von Eigelegen der Schädlinge). Die Fraßstoppwirkung („antifeedant activity“) des Methoxyfenozid setzt bald nach der Aufnahme des Wirkstoffes durch die Schädlinge, noch vor deren Absterben, ein.[10]

Bekämpfung mit Sexuallockstoffen

Im Handel gibt es Fallen mit Sexuallockstoffen (Pheromonen). Diese sind für Monitoring gut geeignet, Bekämpfungserfolge konnten mit den bisher erprobten Verfahren jedoch noch nicht erzielt werden.

Natürliche Feinde

Blaumeise in einer Rosskastanie vertilgt Miniermotten

Da sich die Rosskastanienminiermotte erst seit relativ kurzer Zeit in Mitteleuropa ausbreitet, gibt es keine Fressfeinde, die sich auf diese Tiere spezialisiert haben. Es wurden aber wiederholt Blau- und Kohlmeisen beobachtet, die zu bestimmten Zeiten in Kastanien in größeren Trupps Blatt für Blatt absuchen. Bei solchen Bäumen hält sich der Befall soweit in Grenzen, dass nur ein Teil der unteren Blätter vor dem Herbst abfällt. Blätter weiter oben weisen zwar die typischen Fraßspuren auf, sind aber ansonsten grün.

Eine zusätzliche Möglichkeit besteht in der Förderung weiterer natürlicher Feinde, zu denen auch Schlupfwespen zählen. Diese parasitieren in den Raupen der Rosskastanienminiermotte, was letztlich zum Absterben der Larve führt. Schweizer Forscher haben in einem Projekt das Laub, welches neben den Puppen der Rosskastaninienminiermotte auch die der Schlupfwespen enthält, in speziellen Laubcontainern gesammelt. Diese waren mit einer feinmaschigen Textilplane umgeben, so dass nur die kleineren Nützlinge entweichen konnten. Der Anteil der durch Schlupfwespen parasitierten Motten kann dadurch etwa verdoppelt werden.

Fehlende oder geringe Parasitierung kommt allgemein bei noch wenig adaptierten, also verschleppten, vor kurzem erst eingewanderten Adventivarten vor; und gerade die diskutierte Art ist ein gutes Beispiel für dieses Phänomen.[11]

Laubsammlung

Um die Mottenlast für den Baum zu verringern, muss ganzjährig das Laub der Rosskastanie gesammelt und vernichtet werden, damit die Puppen nicht überwintern können. Die über das ganze Jahr gebildeten Dauerstadien sind sehr widerstandsfähig; im Gegensatz zum Laub verrottet die Puppe nicht. Eine effektive Vernichtung der Puppen wird nur in kommerziellen Kompostieranlagen erreicht, da nur hier die notwendigen hohen Temperaturen erreicht werden. Eine einfache Kompostierung im Garten reicht also nicht aus. Alternativ ist eine Verbrennung des Laubs möglich, jedoch nicht überall grundsätzlich erlaubt. Verschiedene Umweltministerien der Länder gestatten aber die Verbrennung von Kastanienlaub zur Mottenbekämpfung.[12]

Quellen

Einzelnachweise

  1. H. PSCHORN-WALCHER, Zehn Jahre Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ohridella DESCHKA & DIMIC; Lep., Gracillariidae) im Wienerwald, Linzer Biologische Beiträge, 33/2, 2001
  2. H. PSCHORN-WALCHER, Freiland-Biologie der eingeschleppten Roßkastanien-Miniermotte Cameraria ohridella DESCHKA et DIMIC, (Lep., Gracillariidae) im Wienerwald, Linzer Biologische Beiträge, 1994
  3. Christa Lethmayer, Über 10 Jahre Cameraria ohridella (Gracillariidae, Lepidoptera) - neue Nützlinge?, Entomologica Austriaca, 8/2003
  4. idw-online.de vom 21. Juni 2011: Hochinvasive Kastanienminiermotte lebte bereits 1879 am Balkan: Neue Fakten zur Herkunft.
  5. David C Lees et al.: Tracking origins of invasive herbivores through herbaria and archival DNA: the case of the horse-chestnut leaf miner. In: Frontiers in Ecology and the Environment, Online-Veröffentlichung 2011, doi:10.1890/100098
  6. Peter Hummel: Die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella). Abgerufen am 4. Dezember 2011.
  7. Stadtentwicklung Berlin: Flugverlauf der Kastanienminiermotte 2003. Abgerufen am 4. Dezember 2011.
  8. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel; Kultur: „Rosskastanien-Arten“; Schadorganismus: „Kastanienminiermotte“, https://portal.bvl.bund.de/psm/jsp/ListeMain.jsp?page=1&ts=1342931151379 (Abgerufen am 22. Juli 2012)
  9. Ishaaya, I.; Nauen, R.; Rami Horowitz, A. Eds: Insecticides Design Using Advanced Technologies. (Chap. 10: 3. Azadirachtin and Related Limonoids from the Meliaceae). Springer-Verlag, 2007. ISBN 978-3-540-46904-9
  10. Krämer, W. et al.: Modern Crop Protection Compounds, Volume 3: Insecticides. 2nd Ed. (Chap. 28: Bisacylhydrazines: Novel Chemistry for Insect Control). Wiley-VCH, 2012. ISBN 978-3-527-32965-6
  11. Gerfried Deschka, Beitrag zur Populationsdynamik der Cameraria ohridella DESCHKA & DIMIC (Gracillariidae, Lepidoptera, Chalcididae, Ichneumonidae, Hymenoptera), Linzer Biologische Beiträge, 27/1, Linz 1995
  12. Giselher Grabenweger, Auswirkungen der Fallaubentfernung auf Cameraria ohridella Deschka & Dimic (Lepidoptera, Gracillariidae) und ihre Parasitoiden, Institut für Pflanzenschutz, Universität für Bodenkultur Wien, 2001

Weblinks

Commons: Rosskastanienminiermotte – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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