Schrumpfkopf
- Wikipedia:Vorlagenfehler/Vorlage:Literatur/Parameterfehler
- Seiten mit Skriptfehlern
- Kultur (Südamerika)
- Mumie
- Kopf
Ein Schrumpfkopf, eigentlich Tsantsa (Jivaro), ist ein nach einer bestimmten Methode bearbeiteter und eingeschrumpfter Kopf eines getöteten Menschen. Echte Schrumpfköpfe wurden bis in das 19. Jahrhundert als Trophäen von Kopfjägern einiger indigener Völker Südamerikas angefertigt und zu kultischen Zwecken verwendet.
Hintergrund
Die Kopfjagd war in vielen Regionen der Erde üblich, jedoch ist der Brauch der Anfertigung von Schrumpfköpfen aus den Köpfen getöteter Feinde nur von wenigen Völkern aus den Regenwäldern des Amazonasbeckens bekannt. Im Glauben dieser Völker ging, nach erfolgreicher Kopfjagd, die Lebenskraft des getöteten bei Durchführung einer Reihe komplexer Rituale und mit Anfertigung der Kopftrophäe (Tsantsa) auf den Jäger über. Neben dieser Funktion sollten die Tsantsas der eigenen Sippe zukünftige Jagderfolge, Gesundheit, Kriegsglück, Ernteerfolge und die Fruchtbarkeit der Frauen begünstigen. Den Opfern galt die Behandlung der Köpfe als „Vollendung“ der Blutrache und ultimative Demütigung, was jedoch weitere Angriffe und Gegenangriffe nicht ausschließen konnte. Tsantsas wurden nur aus Kopftrophäen von getöteten Feinden, jedoch niemals von Angehörigen des eigenen Stammes oder von Blutsverwandten genommen, auch wenn sie mit ihnen verfeindet waren. Die Aguaruna und Shuar in Peru und Ecuador pflegen diesen Brauch noch heute, jedoch verwenden sie jetzt für ihre Tsantsa keine menschlichen Köpfe mehr, sondern Köpfe von Faultieren.[1] Erste Berichte über Kopfjagd und Schrumpfköpfe bei den Jivaro verfasste der spanische Konquistador Miguel de Estete im Jahr 1530 aus dem Küstengebiet von Ecuador, die den Konquistadoren bei mehreren erfolglosen Eroberungsversuchen mit besonderer Furchtlosigkeit und Grausamkeit entgegentraten.[2] 1861 wurde in London erstmals ein Schrumpfkopf in einer völkerkundlichen Ausstellung gezeigt. Der norwegische Ethnologe Rafael Karsten[3][4] nutze mehrere Aufenthalte in Südamerika in den Jahren 1916 bis 1947 für Studien über Praktiken und Rituale der Kopfjagd und der spirituellen Hintergründe zur Anfertigung und Verwendung der Schrumpfköpfe.[1]
Anfertigung
Die meist faustgroßen Trophäen wurden aus dem abgetrennten Kopf eines Gegners angefertigt. Dazu wurde der Kopf so nah wie möglich am Oberkörper abgetrennt. Der erfolgreiche Jäger trug den Kopf auf dem Rückzug oder der Flucht bei sich und bei der ersten Gelegenheit wurde ein Ritual abgehalten, das den Rachegeist des getöteten unter Kontrolle bringen sollte. Danach wurde die Kopfhaut auf der Rückseite unterhalb des Halswirbelansatzes aufgeschnitten und vorsichtig von Knochen und Muskelgewebe abgelöst. Die Augenlider und der Nackenschnitt wurden von Innen vernäht. Der Mund wurde vernäht oder mit Nadeln aus Bambus verschlossen, um das Ausfahren des Rachegeistes des Toten zu verhindern. Das Innere der Kopfhaut wurde anschließend mit etwas Sand gefüllt und in einem eigens angefertigten Topf mit frischen Flusswasser und Kräuterzusätzen gehängt und vorsichtig erhitzt, bis eine erste Schrumpfung des Hautsackes einsetzte. Das Wasser durfte dabei nicht kochen, da sich sonst die Kopfhaare aus der Haut lösten, die als Sitz der Seele und Lebenskraft angesehen wurden. Anschließend wurden Nasen- und Ohrenöffnungen provisorisch verschlossen und ein Lianenring an der Halsöffnung angenäht. Danach wurde der Hautsack rituell mit drei kleinen erhitzten Steinen ausgeschwenkt. Die Mumifizierung und Schrumpfung auf die endgültige Größe erfolgte durch im Feuer erhitzten feinen Sand, der so oft in den Hautsack gefüllt und darin geschwenkt wurde, bis der Kopf schließlich die gewünschte Größe erreichte. Anschließend wurde das Innere der Kopfhaut gereinigt und die Gesichtszüge modelliert. Die Bambusnadeln des Mundverschlusses wurden mit roter Farbe bemalt, mit roten Textilfäden umwickelt oder durch eine kunstvolle Verschnürung ersetzt. Möglicherweise folgte danach noch eine Räucherung des Schrumpfkopfes zur Konservierung und um eine dunkle Hautfarbe zu erreichen. Schließlich wurde am Haarwirbel ein Band angebracht, an dem der erfolgreiche Jäger seine Trophäe bei der Siegeszeremonie um den Hals tragen konnte. Diese Prozedur konnte sich über mehrere Tage oder Wochen erstrecken und war durch strikte Regeln zu Arbeitsabläufen, Ritualen, Handlungs- und Verhaltensweisen geprägt. Der meist junge Jäger wurde dabei von älteren, erfahrenen Kriegern und Medizinleuten unterstützt.[1]
Nachwirkungen
Im 19. und 20. Jahrhundert waren Schrumpfköpfe ein beliebtes Mitbringsel von Seeleuten und Reisenden aus Südamerika, wodurch sie zu einem begehrten Objekt völkerkundlicher Sammler und Museen Europas und Nordamerikas wurden. Diese gestiegene Nachfrage wurde teilweise durch Auftragsarbeiten bedient, wofür zum Teil auf Köpfe von Menschen unterschiedlichster Herkunft, auch auf Gräber oder Friedhöfe zugegriffen wurde. Fritz W. up de Graff[5] berichtet 1923 von einem Mann aus Panama, der Schrumpfköpfe und sogar ganze Schrumpfkörper herstellte, von denen sich jetzt zwei im Bestand des National Museum of the American Indian befinden.[1] Seit den 1920er Jahren werden Schrumpfkopfrepliken auch aus der Haut und den Haaren von Ziegen oder anderer Tiere hergestellt und verbreitet. Einige dieser Repliken sind auf den ersten Blick nur schwer von echten menschlichen Präparaten zu unterscheiden.[1] Bei der Befreiung des KZ Buchenwalds durch die 3. US-Armee wurden zwei Schrumpfköpfe gefunden, die ein Arzt der SS nach Angaben von Lagerinsassen aus den enthaupteten Köpfen zweier hingerichteter polnischer Lagerflüchtlinge anfertigte[6], und die bei den Buchenwald-Prozessen im Internierungslager Dachau als Beweismittel mit vorgebracht wurden.[7] Bis in die 1980er Jahre wurden ähnliche Rituale an Toten von Bürgerkriegen praktiziert, um den Rebellen Mut und Willen für ihren Kampf zu verleihen, und ihren Mitmenschen ihre Siege zu verdeutlichen.
Literatur
- Andreas Schlothauer: Eine besondere Trophäenbehandlung - Die Schrumpfköpfe der Jivaro-Völker. In: Alfried Wieczorek, Wilfried Rosendahl (Hrsg.): Schädelkult - Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Schnell + Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2454-1, S. 217–223.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Andreas Schlothauer: Eine besondere Trophäenbehandlung - Die Schrumpfköpfe der Jivaro-Völker. In: Alfried Wieczorek, Wilfried Rosendahl (Hrsg.): Schädelkult - Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Schnell + Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2454-1, S. 217–223.
- ↑ Der Mythos der unbesiegbaren Kopfjäger auf arte vom 13. Februar 2006 (abgerufen am 15. August 2012)
- ↑ Rafael Karsten: The head-hunters of Western Amazonas. The Life and Culture of the Jibaro Indians of Eastern Ecuador and Peru. Helsingfors (englisch).
- ↑ Rafael Karsten: Some critical remakrs on Ethnological Field-research in South America. Helsingfors (englisch).
- ↑ Fritz W. up de Graff: Head Hunters of the Amazon - Seven Years of Exploration and Adventure. New York 1923 (englisch).
- ↑ Foto Nr. 009.012, entstanden zwischen 11. und 15. April 1945, auf Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora (französisch, abgerufen am 15. August 2012)
- ↑ Dachau Tribals auf www.Scrapbookpages.com (englisch, abgerufen am 15. August 2012)
Weblinks
- Der Mythos der unbesiegbaren Kopfjäger auf arte vom 13. Februar 2006 (abgerufen am 15. August 2012)
- Schrumpfkopf der Jibaro auf Deutsches Ledermuseum
- Website mit Abbildungen von Schrumpfköpfen (englisch)