Spurdreieck (darstellende Geometrie)


Mit Spurdreieck (auch: Differenzendreieck) wird eine graphische Hilfskonstruktion der darstellenden Geometrie zur Ermittlung der wahren Länge einer Strecke bezeichnet. Die Hilfskonstruktion ist erforderlich, da Strecken im dreidimensionalen Zeichnungsraum durch die Projektion auf eine zweidimensionale Blattebene verkürzt erscheinen, ihre wahre Länge also nicht einfach abgemessen werden kann, wenn sie nicht parallel zu einer der drei Projektionsebenen („Tafeln“) liegen. Erstmals beschrieben wurde das Spurdreieck in der Zweitafelprojektion des Gaspard Monge. Das Verfahren wird daher auch Drehung nach Monge genannt.

Datei:Wahre-Lange Koord1.png
Prinzip der Drehung nach Monge

Verfahren

Anschaulich gesagt, wird mit dem nachfolgend beschriebenen Verfahren ein Treppengeländer oder ein Gratsparren sozusagen über eine Hilfsebene in die Grundrissebene geklappt. Nach der Klappung kann man dann wahre Strecken und Winkel abnehmen. Das Verfahren lässt sich mit jeder der drei Bildebenen durchführen. Es ist vom Prinzip her vergleichbar mit der im Zimmermannshandwerk bekannten Schiftung, wo es praktische Anwendung findet.

Konstruktion

Datei:Spurdreieck(dg).jpg
Spurdreieck in der darstellenden Geometrie. (Skizze)
Der rechte Winkel des aufrecht in der Hilfsebene stehenden Differenzendreiecks ist projektiv verzerrt, erscheint also in der Bildebene für den Betrachter nicht mit 90°.

Gegeben sei eine beliebige Strecke AB in allgemeiner Lage im Raum. Bekannt sind deren orthogonale Projektionen auf zwei Projektionsebenen z. B. AB in der Grundrissebene π1 und AB in der Aufrissebene π2.

  • Konstruktion der Hilfsebene durch AB und AB
  • Parallelverschiebung der Geraden durch A und B in der Hilfsebene, so dass sie durch Punkt B verläuft. Damit erhält man den Punkt A0 als Schnittpunkt der neuen Geraden durch B mit der Geraden durch die Punkte A und A, sowie das rechtwinklige Dreieck AA0B, dessen Hypotenuse die Strecke A0B ist. Eine Kathete ist die Grundrissspur AB, die andere Kathete ist die Höhe AA0 als Differenz zAzB (daher Differenzdreieck). Sein rechter Winkel bei A wird in der Hilfsebene projektiv verzerrt dargestellt.
  • Umklappen der Hilfsebene (Drehung um die Spurgerade AB) und des darin enthaltenen Differenzdreiecks in die Grundrissebene. Der Klappvorgang bedeutet zugleich eine Transformation des Koordinatensystem; das neue zweidimensionale kartesische System wird dabei der Zeichnung überlagert, so dass eine seiner Achsen parallel zu Strecke AB und seine andere, also die bisherige z-Achse, parallel zur Strecke AA0 in der Bildebene liegen. In Begriffen der darstellenden Geometrie formuliert passiert da eigentlich eine vorgestellte räumliche Klappung der Ebene um die Gerade durch A und B. Im Moment des Umklappens wird die Drehachse (die im Zeichnungsraum eigentlich in der Grundrissebene liegt und eine räumliche Tiefe hat) umgedeutet und als zweidimensional flach in der Bildebene liegend betrachtet. Durch Abtragen des rechten Winkels bei A in seiner wahren Größe in Punkt A sowie des Punktes A0 nach A0 auf die in die Grundrissbene umgeklappte Hilfsebene erhält man das Spurdreieck AA0B.
  • Die durch A0 und B begrenzte Strecke (seine Hypotenuse) zeigt die wahre Länge von AB. Das Spurdreieck hat seine wahre Gestalt, und Winkel in diesem Dreieck sind wahre Winkel, bezogen auf das transformierte Koordinatensystem.

In gleicher Weise funktioniert die Monge-Drehung, wenn nur zwei Tafeln verwendet werden, wie es bei der Monge-Projektion üblich ist. Diese Darstellungsweise ist schneller zu zeichnen, jedoch weniger anschaulich.

Literatur

  • Arno Bonanni: Darstellende Geometrie I, Ein- und Zweitafelverfahren für Architekten, TU Berlin 1996, S. 27

Weblinks

Wikibooks: Darstellende Geometrie – Lern- und Lehrmaterialien