Alternde Zellen gehen mit Änderungen in der Hirnstruktur einher
Bio-News vom 27.09.2019
Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen und spielen im Alterungsprozess eine zentrale Rolle. Kurze Telomere werden mit chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht – zur Verkürzung beitragen kann zum Beispiel eine hohe Stressbelastung. Verändern sich Telomere in ihrer Länge, spiegelt sich das direkt in unserer Hirnstruktur. Das konnte nun ein Team um Lara Puhlmann und Pascal Vrticka vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie Elissa Epel von der University of California und Tania Singer von der Forschungsgruppe für Soziale Neurowissenschaften in Berlin im Rahmen des von ihr geleiteten ReSource-Projektes zeigen.
Telomere sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden. Werden sie so kurz, dass von ihnen beschützte Gene geschädigt werden könnten, hören die Zellen auf sich zu teilen und zu erneuern. Die Zelle kann ihre Funktionen zunehmend schlechter ausführen. Dies ist einer der Mechanismen für das Altern.
Publikation:
Lara M.C. Puhlmann, Sofie L. Valk, Veronika Engert, Boris C. Bernhardt, Jue Lin, Elissa S. Epel, Pascal Vrticka, Tania Singer
Association of Short-term Change in Leukocyte Telomere Length With Cortical Thickness Change and Outcomes of Mental Training Among Healthy Adults
JAMA Network Open 2019;2(9): e199687
DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2019.9687
Die Länge der Telomere gilt daher als Marker für das biologische Alter eines Menschen – im Gegensatz zum chronologischen Alter, welches wir in Zahlen definieren. Von zwei Menschen mit gleichem chronologischen Alter hat also die Person mit kürzeren Telomeren ein erhöhtes Risiko, altersbedingte Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs zu entwickeln, oder sogar eine kürzere Lebenserwartung.
Verlängerung der Telomere
Ein Schlüssel, um länger jung zu bleiben, scheint daher mit der Frage zusammenzuhängen: Wie schaffen wir es, die Verkürzung der Telomere so lange wie möglich aufzuhalten? Nicht nur Genetik und ungesunder Lebensstil, sondern auch psychischer Stress kann zur Verkürzung der Telomere beitragen. Forscher haben daher untersucht, wie stark der Lebensstil die Länge der Telomere beeinflussen kann. Einige Studien deuten darauf hin, dass sich Telomere viel schneller verändern können als bisher angenommen, und sich sogar nach nur ein bis sechs Monaten mentalen oder körperlichen Trainings verlängern können. Es blieb bisher jedoch unklar, ob diese Verlängerung tatsächlich bedeutet, dass das biologische Alter eines Menschen reduziert wird.
„Um herauszufinden, ob eine kurzfristige Veränderung der Telomerlänge nach nur wenigen Monaten wirklich mit Veränderungen im biologischen Alter einer Person einhergehen könnte, haben wir sie mit einem anderen Biomarker des individuellen Alterns und der Gesundheit in Verbindung gebracht: der Gehirnstruktur“, erklärt Lara Puhlmann, die inzwischen in der Gruppe ‚Sozialer Stress und Familiengesundheit‘, geleitet von Veronika Engert, am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften forscht. Das Projekt war von Tania Singer im Rahmen der ReSource Studie initiiert worden.
Dazu nahmen die Teilnehmer der Studie an vier MRT-Untersuchungen im Abstand von drei Monaten teil und gaben zu den gleichen Terminen Blutproben ab. So konnten die Wissenschaftler anhand der DNA der Leukozyten aus dem Blut der Probanden die Länge der Telomere mittels Polymerase-Kettenreaktion bestimmen. Zusätzlich wurde mithilfe von MRT-Scans die Dicke der Großhirnrinde jedes Teilnehmers berechnet. Diese wird mit dem Alter zunehmend dünner. Man weiß außerdem, dass einige neurologische altersbedingte Erkrankungen mit einer schnelleren Verdünnung des Kortex in bestimmten Regionen verbunden sind.
Flexibles Altern
Das Ergebnis: „Unser biologisches Alter scheint flexibler zu sein, als bisher angenommen. Anzeichen von Alterung auf verschiedenen biologischen Ebenen können schon innerhalb von drei Monaten parallel verändern“, sagt Puhlmann. Veränderten sich die Telomere in der Länge, so war dies mit plastischen Veränderungen im Gehirn verbunden. Wenn sich die Telomere also bei den Studienteilnehmern verlängerten, konnte auch eine stärkere Tendenz zur Verdickung des Kortex gemessen werden. Andersherum war eine Telomerverkürzung mit einer Verdünnung der Großhirnrinde verbunden. Davon war spezifisch der sogenannte Precuneus betroffen – ein wichtiger Stoffwechsel- und Netzwerkknoten im Gehirn.
Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass bereits kurzfristige Veränderungen der Telomerlänge Schwankungen im Gesundheits- und Alterungszustand eines Körpers im Allgemeinen widerspiegeln. Welcher biologische Mechanismus den kurzfristigen Veränderungen in der Telomerlänge zugrunde liegt, bleibt jedoch unklar. „Wir wissen zum Beispiel nicht, ob sich die kurzfristigen Veränderungen wirklich längerfristig auf die Gesundheit auswirken“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Einfluss von mentalem Training
Gleichzeitig ist das Forscherteam der Frage nachgegangen, ob sich die Länge der Telomere durch ein auf Achtsamkeit und Mitgefühl basierendes neunmonatiges, mentales Training tatsächlich verändern lässt und ob solche systematischen Veränderungen der Telomerlänge ebenfalls mit einer Verdickung oder Verdünnung der Gehirnstruktur einhergehen. Vorherige Daten aus dem vom Europäischen Forschungsrat unterstützten ReSource-Projekt hatten bereits gezeigt, dass sich bestimmte Regionen des Kortex durch Training verdicken lassen, abhängig von den jeweiligen mentalen Trainingsinhalten der drei dreimonatigen Trainingsmodule. Auch die physiologische Stressreaktion konnte durch mentales Training mit sozialen Aspekten verringert werden.
Im Unterschied zu früheren Arbeiten fand das Team in der aktuellen Studie jedoch keine Hinweise dafür, dass mentales Training Telomere verändern kann. Zukünftige Studien müssen nun zeigen, welche Maßnahmen oder Verhaltensweisen am effektivsten sind, um den biologischen Alterungsprozess aufzuhalten oder sogar umzukehren.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.