Arbeitsgedächtnis: Vorbereitung auf das Unbekannte
Bio-News vom 28.11.2022
Beim Arbeitsgedächtnis, oder auch Kurzeitgedächtnis genannt, galt lange die Theorie, dass seine Kernaufgabe die aktive Speicherung von Informationen über einen kurzen Zeitraum ist. Mittlerweile wird das Arbeitsgedächtnis komplexer betrachtet, denn Prozesse, wie die Informationsauswahl und die Planung zukünftiger Handlungen, laufen parallel ab. Forschende beleuchten in einer aktuellen Studie die Voraussetzungen für die Initiierung motorischer Vorbereitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Gehirn so früh wie möglich Handlungsoptionen vorbereitet, um die bestmögliche Bedingung für die Ausführung einer Handlung zu ermöglichen.
Im Alltag müssen wir häufig auf Reize in unserer Umgebung reagieren. Wenn beim Spaziergang im Park ein Ball auf uns zufliegt, weichen wir aus oder fangen ihn auf. Was sich natürlich und automatisch anfühlt, erfordert jedoch eine komplexe Reihe kognitiver Prozesse, die von der Sinneswahrnehmung über die motorische Planung bis zur motorischen Ausführung reichen. Das Arbeitsgedächtnis spielt bei diesen kognitiven Prozessen eine zentrale Rolle, da es als Schnittstelle zwischen den vergangenen sensorischen Informationen, den kognitiven Operationen und der zielgerichteten Handlung definiert werden kann.
Publikation:
Rösner, M.; Sabo, M.; Klatt, L.-I.; Wascher, E.; Schneider, D.
Preparing for the unknown: How working memory provides a link between perception and anticipated action
NeuroImage, Vol. 260 (2022)
DOI: 10.1016/j.neuroimage.2022.119466
Aus diesen vergangenen und gespeicherten Informationen versucht das Arbeitsgedächtnis die relevanten Informationen herauszufiltern. Auf der Grundlage von zwei Experimenten, bei denen neurale Oszillationen (Schwingungen) mittels EEG gemessen wurden, haben die Forschenden die Rolle vorbereitender motorischer Pläne für die Fokussierung der Aufmerksamkeit im Arbeitsgedächtnis untersucht.
Vorbereitung der Handlung
In dieser Studie wurden erste Hinweise erbracht, dass das Arbeitsgedächtnis verschiedene Arten von Informationen in flexiblen Codes speichert und so eine optimale Vorbereitung auf alle möglichen Handlungsoptionen liefert. Was wir im Arbeitsgedächtnis speichern, ist nicht nur die mentale Repräsentation vergangener Sinneseindrücke. Viel mehr sind es Informationen darüber, welches aktuelle Ziel wir verfolgen oder welche zukünftige Handlung oder mentale Operation wir durchführen wollen. Die Inhalte des Arbeitsgedächtnisses können also nicht nur als Kopien von sensorischen Informationen betrachtet werden, sondern vielmehr als mentaler Planer, der aus allen Optionen die beste für die jeweilige Situation aussucht.
Zum Studiendesign
Im ersten Experiment bekommen die Teilnehmenden die Aufgabe, sich die Position oder die Orientierung eines Objektes zu merken und anschließend wiederzugeben. Wichtig hierbei ist, dass die Aufgabe genau definiert wurde. Aus dem Experiment lässt sich deuten, dass die Aufmerksamkeitsverschiebung innerhalb eines Objektes mit Handlungsvorbereitungen im Arbeitsgedächtnis einhergeht. Bisher wurde diese Aufmerksamkeitsverschiebung nur zwischen Objekt und Gedächtnisrepräsentation beobachtet.
Der Aufbau vom zweiten Experiment ist dem zum ersten sehr ähnlich. Der Unterschied bestand darin, dass die Teilnehmenden die Aufgabe zuerst nicht kannten und sich alle Eigenschaften des gezeigten Objektes merken mussten. Erst im Anschluss bekamen die Teilnehmenden die Aufgabe gestellt. Die EEG-Messung beim zweiten Experiment zeigt, dass im Arbeitsgedächtnis die Handlungsvorbereitung startet bevor die Aufgabe bekannt ist.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.