Artenvielfalt kann Ökosysteme auch destabilisieren



Bio-News vom 18.10.2018

Artenreiche Ökosysteme sind stabiler gegenüber Störungen wie Dürren, Hitzeperioden oder Pestiziden, lautet die vorherrschende Meinung. Doch ganz so einfach ist es nicht, wie Ökologen der Universität Zürich und der Eawag nun herausgefunden haben. Unter gewissen Umweltbedingungen kann ein erhöhter Artenreichtum auch dazu führen, dass ein Ökosystem instabiler wird.

Ökosysteme nützen uns in vielerlei Hinsicht: Sie liefern Nahrung, Wasser und andere Ressourcen und bieten Erholungsraum. Umso wichtiger ist es, dass diese Systeme funktionsfähig und stabil bleiben - insbesondere angesichts von Klimawandel oder Umweltverschmutzungen. Was diese Stabilität gewährleistet, untersuchten Ökologen der Universität Zürich und der Eawag in einem einzigartigen und umfangreichen Experiment.

Mini-Ökosysteme mit Wimpertierchen

Konkret erforschten die Wissenschaftler, wie die Biodiversität die Stabilität von Ökosystemen beeinflusst. Als Modellorganismen benutzten sie sechs Arten von Wimpertierchen - winzige, im Wasser lebende Einzeller. Diese Tierchen steckten die Forschenden in unterschiedlicher Anzahl und Kombination in Probengläser und erzeugten so Mini-Ökosysteme, die sie daraufhin bei Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad gedeihen liessen. Die erhöhten Temperaturen simulierten eine klimatische Veränderung, da die verwendeten Wimpertierchen normalerweise bei 15 Grad Celsius leben.


Mit verschiedenen Wimpertierchen wurden Mini-Ökosysteme erzeugt.

Publikation:


Frank Pennekamp, Mikael Pontarp, Andrea Tabi, Florian Altermatt, Roman Alther, Yves Choffat, Emanuel A. Fronhofer, Pravin Ganesanandamoorthy, Aurélie Garnier, Jason I. Griffiths, Suzanne Greene, Katherine Horgan, Thomas M. Massie, Elvira Mächler, Gian-Marco Palamara, Mathew Seymour, and Owen L. Petchey
Biodiversity increases and decreases ecosystem stability
Nature. October 17, 2018

DOI: 10.1038/s41586-018-0627-8



Wie stabil die Biomasseproduktion in den kleinen Ökosystemen war, analysierten die Forschenden mit einer neuartigen Videoauswertungstechnik. Ein eigens entwickelter Algorithmus ermöglichte es, die Wimpertierchen-Arten in den rund 20 000 Videosequenzen zu bestimmen, die von den zahlreichen Proben unter dem Mikroskop aufgenommen wurden.

Gegenläufige Ergebnisse

Die Resultate des Experiments erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich: Eine hohe Artenvielfalt fördert und hemmt die Ökosystemstabilität gleichzeitig. "Ökologische Stabilität ist komplex und besteht aus verschiedenen Komponenten. Das Experiment zeigt, wie sich die Artenvielfalt unterschiedlich auf die einzelnen Stabilitätskomponenten auswirkt", erklärt Frank Pennekamp, Erstautor der Studie. Konkret: Je vielfältiger die Artengemeinschaft in den Mini-Ökosystemen war, desto weniger schwankte die Biomasseproduktion - unabhängig von der Temperatur. Bei höheren Temperaturen zeigte sich jedoch, dass je mehr Arten sich im System tummelten, desto weniger Biomasse produzierten die Einzeller.

"Dass verschiedene Komponenten unterschiedlich reagieren, sollte beim Management von Ökosystemen berücksichtigt werden. Denn je nach Gewichtung der Komponenten, kann es nichtlineare Zusammenhänge zwischen der Diversität und der gesamtheitliche Ökosystemstabilität geben", sagt Pennekamp.

Ähnliche Effekte auch in anderen Ökosystemen

Eine Literaturrecherche ergab, dass andere Wissenschaftler die gegenläufigen Zusammenhänge zwischen Artenreichtum und Stabilität auch in anderen Ökosystemen beobachten konnten - etwa in Grasland- oder Algengemeinschaften. "Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine höhere Artenvielfalt alleine nicht für die gesamtheitliche Stabilität eines Ökosystems ausreicht. Neben der Artenvielfalt braucht es auch Arten, die auf vielfältige Weise auf Umweltveränderungen reagieren können", sagt Florian Altermatt, Professor für Aquatische Ökologie der Eawag.

Die Forschung wurde unterstützt vom Universitären Forschungsschwerpunkt Globaler Wandel und Biodiversität der Universität Zürich.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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