Auf die Größe kommt es an



Bio-News vom 20.05.2019

Ökologe der Universität Jena und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) entwickelt Methode, mit der sich die Anfälligkeit von Ökosystemen vorhersagen lässt. Raubtiere spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Natürliche Ökosysteme sind ebenso vielfältig wie sensibel. Durch Umweltveränderungen wie Klimawandel, Verschmutzung oder Ausbreitung nicht heimischer Arten können sie leicht aus dem Gleichgewicht geraten. Die Forschung geht daher auch der Frage nach, wie anfällig Ökosysteme gegenüber Störungen sind. Bei der Suche nach Antworten steht sie jedoch vor einem Problem: Im Beziehungsgeflecht der Arten ereignen sich unzählige Interaktionen, die sich kaum vollständig erfassen und in messbare Daten übertragen lassen.

Datensatz mit Informationen aus 290 Nahrungsnetzen

Um dieses Hindernis zu überwinden, hat ein Team um Ökologe Prof. Dr. Ulrich Brose von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) einen neuen Ansatz entwickelt. Das Besondere dieser Methode: Es werden nur wenige Informationen über die Eigenschaften von „Räubern“ benötigt, die Jagd auf Beutetiere machen. Mit ihnen lässt sich die Struktur und die Stabilität eines Lebensraums bestimmen, ohne aufwendig die Beziehungen zu anderen Organismen betrachten zu müssen. Die Forscherinnen und Forscher konnten ihre Methode anhand eines großen Datensatzes mit über 220.000 Interaktionen aus 290 Nahrungsnetzen bestätigen. Sie hatten die Daten in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren von Forschungspartnern aus aller Welt zusammengetragen.


Der Größenunterschied zwischen Räubern – wie diesem Leoparden – und ihrer Beute ist für Ulrich Broses Methode der entscheidende Faktor.

Publikation:


Brose, Ulrich et al.
Predator traits determine food-web architecture across ecosystems
Nature Ecology & Evolution, 2019

DOI: 10.1038/s41559-019-0899-x



Große Jäger mit kleiner Beute sind ideal für das Ökosystem

„Die entscheidende Eigenschaft der Räuber ist das Verhältnis ihrer Körpermasse zu dem ihrer Beute“, erklärt Brose, der jüngst mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet wurde. „Liegt eine große Differenz vor, so wirkt sich dies positiv auf das Gleichgewicht der Energieflüsse des Nahrungsnetzes aus.“ Große Jäger mit kleiner Beute wie z. B. mäusejagende Marder sind daher gut und wichtig für die Stabilität des Ökosystems.

Mithilfe der gesammelten Daten können Brose und sein Team genau vorhersagen, welche Tiere es sind, die innerhalb des Nahrungsnetzes eine Schlüsselrolle spielen. Die Prognose fällt sogar noch exakter aus, wenn neben der Körpermasse weitere Merkmale wie die Fortbewegungsart oder der Stoffwechseltyp hinzugezogen werden. Die Auswertung ergab, dass je nach Beschaffenheit des Lebensraums andere Arten von Räubern das Ökosystem im Gleichgewicht halten. In dreidimensionalen Biotopen (Luft, Wasser) sind es sehr große Jäger, die stabilisierend wirken, in zweidimensionalen Räumen (Land) hingegen eher kleinere Säugetiere.

Nahrungsnetz-Theorie gibt Impulse für praktischen Naturschutz

Die Ursache für diese Unterschiede möchten Brose und sein Team nun erforschen. Als nächstes wollen sie die bereits vorhandenen Daten über Nahrungsnetze um weitere Faktoren wie die Geschwindigkeit von Tieren ergänzen. „Unser Ziel ist es, die fundamentalen Gesetze der Architektur von Biodiversität zu ergründen,“ erklärt Brose, der seine Zahlen über die Datenbank des iDiv auch anderen Forschungsteams zur Verfügung stellt. Seine jüngsten Erkenntnisse könnten außerdem dabei helfen, die Lücke zwischen Nahrungsnetz-Theorie und praktischem Naturschutz zu schließen: Begreift man Naturschutz als Abfederung gegen Störungen von außen, erzielt man die besten Erfolge mit dem Schutz von großen Jägern wie Walen und Haien im Wasser und großen Greifvögeln in der Luft -- an Land hingegen mit kleineren Säugern wie Wieseln oder Iltissen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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