Dark Sky Week: Weniger Licht für mehr Insekten



Bio-News vom 29.04.2021

Die zweite Aprilwoche 2021 ist die internationale Woche des dunklen Himmels – Dark Sky Week. Das Event findet immer in der Neumondwoche im April statt, da der Himmel dann dunkel ist und optimale Sichtbedingungen auf den Sternenhimmel herrschen. Forschende und Hobbyastronomen wollen an die Faszination der Nacht erinnern und auf das Thema Lichtverschmutzung aufmerksam machen. Denn zu viel künstliches Licht bei Nacht macht nicht nur die Sterne unsichtbar; es kann Mensch und Tier stören. Forschende vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchen die Wirkungen von künstlichem Licht auf Insekten.

Mit ihrer Forschung zum Schutz der kleinen Sechsbeiner wollen Dr. Sibylle Schroer und Johanna Reinhard eins erreichen: „Mehr wohlwollendes Ohhhh, weniger abschätziges Ihhhh“. Und ein weiterer Wunsch ist ihnen noch wichtiger: „Mehr Dunkelheit, weniger künstliches Licht.“ Die IGB-Forscherinnen koordinieren das Projekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung (AuBe)“. Forschende der Ökologie und Lichttechnik untersuchen und erproben gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürger in Partnerkommunen neue Konzepte, um künstliches Licht bei Nacht auf die Bedürfnisse von Mensch und Tier abzustimmen. Die Modellgebiete sind das nördliche und westliche Brandenburg, das südliche Mecklenburg und das hessische Fulda. In diesen Regionen ist es nachts noch so dunkel, dass man die nächtliche Dunkelheit gut erleben und erforschen kann.


In einigen Kommunen Deutschlands hängen merkwürdige sackähnliche Gebilde an Straßenleuchten. Es sind Insektenfallen, mit denen Forschende dem nächtlichen Insektensterben auf der Spur sind.

Publikation:


Kalinkat, G., Grubisic, M., Jechow, A., van Grunsven, R.H.A., Schroer, S. and Hölker, F.
Assessing long‐term effects of artificial light at night on insects: what is missing and how to get there

Insect Conserv Divers, 14: 260-270 (2021)

DOI: 10.1111/icad.12482



Nicht nur Nachtfalter – die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv

Die Beteiligten des Insekten-Monitorings hängen Fallen an Lampen auf und werten die Funde aus. In Workshops werden die Insektenarten bestimmt und gezählt. Was die Forschenden in den Fallen finden ist weder bunt noch auffällig und daher wenig bekannt: Taubenschwänzchen, Gammaeule oder Schönbär, um nur einige Nachtfalter-Arten zu nennen. „Übersehen sollten wir sie jedoch nicht, denn über 3.300 Falterarten und damit mehr als 95 Prozent der heimischen Schmetterlingsarten zählen zu ihnen. Sie sind wichtige Bestäuber und spielen eine bedeutende Rolle im Nahrungsnetz“, erläutert Johanna Reinhard.

Etwa die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv. Sie sind auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren und fortzubewegen, oder um Räubern auszuweichen. Und auch, um ihren allnächtlichen Aufgaben wie Nahrungssuche und Fortpflanzung nachzugehen. Eine künstlich erhellte Nacht stört dieses natürliche Verhalten – und mindert die Überlebenschancen.


Nicht mehr so grell!

Vor allem Fluginsekten werden von Lampen, Skybeamern und Leuchtreklame angezogen und sterben dann dort durch Erschöpfung, oder als leichte Beute von Räubern. Die Lichtquellen wirken im Ökosystem wie ein Staubsauger: So zeigte eine vorangegangene Studie des IGB auf einem Versuchsfeld im Westhavelland, dass an erleuchteten Straßenlaternen bis zu 260 Mal so viele Insekten schwirren wie in der dunklen Umgebung.

Lichtverschmutzung: eine der Ursachen für das Insektensterben

Daher könnte Lichtverschmutzung ein wichtiger Grund für den weltweiten Rückgang der Insekten sein, konstatiert Dr. Gregor Kalinkat, der als Ökologe für die entomologische Begleitforschung in AuBe zuständig ist: „Das globale ,Insektensterben‘ – in Form von Arten- und Bestandsrückgängen – ist eines der drängendsten Probleme in der Biologie und den Umweltwissenschaften mit möglichen Folgen für die Nahrungsmittelgewinnung, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir vermuten, dass künstliches Licht in der Nacht ein Hauptgrund für diesen, vor allem in Deutschland gut dokumentierten Negativtrend ist.“

Leider gibt es bisher fast keine Studien, die den Zusammenhang zwischen Insektensterben und Lichtverschmutzung langfristig, also über mehr als ein bis zwei Jahre hinaus, untersucht haben. Gregor Kalinkat hat gerade mit einem Team aus IGB-Forschenden und Mitgliedern der Dutch Butterfly Conservation eine Studie zu den vorhandenen Daten veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren haben darin eine Checkliste mit den Eckpunkten erstellt, die in zukünftigen Experimenten berücksichtigt werden sollten.

Für ein aussagekräftiges Insektenmonitoring sollten Raum und Zeit möglichst weit gewählt werden um natürliche Schwankungen der Insektenpopulationen zu erfassen. Ebenso sollten unterschiedliche Fallenarten und Fangmethoden zum Einsatz kommen, um eine möglichst hohe Insektendiversität zu erfassen. Insekten nehmen mit ihren Komplexaugen Farben und Intensitäten von Licht ganz anders wahr als der Mensch. Daher sind gängige lichttechnischen Angaben wie die Einheit der menschlichen Lichtwahrnehmung „Lux“ oft nicht ausreichend für derartige Studien.



Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischenrei (IGB) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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