Das genetische Geheimnis des Nachtsehens



Bio-News vom 25.02.2020

Die kompakte DNA-Organisation verbessert die Sehkraft nachtaktiver Säugetiere.

Eines der bemerkenswertesten Merkmale des Wirbeltierauges ist seine Netzhaut auf der Augeninnenseite. Überraschenderweise befinden sich die empfindlichen Teile der Fotorezeptorzellen auf der Rückseite der Netzhaut, was bedeutet, dass das Licht erst durch lebendes Nervengewebe reisen muss, bevor es detektiert werden kann. Während der Ursprung der hohen optischen Qualität der Netzhaut noch weitgehend unerforscht ist, wird seit langem vermutet, dass eine besondere DNA-Organisation der Verbesserung des Sehvermögens bei nachtaktiven Säugetieren dient.


Sehen bei Nacht gehört zu den schwierigsten und wichtigsten Aufgaben der Evolution. Dies erklärt die Komplexität des Auges und seiner lichtempfindlichen Netzhaut.

Publikation:


Kaushikaram Subramanian, Martin Weigert, Oliver Borsch, Heike Petzold, Alfonso Garcia, Eugene Myers, Marius Ader, Irina Solovei, Moritz Kreysing
Rod nuclear architecture determines contrast transmission of the retina and behavioral sensitivity in mice

eLife, 11. December, 2019

DOI: 10.7554/eLife.49542



Forscher am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden zeigten nun, dass die optische Qualität der Netzhaut von Mäusen im ersten Monat nach der Geburt zunimmt, was zu einer verbesserten visuellen Empfindlichkeit bei schwierigen Lichtverhältnissen führt. Diese optische Verbesserung wird durch die kompakte Organisation des genetischen Materials im Zellkern von Stäbchen-Fotorezeptorzellen verursacht. Die Studie wurde in eLife veröffentlicht.

Die Netzhaut ist vielleicht der erstaunlichste Teil des Auges von Wirbeltieren. Diese lichtempfindliche Gewebeschicht säumt den hinteren Teil des Augapfels und dient als Projektionsfläche für die von der Linse projizierten Bilder. Die Netzhaut hat eine Dicke von 130 bis 500 Mikrometern, dies entspricht der Dicke mehrerer Blätter Papier, und besteht aus fünf Schichten dichten Nervengewebes. Da sich die empfindlichen Teile der Fotorezeptorzellen auf der Rückseite der Netzhaut befinden, muss das Licht durch dieses dichte Nervengewebe hindurch reisen, um die Fotorezeptoren zu erreichen. Die Forscher vermuteten schon lange, dass eine bestimmte kompakte Anordnung der DNA im Zellkern der Stäbchen-Fotorezeptoren das Sehen bei nachtaktiven Tieren verbessern könnte, aber es blieb unklar, ob und wie das Nachtsehen von dieser Organisation des genetischen Materials profitieren würde.

Wissenschaftler um den Forschungsgruppenleiter Moritz Kreysing am MPI-CBG wollten zusammen mit Kollegen von der TU Dresden und dem Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München herausfinden, ob und warum Zellen der retinalen Nervenzellen optisch besonders sind und welche Auswirkungen dies auf die Transparenz der Netzhaut hat. Transparenz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jede Stäbchenzelle weniger Licht streut und dadurch transparenter ist. Die Forscher konzentrierten sich insbesondere auf die Bedeutung der DNA-Verdichtung in den Stäbchen-Fotorezeptorzellen und darauf, ob Veränderungen in den optischen Eigenschaften der Netzhaut stark genug sind, um das Sehvermögen der Maus unter schwierigen Lichtbedingungen zu verbessern.

Kaushikaram Subramanian, der Erstautor der Studie, erklärt dies: „Bei der Untersuchung von Mäusen stellten wir fest, dass die optische Qualität der Netzhaut während des ersten Monats nach der Geburt zunimmt. Es gibt eine zweifache Verbesserung der Netzhauttransparenz, die durch die kompakte Umlagerung des genetischen Materials im Zellkern verursacht wird. Mit Verhaltenstests bei Mondlicht-Verhältnissen konnten wir auch zeigen, dass Mäuse mit dieser DNA-Anpassung unter schwachen Lichtbedingungen besser sehen konnten als Mäuse, denen eine solche Anordnung fehlte.“ Die Mäuse waren bis zu zehnmal besser in der Lage, Bewegungen zu erkennen und Kontraste bei schwachem Licht besser zu wahrzunehmen.

Die Forschung offenbart nicht nur die Funktion dieser ungewöhnlichen DNA-Organisation in der Netzhaut. Ferner zeigt die Arbeit, dass die Bildklarheit nicht nur eine Frage der Bildprojektionslinse ist, sondern empfindlich von der optischen Qualität der Netzhaut abhängt. Moritz Kreysing, der die Studie betreut hat und auch Mitglied des Zentrums für Systembiologie Dresden ist, fasst zusammen: „Unsere Studie deutet weiter darauf hin, dass Methoden der Genetik dazu genutzt werden könnten, die optischen Eigenschaften von Zellen und Geweben zu verändern. Es wäre spannend zu sehen, ob die Genetik zur Verbesserung der Transparenz von Zellen und Geweben eingesetzt werden kann, was der biologischen Mikroskopie von lebenden Geweben immens zugutekommen würde.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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